Lebensmittel Wirbel um tote Ratten im Gen-Mais-Versuch

Maisfeld: Konventionell oder gentechnisch verändert?
Foto: dapdHamburg - Was ein Team von französischen Forschern berichtet, klingt erschütternd: Fressen Ratten ihr Leben lang gentechnisch veränderten Mais (NK603) anstatt einer herkömmlichen Maissorte, ist ihr Krebsrisiko deutlich erhöht und die Tiere sterben früher. Doch wie viel an diesem Horrorszenario dran ist, ist schwer zu beurteilen. Nicht an dieser Untersuchung beteiligte Experten kritisieren die Methoden der Studie - und zwar so sehr, dass das Ergebnis möglicherweise hinfällig ist.
Gilles-Eric Seralini von der Universität in Caen und seine Kollegen berichten im Fachmagazin "Food and Chemical Toxicology " von dem unheilvollen Zusammenhang. Sie hatten die Tiere in insgesamt zehn Gruppen eingeteilt.
- Drei Gruppen setzten sie gentechnisch veränderten NK603-Mais vor, der vom Biotech-Konzern Monsanto vertrieben wird. Je nach Gruppe machte der Mais 11, 22 oder 33 Prozent des Futters aus. NK603 ist gegen ein als Roundup bekanntes Herbizid unempfindlich. Dieser Mais in der EU nicht zum Anbau, jedoch zur Verwendung in Tierfutter und Lebensmitteln zugelassen.
- Drei weitere Gruppen bekamen Wasser vorgesetzt, in dem Roundup enthalten war - in unterschiedlich hohen Dosen. Die höchste Dosis sei so hoch gewesen wie der in den USA erlaubte Grenzwert für einige gentechnisch veränderte Lebensmittel, der niedrigste entsprach der Verunreinigung, wie sie zum Teil in Leitungswasser nachgewiesen wurde.
- Drei Gruppen bekamen NK603-Mais (der 11, 22 oder 33 Prozent des Futters ausmachte), der mit Roundup behandelt worden war.
- Die zehnte Gruppe war die Kontrollgruppe. Sie erhielt konventionellen Mais (33 Prozent des Futters) und unbelastetes Wasser.
Die Forscher führten den Versuch nicht nur 90 Tage lang durch, wie es oft üblich ist, sondern über die gesamte Lebensspanne der Ratten - also rund zwei Jahre. Jede Gruppe bestand aus 20 Ratten - zehn Weibchen und zehn Männchen.
"Warum sterben die Nordamerikaner nicht wie die Fliegen?"
Der gentechnisch veränderte Mais und das Herbizid hätten ähnliche Schäden verursacht, heißt es in einer Pressemitteilung zur Studie. Bis zu 50 Prozent der Rattenmännchen sowie 70 Prozent der Rattenweibchen, die gentechnisch veränderten Mais fraßen oder Herbizid-haltiges Wasser tranken, starben frühzeitig, berichtet das Team. In der Kontrollgruppe seien es 30 beziehungsweise 20 Prozent gewesen. Die weiblichen Tiere hätten häufig Brustkrebs, die männlichen Leber- oder Nierenschäden sowie Hautkrebs entwickelt, heißt es.
Seralini hat schon früher Studien veröffentlicht, die nahelegen, dass gentechnisch veränderte Futtermittel schädlich sind. Monsanto hat sich bisher nicht zum Studienergebnis geäußert.
Einige Experten äußerten sich skeptisch. "Diese Ratten sind sehr anfällig für Brustkrebs, insbesondere wenn ihre Futtermenge nicht begrenzt wird", sagte Ernährungsforscher Tom Sanders vom King's College London. Seralini und seine Kollegen hätten nicht angegeben, wie viel die Tiere fressen konnten.
Mark Tester vom Australian Centre for Plant Functional Genomics an der University of Adelaide bezeichnet die statistischen Methoden der Studie als "unkonventionell". Es gebe keinen definierten Plan für die Datenanalyse. Das bedeutet, dass die Wissenschaftler nach Abschluss ihrer Studie eventuell so lange herumrechnen konnten, bis etwas statistisch auffällig war.
Reaktion auf EU-Ebene
Tester wirft auch die Frage auf, warum sich dieses Ergebnis in keiner der vorigen Studien angedeutet hat. "Wenn die Effekte so groß sind, wie behauptet wird und wenn diese Studie tatsächlich auf den Menschen übertragbar ist - warum sterben die Nordamerikaner nicht wie die Fliegen", sagte er. Gentechnisch veränderte Lebensmittel seien dort seit mehr als einem Jahrzehnt auf dem Markt und trotzdem steige die Lebenserwartung unaufhaltsam", so Tester.
Die EU-Kommission hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit beauftragt, die Ergebnisse der Studie zu prüfen. Wenn die Studie neue wissenschaftliche Erkenntnisse erbringe, werde die EU-Kommission Konsequenzen ziehen, sagte der Sprecher.
Die liberale französische Europaabgeordnete Corine Lepage forderte die Kommission auf, in einem ersten Schritt die Zulassung der in der Untersuchung eingesetzten Maissorte NK603 auszusetzen. Zudem müssten die Auswirkungen anderer erlaubter gentechnisch veränderter Pflanzen ebenfalls in Untersuchungen über einen Zeitraum von zwei Jahren geprüft werden.
Der französische Grünen-EU-Abgeordnete José Bové rief die EU-Kommission auf, die Zulassungen von MON810 und Amflora aufzuheben und den Import von gentechnisch verändertem Mais und Soja zu stoppen. "Diese Studie zeigt endlich, dass der ganze Prozess für die Bewertung von GVO dringend überprüft werden muss", erklärte Bové.