EU-Kommissarin Hedegaard Europa will eine neue Klima-Weltordnung
SPIEGEL ONLINE: Frau Kommissarin Hedegaard, es gab 16 Uno-Klimaverhandlungen und kaum Fortschritte. Was wird in Durban anders, damit es einen Klimavertrag für die ganze Welt geben kann, der den Ausstoß von Treibhausgasen einschränkt?
Hedegaard: Die Konferenz in Durban muss das Denken des 20. Jahrhunderts überwinden, das die Welt in einen reichen Norden und einen armen Süden teilte.
SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet das?
Hedegaard: Das bedeutet, dass Entwicklungsländer mehr Verantwortung beim Klimaschutz übernehmen sollten. China und andere große aufstrebende Länder sollten sich für die Einschränkung der Treibhausgasemissionen stark machen. Die EU ist nur für elf Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Es wäre unmöglich, die Klimaerwärmung aufzuhalten, ohne dass die Verursacher der anderen 89 Prozent sich mit einbringen.
SPIEGEL ONLINE: Aber das bisher freigesetzte CO2 stammt im Wesentlichen von den reichen Ländern.
Hedegaard: Natürlich müssen unterschiedliche Verpflichtungen zur CO2-Reduktion gelten, aber es müssen eben Verpflichtungen sein. In einer globalen Welt hängen wir alle zusammen. Dass Abmachungen nur in einem Teil der Welt verpflichtend sein sollen, während sie in anderen Teilen der Welt freiwillig sind, ergibt keinen Sinn mehr im 21. Jahrhundert.
SPIEGEL ONLINE: Aber schnell wachsende Schwellenländer wie China, Brasilien, Indien erhalten bislang die meisten Klimaschutzgelder im Rahmen des "Clean Development Mechanism" (CDM), mit dem CO2-Einsparungen und Umweltprojekte finanziell belohnt werden.
Hedegaard: Die EU will das System ändern. Ab 2013 sollen die projektbezogenen Mittel im Rahmen des CDM nur noch den ärmsten Ländern, vor allem afrikanischen Staaten, zur Verfügung stehen.
SPIEGEL ONLINE: EU-Staaten und andere wohlhabende Nationen mit Ausnahme der USA haben sich im Vertrag von Kyoto verpflichtet, ihren CO2-Ausstoß zu senken. 2012 läuft das Abkommen aus. Wie wollen sie die größten Treibhausgas-Verursacher - China, die USA und Russland - und andere Länder mit schnell wachsenden Ökonomien zum Mitmachen bewegen?
Hedegaard: Auch in den USA und China gibt es Fortschritte beim Klimaschutz: In den USA haben Hunderte Städte Pläne zum Einsparen von CO2. Kalifornien startet sogar mit einem Emissionshandel. Auch mehrere Provinzen in China beginnen entsprechende Pilotprojekte.
SPIEGEL ONLINE: Das soll reichen für einen Umschwung in Durban?
Hedegaard: Neue Impulse erwarte ich auch von den Entwicklungsländern. Sie haben erkannt, dass sie vom Klimawandel am meisten bedroht sind und machen jetzt Druck. Diesen Schwung wollen wir in Durban nutzen. Die EU will versuchen, zu vermitteln, um die USA und China ins Boot zu holen.
SPIEGEL ONLINE: Konkret, was ist das Ziel der EU in Durban?
Hedegaard: Die EU will einen Fahrplan, eine sogenannte Road Map, die alle Staaten bis 2015 zu Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet.
SPIEGEL ONLINE: Road Maps sind ja gut bekannt auf Uno-Klimakonferenzen, sie hatten bislang kaum Folgen.
Hedegaard: Ohne bindende Verpflichtungen einer Road Map wird es kein Kyoto-Folgeabkommen geben. In Durban müssen wir die wichtigsten Staaten dazu bringen, zuzustimmen. Die Staaten würden dadurch bis 2015 Zeit erhalten ein CO2-Monitoring einzuführen, um ihren Treibhausgasausstoß zu regeln.
SPIEGEL ONLINE: Warum sollte das auf einmal klappen, wo doch die meisten Staaten die Kyoto-Vorgaben nicht einhalten?
Hedegaard: Dieses Mal sollen alle Länder mitmachen, auch Entwicklungsländer und die aufstrebenden Schwellenländer. Ich denke, dass die meisten Länder einem solch breit angelegten Ansatz folgen könnten. Ziel sollte sein, dass mit der Road Map 80 bis 85 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen abgedeckt sind. Das Problem ist ja, dass bislang etwa zwei Drittel der anthropogenen CO2-Emissionen nicht Teil des Kyoto-Protokolls sind.
SPIEGEL ONLINE: Es ist doch mehr als unwahrscheinlich, dass die USA einer Road Map mit bindenden Verpflichtungen zustimmen würden.
Hedegaard: Die USA signalisieren, sie würden mitmachen, sofern China dabei ist. Bislang gibt es in dieser Sache aber tatsächlich wenig Zeichen des Fortschritts aus den USA.
SPIEGEL ONLINE: Den Durchbruch erwarten Sie also nun 2015, auf der 21. Uno-Klimakonferenz?
Hedegaard: 2015 sollten alle Diskussionen erledigt, Details der Abkommen geregelt und ein Welt-Klimavertrag unterzeichnet sein. Es wird dann aber ja auch noch Jahre dauern, bis die Vereinbarungen zur CO2-Verringerung umgesetzt werden.
SPIEGEL ONLINE: Mit welchem Gefühlt reisen Sie zu den Verhandlungen nach Durban?
Hedegaard: Ich bin besorgt, dass wir die Umwelt ruinieren.
Das Interview führte Axel Bojanowski