

Seit Jahren haben Experten gewarnt - nun ist der Ernstfall eingetreten: Erste Firmen in Deutschland bekommen keine Metalle für die Hochtechnologie mehr geliefert, die sogenannten Seltenen Erden sind ihnen ausgegangen. Das erfuhr SPIEGEL ONLINE aus Industriekreisen. Die Betriebe werden ihre Produktion vermutlich einschränken müssen. Der Grund für die Verknappung: China exportiert weniger Seltene Erden. Gleichzeitig hält das Land quasi das Monopol auf die Hochtechnologie-Metalle, produziert 97 Prozent der weltweiten Menge. "Wir stehen am Beginn einer Versorgungskrise", sagt der Geologe Harald Elsner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).
Vordergründig beruhigt die Volksrepublik die Industrieländer: "China wird weiterhin Seltene Erden an die Welt liefern", teilte das Handelsministerium in Peking mit. Allerdings werde China die Ausfuhr der Rohstoffe weiter einschränken, um seine Ressourcen zu schonen. Medienberichte, wonach die Ausfuhr von derzeit 30.000 Tonnen an Seltenen Erden 2011 um 30 Prozent gekappt werden soll, wies die chinesische Regierung zurück.
Doch Experten beruhigen diese Aussagen nicht: "Es drohen brisante Engpässe", sagt der Geologe Peter Buchholz von der BGR. Hauptleidtragende dürften die Branchen der Autozulieferer und der Offshore-Windkraftanlagen-Hersteller sein. Die Preise für Seltene Erden haben sich zwischen Januar und August teils dramatisch erhöht, für einzelne Elemente um das Siebenfache.
17 Metalle gehören zu den Seltenen Erden, darunter Lanthan, Europium und Neodym. Sie werden nur in kleinen Mengen verwendet, sind aber unverzichtbar unter anderem für die Herstellung zahlreicher Elektroprodukte, darunter
Wegen der zunehmenden Bedeutung der Umwelttechnologien rechnen Länder wie Japan, die USA, aber auch Deutschland mit einem steigenden Bedarf an Seltenen Erden.
Russland soll helfen
Die Bundesregierung hat nun reagiert. Das Kabinett billigte am Mittwoch die vom Wirtschaftsministerium vorgelegte Rohstoffstrategie. "Für die Zukunft des Hochtechnologiestandorts Deutschland ist die Versorgung mit bezahlbaren Industrierohstoffen von entscheidender Bedeutung", sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP).
Die Regierung will Unternehmen dabei unterstützen, die kostbaren Metalle aufzutreiben: Sie will beispielsweise Kontakte herstellen, politisch vermitteln und Investitionen mit staatlichen Kreditgarantien absichern. Außerdem sollen künftig Seltene Erden aus Recycling gewonnen werden. Die Hoffnung der Industrie liegt besonders auf den guten politischen Kontakten nach Russland, wo immerhin ein wenig Seltene Erden gefördert werden.
Doch diese Maßnahmen können bestenfalls kleine Engpässe überbrücken. Längst machen sich Geologen weltweit auf die Suche nach Metall-Lagerstätten, die das chinesische Monopol brechen sollen. Die neu gegründete Rohstoffagentur des Bundes an der BGR stellt folgende Lagerstätten für den Abbau Seltener Erden in Aussicht:
Ob all diese Lagerstätten den Engpass tatsächlich beheben können, bleibt jedoch zweifelhaft: "Sie werden vermutlich gerade mal ausreichen, um die stark zunehmende Nachfrage nach Seltenen Erden zu decken", sagt Elsner.
Geologen machen Hoffnung
Die Hoffnungen der Geologen liegen vor allem auf Grönland und Kanada: Dort könnten in uranhaltigem Gestein riesige Mengen an Seltenen Erden stecken. Ein Areal im grönländischen Kvanefjeld könne bis zu 100.000 Tonnen Seltene Erden pro Jahr abwerfen, berichtet Elsner. Die Menge kommt der derzeitigen Gesamtproduktion Chinas von 130.000 Tonnen pro Jahr erstaunlich nahe. Die Produktion in Grönland könne jedoch frühestens in fünf Jahren beginnen, sagt Elsner.
Geologisch bestehe kein Grund zur Sorge, betont Elsner: Die Seltenen Erden seien geologisch nicht selten. Allein mangelnde Produktion sorge für Knappheit. Auch in Russland, Kanada, Indien, Vietnam, im Süden Afrikas und in den USA lägen vermutlich noch größere Lagerstätten. Bis mindestens Ende 2011, sagt Buchholz, bleibe Deutschland bei den Seltenen Erden aber "zu fast 100 Prozent" auf China angewiesen. Noch ist nicht absehbar, wie heftig sich die Verknappung der Hightech-Metalle auswirken wird - aber die Preise von Elektroprodukten wie Handys oder Windkraftanlagen könnten spürbar steigen.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Ein Arbeiter einer Lanthan-Mine in der chinesischen Mongolei: China hat einen Wirtschaftsverband für Seltene Erden gegründet. Dieser soll unter anderem die Konsolidierung in der für Elektronik und Verteidigung wichtigen Branche vorantreiben.
Zukunftstechnologie: Seltene Erden finden immer mehr Verwendung. Unverzichtbar sind sie unter anderem für die Herstellung von Computern und Computer-Monitoren, DVD-Spielern, leistungsstarken Akkus, Hybrid-Autos, Halbleitern, Handys, Rüstungsgütern, Windturbinen und für Autozulieferer.
Bastnäsit: Minerale dieser Gruppe sind neben Monaziten die wichtigsten Erze zur Gewinnung der Seltenen Erden.
Arbeiter einer Mine für Seltene Erden in der chinesischen Provinz Jiangxi: China verfügt etwa über ein Drittel der weltweiten Vorkommen, kontrolliert derzeit aber rund 90 Prozent der Weltproduktion.
Lanthan-Verarbeitung in China: Die EU, die USA und Japan werfen der Regierung in Peking vor, illegal die Exporte niedrig zu halten, um der heimischen Industrie Vorteile zu verschaffen und ausländische Unternehmen ins Land zu locken.
Katalysatorherstellung bei der Firma Argillon in Redwitz (Landkreis Lichtenfels): Hoher Bedarf an Seltenen Erden
Elektroschrott: Noch werden in Deutschland Seltene Erden nicht recycelt. Das soll sich nach dem neuen Rohstoffplan der Bundesregierung nun ändern.
Autoindustrie: Für die Entwicklung von Elektromotoren und Hybridautos brauchen die Hersteller große Mengen an Kupfer und die Seltene Erde Neodym. Für Brennstoffzellen wächst der Bedarf an Platin und Scandium. Bei der Produktion von Batterien für Elektroautos sind große Mengen Kobalt nötig. (Quelle: Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung 2009)
Computerbranche: Ein Engpass bei Kobalt würde auch die Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus für Notebooks erschweren.
Telekommunikationsbranche: Die Effizienz von Glasfaserkabeln der neuesten Generation wird durch den Einsatz von Germanium verbessert. Der Bedarf wird deutlich steigen - jährlich wächst der Markt um neun Prozent.
Solarindustrie: Vor allem die wachsende Dünnschichttechnologie braucht eine Reihe seltener Rohstoffe. Zu ihnen zählen Selen, Gallium, Indium, Arsen, Germanium, Tellur und Cadmium. Wenn Öl, Gas und Kohle teurer werden, erwarten Experten einen zusätzlichen Solar-Boom - und einen Run auf die dafür nötigen Rohstoffe. Engpässe sind bei Solarsilizium zu erwarten.
Logistikbranche: Die Betreiber von Mautsystemen, Geschwindigkeitsmessanlagen und Warenerfassungssystemen nutzen die Technologie RFID (Radio Frequency Identification), die der Identifizierung von Objekten, Personen und Tieren über Funk dient. Die erwartete Verteuerung von Silber und Kupfer könnte den Vormarsch der Technik allerdings bremsen.
Medizintechnik: Moderne Implantate (im Bild eine künstliche Bandscheibe) enthalten oft wertvolle Rohstoffe wie Titan, Chrom und Kobalt. Die steigende Nachfrage nach den Hilfsmitteln könnte die Branche vor Probleme stellen.
Stahlindustrie: Minenfirmen verlangen immer höhere Preise für Eisenerz - das verteuert die Stahlproduktion. Für Autos, Pipelines und Eisenbahnschienen brauchen die Produzenten außerdem große Mengen Niob. Der Bedarf dürfte sich bis 2030 verdreifachen.
Optische Industrie: Lasergeräte sind auf Germanium, Yttrium und Neodym angewiesen. Der Bedarf wird deutlich wachsen, dürfte allerdings zu decken sein.
Flugzeugbau: Die Branche braucht dringend leichtere Flugzeuge und setzt dabei auf Aluminium. Die Seltene Erde Scandium erhöht dessen Festigkeit. Doch dieser Stoff ist kaum verfügbar, deshalb wird die Technologie bisher nur im Militärbereich angewendet. Eine weitere Verbreitung könnte am hohen Preis scheitern.
Elektroindustrie: Neue Lötmaterialien müssen ohne das gesundheitsschädliche Blei auskommen. Firmen, in denen elektrische Schaltungen gelötet werden, sind stattdessen auf Zinn und Silber angewiesen. Allein der Silberbedarf für Weichlote würde bei moderatem Wachstum der Branche rasch die Weltproduktion von 2006 übersteigen.
Anlagenbau: Bei den vor allem im arabischen Raum gefragten Meerwasserentsalzungsanlagen kommen zahlreiche Rohstoffe wie Eisen, Aluminium und Zink zum Einsatz. Die zunehmende Verbreitung der Anlagen wird aber vor allem bei Palladium und Titan zu Nachfrageschüben führen, weshalb die Preise steigen dürften.
Autoindustrie: Für die Entwicklung von Elektromotoren und Hybridautos brauchen die Hersteller große Mengen an Kupfer und die Seltene Erde Neodym. Für Brennstoffzellen wächst der Bedarf an Platin und Scandium. Bei der Produktion von Batterien für Elektroautos sind große Mengen Kobalt nötig. (Quelle: Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung 2009)
Foto: Wolfgang Kumm/ picture alliance / dpaLogistikbranche: Die Betreiber von Mautsystemen, Geschwindigkeitsmessanlagen und Warenerfassungssystemen nutzen die Technologie RFID (Radio Frequency Identification), die der Identifizierung von Objekten, Personen und Tieren über Funk dient. Die erwartete Verteuerung von Silber und Kupfer könnte den Vormarsch der Technik allerdings bremsen.
Foto: Z1031 Jan Woitas/ dpaMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden