Gentechnik Hungertrick soll Umwelt vor manipulierten Bakterien schützen

Genetisch veränderte Bakterien versprechen große Chancen, könnten aber auch die Umwelt gefährden. Jetzt präsentieren Forscher einen Weg, die Mikroben zu kontrollieren: Sie machen sie von Nahrung abhängig, die in der Natur nicht vorkommt.
Potenziell gefährliche Bakterien im Labor: Wie lässt sich verhindern, dass sie sich unkontrolliert in der Natur ausbreiten?

Potenziell gefährliche Bakterien im Labor: Wie lässt sich verhindern, dass sie sich unkontrolliert in der Natur ausbreiten?

Foto: Corbis

Mit ein paar gezielten Eingriffen werden Bakterien zu Insulin- oder Benzinproduzenten. Seit Jahrzehnten nutzen Biotechnologen die Möglichkeit, Organismen gentechnisch zu verändern, um ihnen neue Fähigkeiten zu verleihen. Das stößt auch auf Kritik. Die Befürchtung: Gentechnisch modifizierte Organismen (GMOs) könnten aus Laboren gelangen und ihr verändertes Erbgut auf andere Organismen übertragen.

Besonders intensiv wurde in den vergangen Jahren über Experimente diskutiert, in denen Viren infektiöser gemacht wurden. Würde ein solcher Erreger aus einem Hochsicherheitslabor in die Umwelt gelangen, könnte er zahlreiche Menschen befallen, so die Befürchtung. Dass GMOs nicht ohne weiteres in die Natur freigelassen werden können, schränkt aber auch ihren Nutzen ein. So ließen sie sich etwa einsetzen, um verseuchte Böden von Schadstoffen zu befreien.

Zwei Forscherteams haben nun eine neue Möglichkeit entdeckt, die Helfer zu kontrollieren: Sie lassen sie am ausgestreckten Arm verhungern.

Abhängig von künstlichen Aminosäuren

Teams um George Church von der Harvard Medical School in Boston und Farren Isaacs von der Yale University haben GMO-Stämme des Darmbakteriums E. coli umprogrammiert. Zuvor hatten die Bakterien Bestandteile von Dichtungsmasse, Kleber und Parfum hergestellt. Die Forscher veränderten die Organismen so, dass sie zum Überleben Nährstoffe brauchen, die in der Natur nicht vorkommen.

Der Trick: Normalerweise enthalten Gene den Bauplan für Proteine, die aus den 20 Standard-Aminosäuren aufgebaut werden. Church und Kollegen fügten in das Erbgut der E.-coli-Bakterien Gene ein, die den Bauplan für künstliche Proteine enthalten - um sie zusammenzubauen, braucht der Organismus also künstliche Aminosäuren, und die bekommt er nur im Labor. In der Natur würde er absterben, berichten die Forscher im Fachmagazin "Nature" (hier  und hier ).

Manipulation ohne Schlupfloch

Es ist das erste Mal, dass Bakterien von künstlichen Aminosäuren abhängig gemacht wurden. Bisher gab es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten zur Kontrolle der Mikroorganismen:

  • Sie werden so verändert, dass sie Nährstoffe, die sie eigentlich selbst herstellen können, von außen aufnehmen müssen. Die Schwäche der Methode: Je nach Umgebung finden die Organismen die Substanzen in der Umwelt. Zudem können sie Gene mit anderen Mikroorganismen austauschen und lernen, die Substanzen doch wieder selbst zu produzieren.
  • Die Bakterien werden empfindlicher gegenüber Giftstoffen gemacht, sodass man sie gezielt abtöten kann. Auch diese Manipulation können die Lebewesen allerdings mit der Zeit rückgängig machen.

Um ihren Bakterien solche Anpassungen möglichst schwer zu machen, haben Church und Kollegen die Gene an gleich 49 Stellen über das ganze Genom verteilt umprogrammiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bakterium all diese Veränderungen durch zufällige Mutation abschaltet und sich wieder von natürlichen Aminosäuren ernähren kann, sei sehr gering, berichten die Forscher.

In mehreren Experimenten hatten die Wissenschaftler eine Billionen manipulierte Zellen herangezüchtet. Nach zwei Wochen habe ohne Spezialnahrung kein Bakterium mehr gelebt. Das sei 10.000 Mal besser als die US-Gesundheitsbehörde NIH für GMOs empfehle, sagt Church. Bis die Studienergebnisse bestätigt sind, bleiben die E.-coli-Bakterien aber bis auf weiteres im Labor eingesperrt.

Später wäre denkbar, die Technik auch zu nutzen, um malariaresistente Moskitos oder gentechnisch veränderte Pflanzen zu kontrollieren. "Das dürfte allerdings eine Herausforderung werden", so Church. "Pflanzen enthalten etwa sechs Mal mehr Gene als E. coli."

jme
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