Geologische Forensik So sah es auf der jungen Erde aus

Die frühen Tage der Erde in einer künstlerischen Darstellung
Foto: imago/ Science Photo LibraryWie alt ist unsere Erde? Eine Antwort auf diese Frage suchte in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts der Geochemiker Clair Patterson. Dazu sah er sich die chemische Zusammensetzung eines Meteoriten aus dem US-Bundesstaat Arizona näher an.
Mithilfe der sogenannten Uran-Blei-Datierung kam er auf ein Alter von 4,55 Milliarden Jahren - sowohl für den kosmischen Einschlagkörper als auch für die Erde selbst. Neuere Meteoritenanalysen haben gezeigt , dass das Sonnensystem zu dieser Zeit gerade erst aus einer rotierenden Wolke aus Gas und Staub entstanden war.
Es war eine unvorstellbar wilde Zeit für unseren Planeten. Zahllose Meteoriten schlugen auf der heißen Oberfläche ein und pflügten die Erde wieder und wieder bis in große Tiefe um. Darunter waren auch größere Körper, einer war womöglich vergleichbar mit dem Planeten Merkur .

Junger Planet: Wie das Leben auf der Erde entstand
Klar ist: Gesteinsreste aus der frühen Kindheit der Erde sind wegen des damaligen Tumults nur schwer zu finden. Dazu kommt, dass auch später durch die Plattentektonik viele Bereiche der Erdoberfläche irgendwann einmal tief in den Erdmantel abtauchten - und dort wieder aufgeschmolzen wurden.
"Selbst nachdem die Erde weitestgehend ihre heutige Masse hatte, muss man davon ausgehen, dass die basaltische Kruste sich über eine längere Zeit immer wieder erneuert hat", sagt der Geochemiker Harry Becker von der Freien Universität Berlin. Immer wieder gab es auch gigantische Vulkanausbrüche, bei denen große Bereiche der Erdoberfläche bedeckt wurden .
Gesteinsrecycling im Erdinneren
Die ältesten bekannten Gesteine der Erde sind winzige kleine Zirkonkristalle aus Westaustralien, die auf 4,40 Milliarden Jahre datiert wurden . Damals, so legen die Analysen nahe, gab es bereits eine Erdkruste, wie wir sie heute kennen - und womöglich auch schon flüssiges Wasser. Nun berichten Forscher um Jonathan O'Neil von der Universität im kanadischen Ottawa in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Science" , dass sie auch im Norden von Kanada winzige Überbleibsel der jungen Erdkruste gefunden haben. Sie sollen einen Blick zurück in die Zeit von vor 4,2 Milliarden Jahren erlauben.

Gestein im Norden der kanadischen Provinz Québec
Foto: Alexandre JeanDabei ist der von den Forschern analysierte Granit eigentlich "nur" 2,7 Milliarden Jahre alt. Doch er enthalte, so argumentieren sie jedenfalls, eben auch Hinweise auf die Zeit davor. Diese müssten dann sozusagen das Gesteinsrecycling im Erdinneren überstanden haben.
"Man sucht nach Spuren der Zerfallsprodukte von längst zerfallenen Radioisotopen, um etwas über die früheste Entwicklung der Erde zu erfahren", beschreibt der Berliner Forscher Becker, der nicht an der aktuellen Arbeit beteiligt war, den Ansatz von O'Neil und dessen Kollegen. "Man kann die Methode als geologische Forensik bezeichnen."
Konkret hatten sich die Forscher bestimmte Isotope der Seltenerd-Metalle Samarium und Neodym angesehen. Dazu hatten sie 15 Gesteinsproben aus dem Norden der kanadischen Provinz Québec untersucht. Dort, in der Nähe der Hudson Bay, finden sich einige der ältesten bekannten Gesteine der Erde. "Dieser Teil von Nord-Québec ist der Nukleus des Kanadischen Schildes", beschreibt Forscher O'Neil. Wenn es irgendwo noch Spuren von noch älterem Gesteinsmaterial gebe, dann dort.
Entstehung von Leben nur für kurze Zeit aufgehalten
"Wir können sehen, dass diese Vorgängergesteine mindestens 4,2 Milliarden Jahre alt waren", fasst O'Neil das Ergebnis der Isotopen-Analysen zusammen. Die Zusammensetzung der betreffenden Gesteine sei dabei ozeanischer Kruste deutlich ähnlicher gewesen, als es die später gebildeten - und nun in der Region zu findenden - Granitgesteine seien, die charakteristisch für kontinentale Erdkruste seien.

2,7 Milliarden Jahre altes Gestein
Foto: Isabelle LafranceZur Erinnerung: Forscher unterscheiden zwei Arten von Erdkruste. Da ist zum einen die ozeanische Kruste. Sie ist fünf bis zehn Kilometer dick und entsteht ständig neu am Boden der Weltmeere, zwischen auseinanderdriftenden Kontinentalplatten. Zum anderen ist da die mit 30 bis stellenweise 70 Kilometer deutlich mächtigere kontinentale Kruste. Ozeanische Kruste besteht vor allem aus der dunklen Basaltvariante Gabbro, kontinentale Kruste dagegen eher aus hellerem Granit.
Und das Gestein von O'Neil und seinen Kollegen war wohl zunächst das eine und dann - nach dem Recycling - das andere. Aus der Region, in der die Forscher Material für ihre aktuellen Analysen gesammelt haben, stammen übrigens auch 3,7 Milliarden Jahre alte Gesteine, in denen sich angeblich Spuren früher Fossilien finden sollen. Darüber hatte ein Team, zu dem O'Neil ebenfalls gehört hatte, erst vor wenigen Tagen im Fachblatt "Nature" berichtet.
Demnach sollen winzige Organismen für die röhren- und fadenförmigen Strukturen im Gestein verantwortlich sein. Auch aus Grönland gibt es vergleichbare Funde. Und wenn es sich dabei tatsächlich um Spuren von Mikroben handeln sollte, lässt sich eine Sache mit Bestimmtheit sagen: Die frühe Erde war ein extrem ungemütlicher Ort - die Entstehung von Leben hat das aber offenbar nur für kurze Zeit aufgehalten.