In weniger als einer Hundertstelsekunde weichen Fruchtfliegen einem Angreifer aus. Dabei begeben sie sich in eine Schräglage, die so ausgeprägt sein kann, dass sie kurzzeitig fast auf dem Rücken fliegen. Zugleich beschleunigen sie durch schnelleres Flügelschlagen, berichten Forscher im Fachmagazin "Science". Sie hatten die Flugmanöver mit Hochgeschwindigkeitskameras aufgenommen.
"Die Ausweichmanöver von Fliegen sind erheblich schneller als bislang gemessene Steuerungsmanöver", schreiben die Wissenschaftler um Michael Dickinson von der University of Washington in Seattle. Sie fanden zudem heraus, dass die Fruchtfliegen der Art Drosophila hydei die Fluchtmanöver anders ausführen als zuvor angenommen.
Die Hochgeschwindigkeitskameras der Forscher nahmen 7500 Bilder pro Sekunde auf. Die Fliegen schlagen im normalen Flug etwas weniger als 200-mal pro Sekunde mit den Flügeln. Deshalb konnte jeder Flügelschlag mit rund 40 Bildern aufgenommen werden. Die Wissenschaftler filmten mit Infrarotlicht, weil das für die Kameras benötigte Licht die Fliegen sonst geblendet hätte.
In einer zylinderförmigen Arena flogen bis zu 50 Fruchtfliegen. Wenn eine von ihnen in der Mitte von zwei Laserstrahlen erfasst wurde, löste das einen kurzen Film auf den Wänden des Zylinders aus: Ein größer werdender Schatten wirkte auf die Fliegen als nahende Bedrohung. Drei Kameras erfassten aus verschiedenen Blickwinkeln die nun folgenden Flugmanöver.
Gehirn von der Größe eines Salzkorns
Bisher gingen Forscher davon aus, dass sich Fruchtfliegen beim Herumschwenken um eine senkrechte Achse drehen - wie ein Flugzeug, das bei konstantem Flug mit dem Heckruder leicht den Kurs korrigiert. Dickinson und Kollegen stellten jedoch fest, dass sich die Fliegen auf die Seite legen, ähnlich wie ein kleines Flugzeug - etwa ein Kampfjet - beim Wendemanöver.
Wenn der "Feind" nahte, bogen 80 Prozent der Fliegen in einem Winkel von etwa 90 Grad seitwärts ab. Dabei hielten sie diesen Winkel genauer ein, wenn der Schatten von der Seite kam, als wenn er von vorn oder hinten kam. Anhand von aerodynamischen Messungen an flatternden Robotern konnte das Team seine Beobachtungen zu Körper- und Flügelbewegungen beim Ausweichen bestätigen.
Forscher Dickinson ist von den Fähigkeiten der Fruchtfliegen fasziniert: "Eine Fliege mit einem Gehirn von der Größe eines Salzkorns hat ein Verhaltensrepertoire, das fast so komplex ist wie das eines viel größeren Tiers, etwa einer Maus", wird er in einer Mitteilung zur Studie zitiert. Wie Gehirn und Muskeln der Fliege die schnellen und genauen Ausweichmanöver zuwege bringen, wollen die Forscher nun untersuchen.
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Fruchtfliege (Drosophila hydei): Offenbar können die Tiere mehr, als ihnen viele zutrauen würden: "Eine Fliege mit einem Gehirn von der Größe eines Salzkorns hat ein Verhaltensrepertoire, das fast so komplex ist wie das eines viel größeren Tiers, etwa einer Maus", erklärt Michael Dickinson von der University of Washington.
Ausweichmanöver im Zeitraffer: Hochgeschwindigkeitskameras der Forscher nahmen den Fliegenflug mit 7500 Bildern pro Sekunde auf. Jeder Flügelschlag konnte mit rund 40 Bildern dokumentiert werden.
Fliegenflug: Die Aufnahmen zeigen: In weniger als einer Hundertstelsekunde weichen Fruchtfliegen einem Angreifer aus.
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