Neue EU-Klimaziele Kommissarin Hilflos

Europa hat seine Vorreiterrolle beim Klimaschutz eingebüßt. Die zuständige EU-Kommissarin Connie Hedegaard hat trotz hehrer Ziele kaum etwas erreicht. Beim Ausbau von Ökoenergien bis 2030 gibt es keinerlei bindende Vorgaben für die Mitgliedstaaten.
EU-Kommissarin Hedegaard (im Dezember 2012): "Wir haben es geschafft"

EU-Kommissarin Hedegaard (im Dezember 2012): "Wir haben es geschafft"

Foto: © Fadi Al-Assaad / Reuters/ REUTERS

Connie Hedegaard weiß, wie sich Scheitern anfühlt. Wie schmerzhaft es ist, nach zermürbender Diskussion mit leeren Händen dazustehen. Die Ex-Journalistin und ihr damaliger Chef, Dänemarks Ex-Premier Lars Løkke Rasmussen, steuerten den Klimagipfel von Kopenhagen 2009 ins Chaos. Die internationale Klimadiplomatie hat sich davon auch Jahre später nicht erholt.

Noch einmal so scheitern, das wollte Hedegaard nicht. Also ging sie als erste EU-Klimaschutzkommissarin nach Brüssel. Dort sollte sie dreierlei vorantreiben: Bis 2020 wollte die EU 20 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu 1990 ausstoßen, 20 Prozent Marktanteil erneuerbarer Energien erreichen und die Energieeffizienz um 20 Prozent steigern. All das war längst beschlossen, als die Dänin in die EU-Kommission kam. Sie sollte sich um die Zeit danach kümmern.

In Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise brachte Hedegaard kaum etwas auf die Reihe. Kurz vor Ende ihrer Amtszeit lief sie wieder Gefahr, komplett zu scheitern. Um ihre politische Bilanz zu retten, hat sie sich deswegen auf einen ambitionslosen Kompromiss eingelassen: die Klimaziele bis 2030, die die EU-Kommission an diesem Mittwoch vorgestellt hat. Danach will Europa

  • die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken und

  • den Marktanteil der erneuerbaren Energien auf 27 Prozent steigern, ohne dass es verbindliche Ziele für die einzelnen Mitgliedstaaten gibt.

  • Für die Energieeffizienz hat die Kommission gleich gar kein Ziel festgelegt.

Umweltschützer hatten dagegen bei der CO2-Reduktion ein 55-Prozent-Ziel gefordert und bei den Erneuerbaren verbindliche Vorgaben für einzelne Staaten, die sich EU-weit auf einen Anteil von 45 Prozent summieren würden. Außerdem wollten sie eine Verbesserung von 40 Prozent bei der Energieeffizienz.

Doch jetzt ist klar: Mit dem, was die Kommission vorschlägt, verabschiedet sich Europa endgültig von einer Vorreiterrolle in der Klimapolitik.

Querköpfe nicht auf Linie gebracht

Mitgliedstaaten wie Polen haben jahrelang mit Macht dagegen opponiert. Dem Rest gelang es nicht, die Querköpfe auf Linie zu bringen - weil Staaten wie Deutschland daran lange kein Interesse zeigten. EU-Energiekommissar Günther Oettinger, in Brüssel verantwortlich auch für die Erneuerbaren, und Industriekommissar Antonio Tajani waren ebenfalls nur für 35 Prozent CO2-Einsaparung.

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Foto: H Damon Matthews et al

Im März beraten die EU-Staaten auf einem Gipfel über die Vorschläge der Kommission. Dass die Ziele bei dem Treffen ambitionierter werden, glaubt niemand. Entscheidend ist aber, dass sich die EU-Länder auf eine Reform des Emissionshandelssystems einigen. Weil der CO2-Preis aktuell im Keller ist, steigt der CO2-Ausstoß in Deutschland nämlich sogar wieder.

Kommissarin Hedegaard muss sich als fru hjælpeløs, Frau Hilflos, schelten lassen. Mehr als eine Einigung auf beinah den kleinsten gemeinsamen Nenner ist ihr nicht gelungen. Ein Gutteil des CO2-Ziels wird allein dadurch erreicht, dass mit den Zahlen von 1990 gerechtet wird - und sich Europa so den Zusammenbruch der Industrie im Ostblock als klimapolitischen Verdienst anrechnen lassen kann. Nach aktuellen Zahlen ist die EU-Wirtschaft derzeit auf Kurs, eine 32-Prozent-Senkung des CO2-Ausstoßes bis 2030 zu erreichen. Ganz ohne weitere Anstrengungen.

Für die Zukunft enthält der Vorschlag der EU-Kommission wenig Brauchbares. Umwelt- und Entwicklungsverbände geißeln die "Selbstdemontage der europäischen Klimapolitik" - und liegen damit richtig. Kommissarin Hedegaard lässt sich dazu folgendermaßen zitieren: "Obwohl so viele gemutmaßt haben, dass heute nichts Ambitioniertes aus der Kommission kommen würde, haben wir es geschafft."

So klingt es, wenn man partout kein Scheitern eingestehen kann.

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