
Algenblüte in China: Wärme und ein Übermaß an Nährstoffen können Gewässer zu lebensfeindlichen Zonen machen
Foto: Jian Feng / dpaMindestens fünfmal bedrohten gigantische Wellen massenhaften Aussterbens das Leben auf der Erde. Die schlimmste aller Katastrophen erfolgte am Ende des Perm. Eine neue Studie glaubt, die Ursache dafür gefunden zu haben - und enthält eine Warnung vor heutigen Parallelen.
Die Geschichte des Lebens kann man als ein stetes Auf und Ab beschreiben. Zeiten mit zahlreichen Arten und solche, in denen sowohl die Zahl der Lebewesen als auch ihre Vielfalt kollabierte, wechselten sich ab.
Oft geschah das sehr plötzlich - und die größten dieser Ereignisse nennen wir Massensterben. Das bekannteste ist das der Dinosaurier am Ende der Kreidezeit. Was darauf folgte, ist ebenfalls typisch für die Massensterben der Vergangenheit: Eine Erholung der Umwelt über Millionen von Jahren und die Entwicklung zahlreicher neuer Spezies, die die veränderten, geleerten Biotope füllten.
Auch wir sind Nutznießer einer solchen Entwicklung. Wir wären wohl heute nicht hier, wäre den Dinosauriern vor 66 Millionen Jahren nicht ein Himmelskörper aufs Dach gefallen. Denn obwohl sich Säuger fast zeitgleich zu den Dinosauriern entwickelten, kamen erstere erst so richtig zum Zuge, als zweitere verschwunden waren.
Und das obwohl die Vorläufer der Säugetiere vor dem Siegeszug der Dinosaurier die dominante Tiergruppe waren: Was "uns" - respektive die Synapsiden, aus denen sich die Säugetiere entwickelten - bremste, war das Massensterben an der Grenze vom Perm zur Trias vor 252 Millionen Jahren. In diesem bisher größten bekannten Massensterben der Erdgeschichte starben Schätzungen zufolge über 80 Prozent des marinen Lebens, darunter über 95 Prozent aller wasserlebenden Wirbellosen und wohl über 75 Prozent aller landlebenden Arten vom größten Reptil bis zum kleinsten Insekt.
Beinahe endete unsere Geschichte, bevor sie begann
Damals entging auch die Entwicklungslinie der Säugetiere nur um Haaresbreite der völligen Auslöschung. Nicht nur darum sollte uns das Perm/Trias-Massensterben noch weit mehr interessieren als der mächtige Rums, der die Ära der Dinosaurier mit Ausnahme der Vögel beendete.
Denn die Perm/Trias-Katastrophe enthält auch eine Warnung für das Heute, glauben die Autoren einer aktuellen Studie rund um den Berliner Paläodiversitätsforscher Martin Schobben. Ihre im Fachblatt "PNAS" veröffentlichte Studie verknüpft verschiedene bekannte Erklärungsansätze für die Perm/Trias-Katastrophe zum Bild einer sich aufschaukelnden Reaktionskette, die das irdische Leben fast beendete. Die Erklärung dafür: Dem Leben ging schlicht die Luft aus, weil es zu warm wurde.
Schobben und seine Ko-Autoren analysierten die chemische Zusammensetzung von Kalksteinen an der Perm/Trias-Grenze. Sie fanden den chemischen Fingerabdruck einer massiven Veränderung des Eintrags verschiedener Gase ins Meerwasser. Offenbar fiel dort innerhalb relativ kurzer Zeit der Sauerstoffgehalt erheblich, während zugleich der Gehalt an Schwefelwasserstoff rapide stieg. Das Meer - zu dieser Zeit ein einziger, weltumspannender Ozean, nur die Tethys-See bildete eine badewannenwarme flache Bucht im Osten des Superkontinents - wurde zu einer weitgehend sauerstofflosen, lebensfeindlichen Umgebung.
Wie war es dazu gekommen?
Primär wohl durch einen merklichen Klimawandel, der durch das Zusammenfallen verschiedener Faktoren entstand. Die Kontinente waren zur Zeit des Perm im Superkontinent Pangäa verbunden. Das heißt aber nicht, dass ihn keine tektonischen Kräfte walkten: Vor allem im Gebiet des heutigen Sibirien entstand eine Region äußerst aktiver Vulkane. Über rund eine halbe Million Jahre türmten sie auf einer Fläche von bis zu sieben Millionen Quadratkilometer Lava bis zu einer Höhe von geschätzt 6500 Metern auf. Die Reste dieses "Sibirischen Trapp" erreichen noch heute bis zu 3000 Meter Dicke.
Damit kamen Billionen Tonnen CO2 und Chlorwasserstoff in die Atmosphäre, dazu Mineralien in den Aschen, die das Meer regelrecht düngten. So begann das große Sterben mit einer Klimaerwärmung um geschätzt fünf Grad und dem massiven Eintrag von Nährstoffen ins Meer. Das wurde noch verstärkt durch die Häufung extremer Wetterereignisse, die die Bodenerosion erhöhten und noch mehr Nahrung ins Meer schwemmten.
Kombiniert, glauben Schobben und seine Kollegen, führte das alles zu einer beispiellosen Algen- und Bakterienblüte und damit auch zu einer erhöhten Produktion von Schwefelwasserstoffen, Stoffwechselprodukten anaerober Bakterien. Das veränderte nicht nur die chemischen Gleichgewichte im Wasser auf tödliche Weise, sondern wirkte auch wieder auf das Klima zurück: Insgesamt seien die Temperaturen am Ende um bis zu acht Grad gestiegen.
Auf den so verursachten Vergiftungs- und Erstickungstod vieler mariner Arten folgte das Sterben an Land. Denn auch in der Atemluft stieg der CO2-Gehalt, während der Sauerstoffgehalt sank. Zugleich brachen im küstennahen Bereich, auf den sich bis dahin das Leben konzentrierte, die Nahrungsketten.
Interessant an diesem Modell ist, dass es mit dem sibirischen Vulkanismus zwar eine katastrophale Ursache benennt, das Massensterben aber eher als Störung im System erklärt - als eine klimatische Feedback-Schleife.
Damit wird die Ursache letztlich austauschbar. Was genau den Klimawandel, die erhöhte Erosion und den katastrophalen Mehreintrag von Nährstoffen ins Meer verursacht, ist im Grunde egal. Ab einem bestimmten Punkt, zeigen Schobben und seine Mit-Autoren, können Wirkungsketten einsetzen, die sich gegenseitig verstärken und zu lebensbedrohlichen Effekten aufschaukeln.