Gestörte Eiweißproduktion Forscher finden Grund für Bienensterben

Honigbiene: Gestörte Eiweiß-Produktion macht sie anfällig für schädliche Faktoren
Foto: Z5533 Hendrik Schmidt/ dpaSind es die vielen Pestizide aus der Landwirtschaft? Die Überzüchtung durch die Imker? Milben? Handy-Strahlung? Oder einfach nur Stress?
Seit Jahren fahnden Wissenschaftler weltweit nach den Gründen für das mysteriöse Massensterben von Honigbienen. Noch immer haben sie den Täter für den Bienenvolk-Kollaps (Colony Collapse Disorder - CCD) nicht ausfindig machen können.
Nun haben US-Forscher erstmals eine Erklärung gefunden, die mehrere Vermutungen miteinander vereint. Offenbar ist bei den betroffenen Bienen die Eiweiß-Synthese gestört. Ein Grund dafür könnten Viren sein, vermuten die Wissenschaftler um May Berenbaum und Reed Johnson von der University of Illinois in Urbana-Champaign.
Ribosomen sind bei betroffenen Bienen gestört
Die Forscher verglichen Bienen aus verschiedenen CCD-infizierten Kolonien mit gesunden Artgenossen. Dabei analysierten sie die Gentätigkeit im Verdauungstrakt der Tiere und entdeckten ungewöhnlich große Menge von Bruchstücken ribosomaler RNA. Diese ist Bestandteil der Ribosomen, den Eiweißfabriken der Zellen. Genau diese Eiweißherstellung ist beim Bienenvolk-Kollaps massiv gestört.
"Der einzige beständige Anzeiger für CCD in den Proben, die zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten gesammelt wurden, war die Überfülle von ribosomalen Bruchstücken", sagte May Berenbaum. Die Forscher schreiben im Fachblatt " Proceedings of the National Academy of Sciences ", dass Krankheitserreger, vor allem die Familie der Picorna-Viren, die Ribosomen besetzen und zur Bildung viraler Proteine zwingen könnten.
Die Ergebnisse der Forscher vereinen mehrere Puzzleteile auf der Suche nach den Ursachen des Sterbens: Zu den Picorna-Viren zählen nämlich neben dem Flügeldeformationsvirus (DWV, Deformed Wing Virus) auch das IAPV (Israeli Acute Paralysis Virus). Letzteres wurde in einer früheren Studie als Grund für das Bienensterben ausgemacht. Und übertragen werden Picorna-Viren von der Varroa-Milbe - auch sie war ein Hauptverdächtiger.
"Zum Überleben braucht man Proteine"
Der Ausfall einer so zentralen Eigenschaft wie der Eiweiß-Synthese macht den Organismus anfällig für viele schädliche Einflüsse. So könnten weitere Faktoren, die Wissenschaftler in den vergangenen Jahren als Ursachen erwogen hatten, ebenfalls beim Kollaps von Bienenkolonien gespielt haben.
Ist die Proteinproduktion der Ribosomen erst einmal gestört, werden die Bienen auch anfälliger für andere schädliche Einflüsse. "Wenn das Ribosom beeinträchtigt ist, kann man nicht mehr auf Pestizide, Pilzinfektionen, Bakterien oder Mangelernährung reagieren", sagt Berenbaum. "Das Ribosom ist zentral für das Überleben von jedem Organismus. Zum Überleben braucht man Proteine."
Das mysteriöse Bienensterben griff vor allem seit Herbst 2006 um sich, allerdings wurde schon 2004 von ähnlichen Phänomenen berichtet: Die ausgewachsenen Bienen verschwinden spurlos und lassen den Bienenstock samt der Königin, der jungen Bienen und der Brut zurück. Allein in den USA raffte der CCD in den Jahren 2007 und 2008 mehr als ein Drittel aller kommerziell genutzten Honigbienen dahin.
Das Bienensterben ist eine ökologische und eine ökonomische Bedrohung. Die Tiere sind die Hauptbestäuber von vielen Obst- und Gemüsepflanzen. Der Wert dieser landwirtschaftlichen Produkte wird allein in den USA pro Jahr auf rund 14 Milliarden Dollar geschätzt.