Man sieht es der Berliner Luft nicht an, aber in ihr schwebt Ungesundes umher: Feinstaub, Stickoxide und Rußpartikel zum Beispiel. In diesem Hinterhof im Stadtteil Schöneberg testet ein Start-up ein Produkt, das das Problem lindern soll: den City Tree, ein biologischer Luftfilter auf der Basis von Moos.
Peter Sänger, Green City Solutions
»Hier siehst du die Moose im Einsatz. Wir können auch gern mal auftreten und du kannst mal fühlen. Diese feuchte Oberfläche, die sorgt natürlich dafür, dass diese Feinstaubpartikel richtig festgehalten werden und nicht mehr zurück in die Luft kommen.«
Der Moosfilter besitzt ein automatisiertes Belüftungs- und Bewässerungssystem und soll um sich herum eine Zone sauberer gekühlte Luft schaffen. Der Hersteller verspricht eine Kühlleistung von bis zu 5000 Watt. Das würde bei einer herkömmlichen Klimaanlage für eine kleine Wohnung reichen. Und das bei einem niedrigen Stromeinsatz. Zur Luftsäuberung nutzt der City Tree die besonderen biologischen Eigenschaften des Moses.
Peter Sänger, Green City Solutions
»Ich erinnere mich an meinen Großvater, der Bergmann war. Da hat mir mal erzählt, dass sie so Moos-Kügelchen im Stollen aufgehängt haben, um Feinstaub- und vor allen Dingen Schwermetallbelastungen zu messen. Heißt: Dieser Organismus muss irgendwie in der Lage gewesen sein, Partikel aufzunehmen. Wir verstehen uns als diejenigen, die diese Grundlagenthematik weitertragen in richtige Produkte.«
Die Grundlagen sind in der Biologie lange bekannt. Moose haben eine komplexe Oberflächenstruktur, vergleichbar mit der menschlichen Lunge. Aufgefaltet ergibt das im Vergleich zu anderen Pflanzen eine 20 Mal größere Fläche. Partikel aus der Luft können Moose an dieser elektrostatisch geladenen Oberfläche festhalten oder kleineren Feinstaub sogar in sich aufnehmen und dort binden.
In Bestensee bei Berlin wächst das Moos, das in den City Trees zum Einsatz kommt. In den Gewächshäusern von Green City Solutions geht es darum, die Pflanzen schnell heranzuzüchten und auf den Stress der Stadt vorzubereiten.
Peter Sänger, Green City Solutions
»Das erste ist natürlich, dass die hier vertikal wachsen. Das ist ja vielleicht schon mal untypisch, wenn man so andere Gärtnereien anschaut. Aber unsere Idee war, die Moose direkt an ihr späteres Einsatzgebiet zu gewöhnen. Und dann wissen sie schon alles klar, es geht wahrscheinlich so gravitationsmäßig von oben nach unten, weil sie dann im City Tree, im City Breeze, in allen Produkten so hängen. Aber das ist schon ein erster Stressfaktor, weil die Feuchtigkeit nicht mehr gleichmäßig verteilt ist. Ja, und so gewöhnen wir sie Stück für Stück an die Stressoren, der sie in der Stadt wahrscheinlich ausgesetzt sind.«
Das Unternehmen gibt es seit sieben Jahren, rund zwei Millionen Euro EU-Fördergelder sind in die Entwicklung der Moosfilter bislang geflossen. Peter Sänger und seine 35 Mitarbeiter glauben daran nach einigen Rückschlägen jetzt eine Technik marktreif zu haben, die den Durchbruch schaffen könnte.
Peter Sänger, Green City Solutions
»Es geht heiß her. Erstes Event wird das »Green Tech Festival« sein und wir haben es geschafft, einen Slot für den City Breeze zu kriegen. Wir werden dort diese Woche einen Messestand haben und dann werden wir ein Ergebnis zu Ende Juni sehen, was uns wahrscheinlich allen sehr gut gefallen wird.«
Doch wie gerechtfertigt ist dieser Optimismus und lässt sich die von der Firma versprochene Schadstoffreduktion wirklich erreichen?
In der Praxis konnten sich Moosfilter bislang nicht immer behaupten. Die Stadt Stuttgart probierte es 2017 mit einer 100 Meter langen Mooswand. Das ernüchternde Ergebnis: Ein schadstoffreduzierender Effekt des Moses war kaum messbar. Auch die City Trees, die laut Hersteller bislang an rund 60 Orten zum Einsatz kommen, fielen bei manchen Kommunen durch. In Ludwigsburg zum Beispiel konnte ebenfalls kein nennenswerter Effekt ermittelt werden.
Das Problem: Während Forscher die Filterfähigkeit der Moose unter kontrollierten Bedingungen wie zum Beispiel in einer Halle belegen konnten, ist der Nachweis im urbanen Umfeld ungleich schwerer. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle. Neben dem Standort vor allem Windrichtung und Windgeschwindigkeit.
Maik Merkel, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung
»Wenn die Windgeschwindigkeit höher ist, desto schneller werden natürlich Verunreinigungen und Emissionen verdünnt. Das ist der eine Punkt, der andere Punkt: Wenn dann die Geschwindigkeit im Moos natürlich zu hoch ist, wird das Luftpaket quasi durch die Moosmatte hindurch transportiert. Da können gar keine Abescheidemechanismen stattfinden, weil das benötigt ja alles auch ein bisschen Zeit.«
Trotz aller Mess-Probleme glaubt der gelernte Gartenbauer Peter Sänger weiter an sein Moos. Noch mehr Sensoren, die unter anderem für eine intelligente Bewässerung sorgen und eine Cloud-Anbindung zur Datenauswertung sollen die neuen Moosfilter verbessern. Kommunen können die City Trees mieten für rund 1000 Euro pro Monat und Baum.
Leonie Voss, DER SPIEGEL
»Im Prinzip ist das jetzt so eine Art Pflaster für die Klimakrise oder ein kleines Pflaster. Ihr bekämpft ja nicht direkt die Ursachen. Das wäre vielleicht Autos aus den Städten verbannen oder weniger Beton verbauen.«
Peter Sänger, Green City Solutions
»Ja richtig. Es gibt Probleme, die müsste man viel, viel größer angehen. Aber was zeigt uns die Vergangenheit? Das lässt sich nicht so einfach machen. Und dann braucht es eben auch Lösungen wie unsere, die kurzzeitig helfen, bis wir auch großteilig mithelfen können. Also wenn unsere Moose z.B. skaliert oder an Fassaden angebracht werden, was zum Ende des Jahres, also nächstes Jahr dann passieren soll, dann haben wir auch einen richtig großen Effekt.«
Mit den derzeit aus Bestensee gelieferten City Trees will das Start-up die Kraft des Mooses weiter bekannt machen. Ein neuer Abnehmer ist bereits gefunden. Im Berliner Stadtteil Friedrichshain sollen ab Juli zwei Filteranlagen zum Einsatz kommen.