Epigenetik
Forscher entdecken Temperaturfühler von Pflanzen
Steigende Temperaturen bedrohen mitunter die Ernteerträge etwa von Getreide. Wissenschaftler haben jetzt den genetischen Temperatursensor von Pflanzen entdeckt. Ihre Erkenntnisse sollen helfen, Getreidearten zu züchten, die dem Klimawandel trotzen können.
Blüte der Ackerschmalwand: Pflanze reagiert auf Temperaturschwankungen
Foto: Jürgen Berger / Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie
Ob heiß oder kalt - Pflanzen können sich an die Temperatur der Umgebung anpassen, um so etwa den Wasserhaushalt entsprechend zu regulieren. Dabei sind Pflanzen extrem sensitiv: Selbst kleinste Temperaturschwankungen nehmen sie wahr, auch wenn diese nur ein Grad Celsius betragen.
Jetzt haben englische Forscher erstmals den Mechanismus herausgefunden, wie Pflanzen auf derartige Schwankungen reagieren, und ihn in der
Fachzeitschrift "Cell" beschrieben: Das Erbgut im Kern der Zelle liegt für gewöhnlich
in dicht gepackter Form vor. Die langen DNA-Fäden sind in einer hochkomplexen Art und Weise um die sogenannten Histone gewickelt, diejenigen Proteine, die für die Verpackung der DNA zuständig sind.
Steigt die Temperatur an, lockert sich diese Verpackungsstruktur. "Entwirrt sich die DNA, so werden Hunderte von Genen angeschaltet", sagt Philip Wigge, einer der beiden Autoren der Studie. "Andere dagegen werden in diesem Zustand deaktiviert." Verantwortlich für die Entwirrung des DNA-Knäuels ist den Forschern zufolge ein Histon-Protein namens H2A.Z. Die Lockerung der Verpackung führe vermutlich dazu, dass
Proteine, die die Aktivität der Gene steuern, besser an die entsprechenden DNA-Abschnitte andocken können als im dicht verpackten Zustand. So sorgen sie dafür, dass ein bestimmtes Gen aktiviert oder aber ausgeschaltet wird.
"Insbesondere Weizen reagiert sehr empfindlich auf heiße Sommer"
Die Biologen vom John Innes Centre in Norwich haben den Mechanismus in einer Untersuchung an der krautigen Pflanze Ackerschmalwand herausgefunden. Arabidopsis thaliana, so ihr lateinischer Name, hat sich als Modellorganismus in der Erbgutforschung etabliert. Die Entdeckung soll in Zukunft dazu beitragen, Nutzpflanzen gegenüber Temperaturschwankungen unempfindlicher zu machen.
Zudem gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Erkenntnisse von großer Bedeutung sind, um die Ernährung der Weltbevölkerung abzusichern. "Der Bedarf an Nahrungsmitteln wird Schätzungen zufolge in den nächsten hundert Jahren um 70 bis 100 Prozent ansteigen", sagt Wigge. Dazu werde es aufgrund des Klimawandels schwierig sein, gegenwärtige Ernteerträge beizubehalten.
Wenn nun die Reaktion von Pflanzen auf den Klimawandel besser verstanden wird, lassen sich Nutzpflanzen züchten, die auch steigenden Temperaturen standhalten. "Insbesondere Getreidepflanzen wie der Weizen reagieren sehr empfindlich auf heiße und trockene Sommer", sagt Wigge. In weiteren Studien wollen die Forscher daher die Rolle von H2A.Z bei einer Modellpflanze untersuchen, die herkömmlichen Getreidearten ähnelt.