
Rauchende Riesen: Aschewolken und Vulkanmonster
Expertenwarnung für Island Riesenbeule kündigt weiteren Vulkanausbruch an
Auf Island rumoren viele Vulkane, immer wieder kommt es zu Eruptionen. Doch diesmal sind selbst Experten beeindruckt. Der Ausbruch des Grímsvötn sei der kraftvollste der vergangenen 50 Jahre in Island, staunt der Vulkanologe John Stevenson von der University Edinburgh. 17 Kilometer hoch stieg die Asche, sie zog inzwischen über Nordeuropa, wo die groben Partikel Flugzeugtriebwerke gefährden. Die Flughäfen in Hamburg und Bremen wurden geschlossen; Berlin verhängt ab 11 Uhr Flugverbot.
Die Vorhersage des britischen Wetterdienstes gibt jedoch Entwarnung: Die Asche verzieht sich über Norddeutschland voraussichtlich schon im Laufe des Mittwochs. Noch beruhen die Prognosen allerdings nur auf Wetterdaten, Messungsergebnisse über die Aschepartikel liegen dem Deutschen Wetterdienst noch nicht vor.
Eigentlich hatten Experten erwartet, dass die Asche Europa nur in geringer Menge erreichen werde. Die Asche des Grímsvötn schien weniger bedrohlich als die des Eyjafjallajökull, der vor einem Jahr den Luftverkehr über Europa lahmlegte - sie sei gröber und würde deshalb schneller abregnen. Das Magma des Grímsvötn ist weniger zäh als das des Eyjafjallajökull: Es speichert daher weniger Gase und ist somit weniger explosiv - bei der Eruption zerplatzt es deshalb in weniger Teile. Gröbere Partikel entstehen, die schneller zum Boden sinken sollten.
Tatsächlich haben erste Analysen an der Universität Island in Reykjavik ergeben, dass die Asche gröber ist als jene vom Eyjafjallajökull vor einem Jahr. Sie ist damit auch gefährlicher für Flugzeugtriebwerke.
Dass so viel Asche nach Europa ziehen konnte, lag daran, dass der Grímsvötn unerwartet kraftvoll ausgebrochen ist; mehr Asche als erwartet gelangte in die Luft. Er schleudere hundert- bis tausendmal mehr Asche pro Sekunde in die Luft als der Eyjafjallajökull vor einem Jahr, berichtet Stevenson. Erdbeben hatten in den vergangenen Monaten bereits gezeigt, dass der Berg unter beträchtlichem Druck stand.
Der Nachschub versiegt
Eismassen auf dem Vulkan haben den Ausbruch verstärkt. Eine 200 Meter dicke Eiskappe bedeckt den Grímsvötn. Sein sechs mal acht Kilometer breiter Krater lugt nur im Süden unter dem Gletscher hervor. Beim Kontakt von Magma und Eis verdampft schlagartig Wasser, das Aschepartikel mit hochreißt.
Die Aktivität des Vulkans habe sich stark abgeschwächt, sagt der Geoforscher Vodart Svensson vom Meteorologischen Institut in Reykjavik. Die Aschesäule steigt derzeit nur noch etwa fünf Kilometer hoch.
Der Nachschub für die Aschewolke sei wohl bereits versiegt, vermutet Stevenson: Die Eruptionsmenge sei mittlerweile zu gering, um die Aschekonzentration dauerhaft hoch genug für ein Flugverbot zu halten: Wenn die dichten Wolken der ersten Eruptionstage über Europa hinweggezogen seien, werde das Flugverbot wohl aufgehoben werden, sagt der Experte - es sei denn, der Vulkan lade noch mal nach und verstärke seine Aktivität. Auch Erdbeben im Vulkan haben sich abgeschwächt - ein Zeichen dafür, dass weniger Magma aufsteigt.
Ungewisses Wochenende
Die Aktivität des Grímsvötn lässt sich nur grob abschätzen: Die letzte Eruption des Vulkans 2004 dauerte vier Tage. Bei gleicher Dauer würde der Ausbruch also am Mittwoch aufhören. Bei ungünstiger Witterung könne noch am Wochenende eine Aschewolke über Deutschland den Flugverkehr beeinträchtigen, sagt Ulrich Schumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
In der Vergangenheit zeigte der Grímsvötn aber oftmals auch stärkere Ausbrüche, weshalb keine Entwarnung gegeben werden kann. Forscher um Bergrún Arna Óladóttir von der University of Iceland haben die Ablagerungen vergangener Eruptionen untersucht und zudem festgestellt, dass der Grímsvötn häufiger ausgebrochen war als angenommen: Mit sieben Eruptionen pro Jahrhundert gehöre er zu den aktivsten Vulkanen Islands, berichten die Vulkanologen im Fachblatt "Bulletin of Volcanology" .
Schon warnen Forscher vor einer weiteren Eruption in Island. Auf dem Vulkan Hekla haben sie eine 20 Kilometer breite Beule entdeckt. Magma sei unterirdisch aufgestiegen und drücke den Boden nach oben, berichtet eine Gruppe um Benedikt Ofeigsson von der Universität Island in Reykjavik im Fachmagazin "Journal of Geophysical Research" . Ein baldiger Ausbruch sei "sehr wahrscheinlich", bestätigt der Vulkanologe Birger-Gottfried Lühr vom Geoforschungszentrum Potsdam. "Ich besuchte den Hekla vor drei Jahren, und bereits damals traute sich niemand mehr auf den Gipfel", erzählt er.
Unter extremem Druck
Die Aufblähung des Hekla führen Ofeigsson und seine Kollegen darauf zurück, dass Magma eingeströmt sei: Die Magmakammer in 14 bis 20 Kilometern Tiefe habe sich gefüllt. Seit dem letzten Ausbruch vor elf Jahren habe sich der Hekla um fünf Millimeter pro Jahr gehoben, berichten die Forscher, die Satellitenmessungen ausgewertet haben. Neigungsmesser auf dem Berg zeigten zudem, dass sich der Hekla mittlerweile stärker aufgebläht hat als vor seinen letzten Eruptionen im Jahr 2000 und 1991. Von den vorhergehenden Ausbrüchen 1980 und 1970 gibt es keine vergleichbaren Daten.
Der Hekla steht demnach unter extremem Druck. Auch die Eruption des Grímsvötn hatte sich mit einer Beule angekündigt: Seit Januar 2006 hatte sich der Berg örtlich um drei Meter gehoben. Seit Beginn des Ausbruchs ist der Boden dort nun um fast einen halben Meter eingesunken.
Als nächstes also der Hekla? Folgt der Berg dem Rhythmus der letzten Jahrzehnte, wäre es nun wieder so weit: "Etwa alle zehn Jahre müsse mit einer Explosion des Hekla gerechnet werden", sagt Lühr. Ob der Hekla in wenigen Tagen, Wochen oder erst in einigen Monaten ausbricht, wissen Vulkanologen aber nicht.
Die letzten Ausbrüche verliefen moderat, die Aschewolken blieben begrenzt, es gab keine Probleme in Europa. Doch der Vulkan speist sich aus zwei verschiedenen Magmaquellen, weshalb seine Explosivität kaum vorherzusagen ist.