
Megafauna: Australiens ausgestorbene Giganten
Australiens Tierwelt ist auch heute noch sehr außergewöhnlich - aber nichts im Vergleich zu dem, was dort früher lebte. Wie überall auf der Welt verschwand die dortige Megafauna vor tausenden Jahren. Begann das alles mit einem Spiegelei?
Als die ersten Menschen ihren Fuß an Land setzten, begann auch der Niedergang der großen Laufvögel: Jahrmillionen hatten die bis zu 250 Kilogramm schweren Vögel kaum einen Feind fürchten müssen. Jetzt wurden sie innerhalb weniger Generationen komplett vernichtet.
Das oben geschilderte Szenario ist keine Theorie, sondern sogar nachweisbar: Tatort dieser Ausrottung war Neuseeland, Opfer waren neun Spezies von Moas, die Tatzeit war das 13. Jahrhundert und die Täter Polynesier. Es ist der bisher älteste dokumentierte Fall der Ausrottung ganzer Tierarten, bei dem die Täterschaft des Menschen nicht in Frage steht. Europäer schafften das bald darauf ähnlich souverän an anderen Orten.
Wie jetzt, mag sich da mancher fragen: Haben unsere Vorfahren nicht auch das Mammut vernichtet? Das Wollnashorn, den Säbelzahntiger, den Höhlenbär? Die Bilder speerschwingender Steinzeitmenschen, die der eiszeitlichen Megafauna jagend zu Leibe rückten, haben die meisten von uns seit Kindheitstagen im Kopf. Geht es jedoch nach wissenschaftlichen Kriterien, ist die Täterschaft des Menschen in vielen Fällen durchaus nicht bewiesen. Und die Frage nach den Ursachen des Aussterbens von Megafauna noch immer Stoff für Debatten.
Zwei Verdächtige
Was feststeht: In einem Zeitfenster, dessen Anfang je nach Weltgegend zwischen 150.000 und 12.000 Jahren liegt, begannen die größten Vertreter der jeweiligen Megafauna auszusterben. Vor allem in den höheren Breiten der nördlichen Halbkugel fiel das mit teils empfindlichen Klimaveränderungen zusammen - je nach Zeitpunkt Wechseln von Warm- zu Kaltzeiten oder umgekehrt. Auf der südlichen Halbkugel gingen diese Klimawechsel eher mit Veränderungen im Wasserhaushalt regionaler Klimata einher: Mancherorts wurde es sehr trocken, an anderen merklich feuchter.
Es sind solche klimatischen Veränderungen, die den Menschen nach Meinung vieler Wissenschaftler entlasten. Diese Veränderungen allein, glauben viele, würden als Erklärung für Aussterbewellen reichen.
Es gibt - für die meisten Weltgegenden - aber noch eine weitere Korrelation, die nicht von der Hand zu weisen ist: Mit Ausnahme Afrikas fällt das abrupte Artensterben mit der erstmaligen Einwanderung des modernen Menschen Homo sapiens zusammen.
Für die meisten Forscher ist darum der Mensch der wahrscheinlichste Täter im sogenannten Quartären Massensterben. Dass Menschen viele Spezies der Megafauna jagten und aßen, ihre Felle und Knochen nutzten, ist zumindest für die letzte Eiszeit für Eurasien und Nordamerika bestens belegt.
Das Ei des Untergangs
Ob der Mensch auch Australiens Megafauna den Garaus machte, gilt dagegen bisher als wahrscheinlich, aber umstritten. Klimatische und geologische Bedingungen in Australien führen dazu, dass es wenig Fossilien aus dieser Zeit gibt, die brauchbare Spuren aufweisen. Physische Beweise für den Einfluss des Menschen fehlen, wenn man von seinen eigenen Felszeichnungen absieht, auf denen die frühe Megafauna zum Teil als Jagdwild thematisiert ist.
Denn Aborigines, die vor 50 bis 60.000 Jahren nach Australien kamen, waren Jäger. Aber sie waren auch wenige und verbreiteten sich nur sehr langsam: Sollten es wirklich sie gewesen sein, die sich auf den Clinch mit dem vermutlich bis zu zwei Tonnen schweren Riesenwaran Megalania einließen - einen nicht nur tödlich flinken und kräftigen, sondern wahrscheinlich auch giftigen Killer?
Sicher ist, dass Megalania die Begegnung mit den ersten Aborigines nicht sehr lange überlebte. Und sicher ist nun auch, dass Aborigines zumindest unter Megalanias Beutetieren kräftig wilderten. Für rund 15.000 Jahre taten sie das in Maßen, vor 47.000 Jahren aber hatten sie den Kontinent bis in den letzten Winkel erobert. Innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit starben nun 85 Prozent aller australischen Tiere mit einem Körpergewicht über 50 Kilogramm aus.
Stichtag 47.000: Das System kippt
Forscher der University of Colorado fanden nun in Australien an mehr als 200 prähistorischen Aborigines-Lagerstätten erstmals physische Beweise dafür, wie das begonnen haben mag. Die Einwanderer hatten eine kulinarische Vorliebe, die unter anderem Megalanias Speisezettel deutlich gekürzt haben dürfte: Sie hauten sich Eier in die Pfanne.
Oder zumindest ins Feuer, und zudem durften sie gern etwas größer sein. Da boten sich die Eier von Genyornis geradezu an: Mit 1,6 Kilogramm pro Stück boten die Riesenvogeleier eine satte Proteindosis auch für ein gemütliches Essen mit Freunden. An allen Fundorten fanden die Forscher Eierschalen mit typischen Brandspuren. Auch Genyornis überlebte die Begegnung mit den Aborigines nicht, und für einige seiner Populationen ist ein geradezu abrupter Kollaps dokumentiert.
Vielleicht lief das überall so. Der Eingriff in die Fauna musste ja nicht allumfassend sein: Schon die Vernichtung einzelner Arten veränderte die Nahrungsketten. Das mag zudem - gerade wenn man an Megafauna denkt - Einfluss auf Pflanzenwuchs und Landschaftsbild gehabt haben und mittelbar sogar Rückwirkungen auf das regionale Klima. Der Rest wäre dann Domino - das Verschwinden der einen Art förderte den Rückgang der nächsten.
Bleibt die Frage, warum das in Afrika anders war. Tatsächlich erlebte auch Afrikas Megafauna einen Einbruch der Artenvielfalt und Populationen. Er fiel nur weniger stark aus und erfolgte viel früher, vor circa 150.000 Jahren. Es war die Zeit, in der sich der neuerdings mit zurechtgehauenen Steinen bewaffnete Mensch von Südostafrika kommend über den Kontinent verbreitete.
Doch mit Menschen und ihren Vorfahren hatten die Spezies dort seit Jahrmillionen gelebt. Ihre Position in der Nahrungskette veränderte sich mit der kulturell bedingten Aufrüstung, was für Bewegung sorgte. Für ein Massensterben wie in anderen Weltgegenden reichte das jedoch nicht.
Der Grund dafür dürfte banal sein: In Afrika waren wir Menschen keine invasive Art.