Gestörtes Gehör Sonar macht Delfine vorübergehend taub
Woods Hole/London - Wann immer große Gruppen von Meeressäugern hilflos an irgendeinem Strand der Welt liegen, wenn sie langsam und qualvoll verenden, stehen immer dieselben Fragen im Raum. Zuletzt rätselten Tierschützer in Australien und Neuseeland angesichts großer Gruppen von gestrandeten Tieren: Was bringt die Tiere dazu, sich aufs Trockene zu werfen? Könnten sie vielleicht durch kraftvolles Sonar, wie es zum Beispiel von Kriegsschiffen benutzt wird, zu ihrem fatalen Verhalten getrieben werden?
Bisher hat es darauf keine verlässlichen Antworten gegeben. Doch US-Forscher haben nun zumindest nachweisen können, dass Delfine durch Sonarimpulse von Marineschiffen zeitweise taub werden können. Ein Team um Aran Mooney von der University of Hawaii berichtet im Fachmagazin "Biology Letters" (Bd. 5, Nr. 2) von Experimenten, die sie von August bis Oktober 2007 an der Woods Hole Oceanographic Institution im US-Bundesstaat Massachusetts durchgeführt haben.
Dort spielten sie einem bereits an Geräusche gewöhnten großen Tümmler Sonarimpulse vor. Die Aufnahmen waren im Sommer 2005 in Puget Sound gemacht worden. In dieser Bucht an der Küste des Bundesstaats Washington kam es kurz danach zu einer Massenstrandung von Meeressäugern.
Die Forscher beschallten das Tümmlerbecken von Woods Hole mit Dreiergruppen kurzer Pulse, sogenannten Pings, in wechselndem Abstand und wechselnder Lautstärke. Damit wurde die Situation im Ozean nachgebildet, wo Marineschiffe für genau diese Geräuschkulisse sorgen können. Anschließend prüften die Forscher mit leisen Tönen die Hörschwelle des Tieres. Dabei stellten sie fest, dass häufiger wiederholte, laute Pings das Gehör des Tümmlers beeinträchtigten und ihn beunruhigten.
Zu einem deutlich messbaren Hörverlust sei es allerdings erst bei Lautstärken von mehr als 200 Dezibel und mindestens fünf Schallgruppen gekommen. Nach 20 bis 40 Minuten habe sich das Gehör des Tümmlers wieder normalisiert.
Mit den Experimenten sei es erstmals direkt gelungen, die Wirkung von Sonar auf das Gehör von Meeressäugern zu erforschen, berichten Mooney und seine Kollegen. Sonarimpulse werden typischerweise mit einer Lautstärke von mehr als 250 Dezibel ausgestrahlt. Das bedeute, dass ein Tier sich über einige Minuten in weniger als 40 Metern Entfernung von einem Schiff aufhalten muss, um die kritische Schallintensität abzubekommen.
"Diese Technologie muss eingestellt werden"
Hier setzt die Kritik des Greenpeace-Meeresbiologen Thilo Maack an den Forschungen an. Es sei "fatal" anzunehmen, dass größere Entfernungen ungefährlich für Meeressäuger seien, sagte Maack im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE: "Hier ist ein einziger Versuch mit einem einzigen Vertreter einer einzigen Art gemacht worden."
Andere Spezies könnten noch deutlich sensibler auf die Störungen durch Sonarsignale reagieren. Entenwale etwa benutzten zum Jagen genau die Frequenzen, mit denen das US-Militär arbeite. Bei den Tieren könnten durch die Sonarsignale Blutgefäße platzen, sogar ganze Hirnareale würden in Mitleidenschaft gezogen. "Diese Technologie muss eingestellt werden", meint Maack, "bis die Ungefährlichkeit bewiesen ist."
Mooney kommt Maack durchaus entgegen: Die Experimente seines Teams würden keineswegs bedeuten, dass eine dauerhafte Beschallung mit anderen Frequenzen oder niedrigerer Lautstärke nicht ebenfalls eine negative Wirkung auf Meeressäuger haben könnte.