Forscher zu Gentechnik "Es gibt keine neuen Erkenntnisse, die ein Verbot rechtfertigen"

Verwüstete Felder, Anbauverbote: Grüne Gentechnik hat es schwer in Europa. Andreas Schier von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen spricht im Interview mit SPIEGEL ONLINE über die Vorteile von gentechnisch veränderten Pflanzen - und ihre Feinde.

SPIEGEL ONLINE: Herr Schier, sie haben mehrere Jahre lang gentechnisch veränderten Mais erforscht, nun tun sie es nicht mehr. Wieso nicht?

Schier: Unsere Flächen wurden im vergangenen Jahr vor der Aussaat von Gegnern der grünen Gentechnik besetzt und für weitere Versuche unbrauchbar gemacht. Man kündigte an, erst dann zu gehen, wenn die Versuche ein für allemal eingestellt würden.

SPIEGEL ONLINE: Die Feldbesetzer rechtfertigen ihre Aktionen oft als Notwehr. Sie und die Umwelt seien keine Täter, sondern in Wahrheit die Opfer. Von Firmen wie Monsanto und Wissenschaftlern wie Ihnen.

Schier: Hier wird Notwehr mit Willkür verwechselt. Und diese kann kein Mittel sein, sich über bestehende Gesetze hinwegzusetzen. Unsere Versuche wurden angekündigt, genehmigt und ordnungsgemäß durchgeführt. Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem es Regeln gibt, an die sich alle halten sollten. Auch die Gegner der grünen Gentechnik.

SPIEGEL ONLINE: Können Sie denn die Angst nachempfinden, die viele Menschen vor dieser Technik haben?

Schier: Die Angst vor dem Unbekannten ist ein bekanntes und auch nachvollziehbares Phänomen, vor allem, wenn diese Angst noch geschürt wird. Neutrale und sachliche Aufklärungsarbeit tut Not, das zeigt schon die Tatsache, dass immer noch fast 40 Prozent der Deutschen meinen, nur gentechnisch veränderte Tomaten hätten Gene.

SPIEGEL ONLINE: Ist die Angst vor dem Mais denn begründet?

Schier: Nein. Der Mais hat alle gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen durchlaufen und alle behördlichen Zulassungen erhalten. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft ist er ebenso sicher wie konventioneller Mais.

SPIEGEL ONLINE: Es wird viel über mögliche Gefahren geredet. Was ist der Nutzen von Saatgut wie MON 810?

Schier: Er reduziert zum Beispiel drastisch Gifte im Mais, die Mykotoxine. Sie werden durch Pilze gebildet, die an den Fraßstellen des Maiszünslers in die Pflanze eindringen.

SPIEGEL ONLINE: Das klingt nicht gerade weltbewegend ...

Schier: Bei entsprechend hoher Konzentration schädigen Mykotoxine die Gesundheit von Menschen und Tieren. Dort wo Mais ein Hauptnahrungsmittel darstellt, in Afrika oder den USA zum Beispiel, wurden Kinder mit offenem Rücken geboren, deren Missbildung auf den hohen Mykotoxingehalt im Mais zurückgeführt werden konnte.

SPIEGEL ONLINE: Die Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner will MON 810 noch vor der Aussaat verbieten lassen. Es wäre nicht das erste Mal, bereits 2007 verlor der Mais zwischenzeitlich seine Zulassung. Glauben sie eigentlich noch an eine Zukunft der grünen Gentechnik in Deutschland?

Schier: Es gab und gibt keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die ein solches Verbot rechtfertigen würden. Die weltweiten Anbauzahlen gentechnisch veränderter Pflanzen steigen beständig. Die Technik hat sich längst bewährt. Angesichts der großen Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenverknappung und Bevölkerungswachstum wird sie sich weiter durchsetzen.

Das Interview führte Uwe Buse
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