

Eine Milliarde winziger Härchen an jedem Fuß verleihen Geckos ungewöhnliche Fähigkeiten: Sie können Wände hochlaufen oder sich sogar kopfüber von glatten Glasoberflächen baumeln lassen. Die Technik dient seit Jahren als Vorbild für Spezialklebstoffe in der Medizin oder Industrie. Doch nun zeigt sich: Die Superkräfte der Geckos funktionieren ganz anders, als bisher angenommen.
Eigentlich war die Sache längst geklärt: Geckos haften dank schwacher intermolekularer Kräfte an glatten Oberflächen, so die Lehrmeinung. Diese sogenannten Van-der-Waals-Kräfte wirken zwischen Atomen oder Molekülen, wenn diese sich sehr nahe kommen. Die Anziehung ist eigentlich minimal. Wenn jedoch größere Flächen eng aufeinander liegen, kommt es zur Klebewirkung, so die Geckoklebetheorie.
Doch offenbar sind die Van-der-Waals-Kräfte nicht der entscheidende Punkt, berichten Alexander Penlidis und Kollegen von der University of Waterloo im kanadischen Bundesstaat Ontario. Stattdessen seien elektrostatische Ladungen maßgeblich dafür verantwortlich, dass Geckos an der Decke haften.
Kleben wie Haare am Luftballon
Es ist das gleiche Phänomen wie bei einem Luftballon, der, nach kräftigem Rubbeln an Wolle, Haare anzieht. Wenn zwei Materialien in Kontakt kommen, laden sie sich elektrisch auf. Im Fall des Ballons wird dieser negativ, die Wolle positiv. Nähert sich der Ballon nun den elektrisch neutralen Haaren, werden die Ladungen in den Haaren getrennt, sodass die positiven nach außen zeigen. Der negativ geladenen Ballon und die positiv scheinenden Haare ziehen sich an.
Um das Prinzip bei den Geckos zu testen, haben Penlidis und Kollegen die elektrischen Ladungen erfasst, die zwischen Geckofüßen und Oberfläche entstehen. Sie zogen jeweils einen Fuß von fünf lebenden Tokeh-Geckos über zwei dünne Kunststofffolien, auf denen die Tiere unterschiedlich gut haften. Ladung und Haftkraft wurden mithilfe einer Kupferplatte erfasst, die hinter den dünn aufgetragenen Materialschichten lag.
Entscheidende Kraft übersehen
Bei beiden Materialien luden sich die Härchen an den Geckofüßen positiv auf, die Kunststoffe negativ. Es zeigte sich, dass die Haftkraft der Geckofüße und die Menge der elektrostatischen Ladungen eng zusammenhängen. Beide waren bei dem besser haftenden Material - Teflon AF - etwa doppelt so hoch wie bei dem Vergleichskunststoff.
Den Verdacht, dass die elektrostatische Aufladung entscheidend für die Kletterkunst der Geckos ist, bestätigte eine zweite Beobachtung: Die Geckos hafteten an Teflon AF deutlich besser, obwohl die Van-der-Waals-Kräfte geringer waren als beim Vergleichsstoff. Das zeige, dass die elektrostatische Aufladung den entscheidenden Einfluss auf die Haftung der Geckos habe, schreiben die Forscher im Fachmagazin "Journal of the Royal Society Interface".
Bislang sei die elektrostatische Anziehung schlicht übersehen worden, so Penlidis und Kollegen. In einem ersten Experiment von 1934 habe der Gothaer Forscher Wolf-Dietrich Dellit ausgeschlossen, dass elektrostatische Kräfte die Geckos an Decken und Wänden hängen lassen - damals allerdings mit wenig aussagekräftigen Methoden. Seither sei dieses Ergebnis nicht mehr überprüft worden. Das neue Forschungsergebnis sei vor allem für die Entwicklung und Weiterentwicklung von trockenen Industrie- und Medizinklebern interessant.
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Fuß eines Tokeh von unten: Ihre ungewöhnlichen Kletterfähigkeiten verdanken die Geckos einer Milliarde feinster Härchen an jedem Fuß. Diese sind etwa 200 Nanometer breit und lang.
Tokeh an der Scheibe: Etwa 35 Zentimeter werden die Geckos lang. Sie können senkrecht an Scheiben oder an Decken entlanglaufen.
Falsch gedacht: Es sind nicht, wie bisher vermutet, schwache intermolekulare Kräfte, die Geckos an der Wand halten.
Stattdessen sorgen elektrostatische Ladungen für Klebekraft. Es sind dieselben Kräfte, die Haare nach kräftigem Rubbeln am Luftballon kleben lassen.
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