Feinstaub Holzheizungen sorgen für dicke Luft in Kurorten

Holzheizungen sind billig, klimafreundlich, verkaufen sich rasant - und mutieren zunehmend zur Gesundheitsgefahr. Inzwischen stoßen sie mehr Feinstaub aus als der gesamte deutsche Autoverkehr. Jetzt könnten Kurorte ihren lukrativen Status verlieren, weil die Luft zu dick wird.
Von Volker Mrasek

Das Ganze klang anfangs nach reiner Formsache. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) schlug dem Deutschen Heilbäderverband (DHV) eine Ausweitung der Routinemessungen in Luftkurorten vor. Das Land diskutierte gerade erregt über krebserzeugenden Dieselruß und Partikelfilter-Pflicht für Pkw. Da schien es DWD wie DHV an der Zeit, in Kurgemeinden und Seeheilbädern die Belastung mit gesundheitsschädlichem Feinstaub zu ermitteln - winzig kleinen Schwebteilchen, zu denen auch der Ruß gehört.

"Die Kurorte in Deutschland müssen nicht mit belastenden Werten rechnen", beruhigte DWD-Präsident Wolfgang Kusch noch bei der offiziellen Vorstellung des Projektes namens Inmeko (Integrierende Messungen in Kurorten). Inzwischen liegen die Dinge anders. Die Analysen sind abgeschlossen, die Daten ausgewertet - und Feinstaub hat sich sehr wohl als Gefahr für das wertvolle Heilklima erwiesen.

"Was uns Probleme macht, und das können wir in den Messungen ganz deutlich sehen, sind Holzheizungen", sagt Uwe Kaminski, Chef des Lufthygiene-Referats beim DWD in der Außenstelle Freiburg. "Das ist nicht nur der gemütliche Kamin, sondern das sind in zunehmendem Maße auch Holzpellet-Heizungen", erläutert der Meteorologe, der auch das Inmeko-Projekt leitet. "Wir sehen ganz deutlich, dass die Emissionen dieser Kleinfeuerungsanlagen im Winter zunehmen."

Kamine und Kessel, die mit Holzscheiten oder Sägemehl-Presslingen (Pellets) gefüttert werden, gelten eigentlich als umweltfreundlich, insbesondere als klimaschonend. Der Grund: Ihr Brennstoff ist CO2-neutral. Das Kohlendioxid, das bei der Verfeuerung des Holzes frei wird, führt letztlich nicht zu einer höheren Konzentration des Treibhausgases in der Außenluft. Denn die Bäume, die das Holz liefern, hatten das CO2 während ihres Wachstums der Atmosphäre entzogen. Ihre Verfeuerung ist also ein Nullsummen-Spiel.

Subventionen befeuern den Holzheizungs-Boom

Pellet-Heizungen werden deshalb finanziell gefördert, zum Beispiel im Rahmen des Marktanreizprogramms zur Einführung erneuerbarer Energien. Gerade erst hat die Bundesregierung den Investitionszuschuss beim Kauf solcher Anlagen von 1000 auf mindestens 1500 Euro erhöht. Der Deutsche Energie-Pellet-Verband rechnet daher mit einem weiteren Nachfrageschub.

Doch was dem globalen Klima nützt, kann dem lokalen Heilklima schaden. Für Kurorte und Seebäder ist Luft ein "ortsgebundenes Heilmittel" und muss entsprechend sauber sein. Es gibt maximale Jahresmittel- und Kurzzeitwerte, die nicht oder nur selten überschritten werden dürfen. Kritisch wird es dabei bei den episodischen Spitzenbelastungen. Der vorgesehene Schwellenwert beträgt hier 30 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft. Wer mehr als drei Wochen pro Jahr darüber liegt, riskiert, sein Heilklima-Prädikat zu verlieren.

"Hier würden zwei, drei Kurorte im Augenblick Probleme bekommen", resümiert Kaminski. Um welche Gemeinden es sich konkret handelt, will der DWD-Experte nicht verraten, merkt aber an, dass sich "die augenblickliche Rückkehr zu den Holzheizungen kontraproduktiv auswirkt". Und diese boomten "besonders in den Kurorten im Süden Deutschlands".

Feinstaub-Ausstoß binnen acht Jahren verdoppelt

Man muss also davon ausgehen, dass es noch weitaus mehr Kommunen gibt, denen der Feinstaub - wenn man ihn denn erfasste - die Anerkennung als Heilklimastätte vermasseln könnte. Nach Daten des Dessauer Umweltbundesamtes (UBA) hat sich der Feinstaub-Ausstoß von kleinen Holzfeuerungsanlagen und -kesseln in Deutschland zwischen 1995 und 2003 glatt verdoppelt, von rund 12.000 auf 24.000 Tonnen pro Jahr. Seit 2005 geht man in Dessau davon aus, dass Holzfeuerungen in Haushalten und im Kleingewerbe mehr Feinstaub in die Luft blasen als der gesamte Autoverkehr auf deutschen Straßen. Tendenz: weiter steigend.

Kamine und Kachelöfen kommen laut UBA auf Emissionen bis zu knapp 160 Kilogramm Feinstaub pro Terajoule (TJ) eingesetzter Energiemenge, was etwa 280 Megawattstunden entspricht. Eine gängige Holzpellet-Heizung produziert dagegen nur um die 20 Kilo pro Terajoule. Es gibt sogar Anlagen mit dem Umweltzeichen "Blauer Engel". Ein solcher "guter Pelletofen weist im Durchschnitt einen Feinstaub-Emissionsfaktor von etwa 10 kg/TJ auf", so UBA-Fachreferentin Anja Nowack.

Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, "dass auch diese Anlagen deutlich höhere Feinstaub-Emissionen haben als moderne Gas- und Ölheizungen vergleichbarer Größe", wie man bei der Fachbehörde des Bundesumweltministeriums anmerkt. Ölkessel blasen demnach nicht einmal zwei Kilo Feinstaub pro Terajoule in die Luft. Gasheizungen, so das UBA, haben fast gar keine Staubemissionen.

Schadstoff-Grenzwerte geplant

Das Inmeko-Messteam legt seinen Abschlußbericht zwar erst Ende des Jahres vor. Durchblicken lässt Projektleiter Kaminski aber schon jetzt, dass darin "zum Beispiel Empfehlungen gegeben werden, von Öl- auf Gasheizungen umzustellen" - und eben nicht auf Holzkessel, wie heute oft üblich. Allerdings ist die Frage, wie Kurorte eine solche Entwicklung steuern sollen. Eine Bäder-Vertreterin beklagt die Preispolitik der Baumärkte, "die heute Holzöfen für 99 Euro anbieten". Das animiere Verbraucher dazu, sich Geräte mit vergleichsweise hohen Staubemissionen anzuschaffen.

Setzt sich der Holz-Heiz-Boom in Deutschland unverändert fort, würden Kachelöfen und Kessel im Jahr 2025 nach Hochrechnungen des UBA rund 30.000 Tonnen Feinstaub abgeben - noch einmal ein Viertel mehr als heute. Unter dem Eindruck solcher Szenarien wird die Bundesemmissionsschutz-Verordnung jetzt novelliert. Nach dem vorliegenden Entwurf sollen auch Holz-Kleinfeuerungsanlagen bald bestimmte Schadstoff-Limits einhalten.

Für Kamine und Kachelöfen, die neu auf den Mark kommen, würde eine Typenprüfung obligatorisch; neue Heizkessel sollen in ihrem Schadstoffausstoß dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Altanlagen müssten im Zweifelsfall nachgerüstet werden, wobei generöse Übergangsfristen gelten, die 2014 beginnen und erst 2024 enden. Was auch damit zu tun hat, dass geeignete Staubabscheider für Holzöfen und -kessel noch im Entwicklungsstadium stecken.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Kachelöfen und Kessel würden im Jahr 2025 nach Hochrechnungen des UBA rund 30 Millionen Tonnen Feinstaub abgeben. Richtig sind jedoch 30.000 Tonnen. Die falsche Zahl stammte aus einem Text des Bundesumweltministeriums. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

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