Fortpflanzung Rätsel um Vater von Echsen-Babys

Es war keine Jungfrauengeburt, so viel ist sicher. Doch wie die Drachendame Sungai zu ihren Jungen kam, ist Zoologen unklar. Während eines Liebestripps nach Großbritannien legte die französische Riesenechse Eier - noch bevor sie sich mit einem englischen Drachen paaren konnte.

Die Vaterschaft vier kleiner Echsen im London Zoo ist reichlich unklar: Ihre Mutter, ein ausgewachsener Komodowaran (Varanus komodoensis) aus dem französischen Wildpark Thoiry, war eigens ausersehen, an einem europäischen Brutprogramm teilzunehmen. Denn die größten auf Erden lebenden Echsen sind selten, ihre Nachzucht schwierig.

Schon lange lebte Sungai abstinent. Das letzte Mal Sex hatte sie, entsprechend den Aufzeichnungen ihrer französischen Betreuer, vor zwei Jahren. Das Männchen Kinaam, ebenfalls ein Bewohner des westlich von Paris gelegenen Wildparks, gilt als ihr letzter Liebhaber.

Da im London Zoo im Sommer 2004 ein neues Gehege für eine Gruppe Komodowarane eröffnet worden war, hofften Zoologen, hier würde Sungai einen neuen Partner finden und Nachkommen in die Welt setzen.

Doch das Gelege, aus dem Sungais vier kleine Echsen nun stammen, hatte die Drachendame im Sand des Warangeheges vergraben, ohne vorher intimen Kontakt zu einem ihrer englischen Artgenossen aufzunehmen. Geschlüpft waren die vier Tiere bereits Ende März, nun veröffentlichte der Zoo Fotos der Drachenbabys.

Die Geburt der Kleinen sei eine europäische Premiere, sagte der zuständige Kurator, der Londoner Zoo-Stiftung, Richard Gibson.

Normalerweise erfolgt die Eiablage bei Waranweibchen im September - zwischen ein und vier Monate nach der Paarung. Die vollzieht sich zwischen Mai und September.

"Wir glauben, dass sie schon in Frankreich befruchtet wurde und dann das Sperma oder die befruchteten Eier solange zurückgehalten hat, bis die Bedingungen zum Brüten gut waren", sagte Emma Kenly vom London Zoo zu SPIEGEL ONLINE. Das würde bedeuten, dass die Drachendame das Sperma über zwei Jahre lang in ihrem Fortpflanzungstrakt aufbewahrt hätte.

Paul de la Panouse vom Tierpark Thoiry weist auf eine zweite Möglichkeit hin: "Oder Komodowarane sind parthogenetisch, also fähig sich alleine fortzupflanzen indem sie Klone ihrerselbst produzieren." Tatsächlich ist diese Variante der Vermehrung ohne Partner von anderen Echsen bekannt, etwa von der Eidechse Lacerta unisexualis.

Bei Komodowaranen beobachteten Wissenschaftler bisher keine der beiden exotischen Fortpflanzungstaktiken. Dies kann auch daran liegen, dass die Population von Komodowaranen auf wenige indonesische Inseln beschränkt ist - Komodo, die den Tieren den Namen gab, Rinca, Gili Motang und Flores, bekannt durch den Fund von Knochen kleinwüchsiger Primaten im Jahr 2005. Zurzeit leben dort insgesamt nur noch rund 6000 der Tiere.

Der Komodowaran, im Volksmund auch als Drache bezeichnet, kann bis zu drei Meter lang werden. Die Fleischfresser vertilgen Säugetiere bis zur Größe von Ziegen. Auch Menschen können sie gefährlich werden: Spitze Zähne und hochinfektiöser Speichel führen zu schlimmen Wunden, die Menschen töten können.

Die Vaterschaft von Sungais Jungen soll nun durch einen Gentest geklärt werden: Tragen die Babydrachen nur Erbmaterial der Mutter in sich, oder finden sich hier die Spuren des - noch - anonynmen Erzeugers? "Noch sind sie aber für diese Untersuchung zu jung", sagte Emma Kenley, "es wird noch ein paar Monate dauern, bis wir Gewissheit haben."

stx/AFP

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