Erhöhte Radioaktivität Krisentreffen wegen Atommülllager Asse
Braunschweig - Nach Pannen im Atommülllager Asse II bei Wolfenbüttel kommt es am Dienstagnachmittag in Berlin zu einem kurzfristig anberaumten Spitzentreffen von Bund und Land Niedersachsen. Bundesforschungsministerin Schavan, Umweltminister Gabriel und sein niedersächsischer Amtskollege Sander wollen über die Vorfälle reden, sagte Schavan-Sprecher König der "Braunschweiger Zeitung". Eine Sprecherin des Bundesforschungsministeriums bestätigte den Termin gegenüber SPIEGEL ONLINE.

Fördergerüst Schacht Konrad nahe dem Atomendlager Asse II: Radioaktivität acht- bis neunfach erhöht
Foto: DDPSchavan, die das Treffen angeregt habe, lege Wert auf größtmögliche Transparenz und habe stets betont, dass die Sicherheit oberste Priorität haben müsse, sagte König der Zeitung. Parallel hatte auch Landesumweltminister Sander Ende vergangener Woche dringend ein kurzfristiges Spitzentreffen verlangt.
Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass sich in dem Forschungsbergwerk radioaktive Salzlauge befindet, die die zulässigen Grenzwerte um das Acht- bis Neunfache überschreitet. Laut Bundesumweltministerium hat das zuständige Landesbergamt gegen geltendes Strahlenschutzrecht verstoßen. Schavan ist auf Bundesebene für das Forschungsbergwerk zuständig.
"Wenn Lauge mit dem Atommüll in Verbindung kommt, kann es jede Menge chemischer Reaktionen geben", warnt Rolf Bertram, emeritierter Professor für physikalische Chemie. Viele Anwohner und Gegner fürchten, dass die belastete Lauge ins Trinkwasser geraten kann. In der salzhaltigen Lauge sind neben Cäsium-137 auch radioaktives Strontium, Radium sowie nachgewiesen worden. Das berichteten Mitglieder des Begleitgremiums am Dienstag der "taz".
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, in dessen Wahlkreis das Forschungsbergwerk liegt, will dem Umgang mit radioaktivem Müll genauer auf den Grund gehen. Er forderte vom Landesumweltministerium in Hannover - die Atomaufsicht über die Asse - einen umfassenden Bericht an.
Die Asse war das weltweit erste unterirdische Lager für Atommüll, dort wurde seit 1967 erprobt, wie radioaktiver Abfall auf Dauer sicher entsorgt und endgelagert werden kann. In dem ehemaligen Salzbergwerk ist vor allem schwach- und mittelradioaktiver Abfall aus Kliniken und Labors untergebracht.
Proteste schon seit 1967
Die Probleme in dem Endlager in Niedersachsen dürften neuen Zündstoff in die bundesweite Debatte um den Atomausstieg und die Suche nach Endlagerstätten bringen: Atommüll sollte für eine Million Jahre sicher eingelagert werden - doch bereits nach 40 Jahren treten massive Probleme in der Asse auf.
Dabei wurde ausgerechnet dort von 1967 bis 1992 die Endlagerung von Atommüll erforscht. Seit einigen Tagen scheint der gleichnamige Höhenzug südöstlich von Braunschweig für Atomkraftgegner zu einem Symbol für die in ihren Augen falsche Atompolitik zu werden.
Schon seit der Eröffnung des Versuchsbergwerks Asse 1967 hatte es Proteste in der Bevölkerung gegeben. Seit im vorigen Jahr aber das umstrittene Schließungskonzept für die Schachtanlage öffentlich diskutiert wird, werden die Alarmzeichen deutlicher: Der alte Salzstock gilt nicht nur als einsturzgefährdet.
Zur politischen Klärung fordern Landespolitiker in Niedersachsen nun einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Vor allem Grüne, SPD und Linke halten den Umgang mit den radioaktiven Stoffen im Atommülllager Asse für abenteuerlich. Offensichtlich hatte der Betreiber - das Helmholtz-Zentrum in München - Arbeiten ohne Genehmigung durchgeführt. Geklärt werden soll auch, ob die zuständigen Behörden Fehler gemacht haben.
lub/ddp/dpa