
Tiermuster: Gestreift, gepunktet, marmoriert
Evolution Warum sind Tiere gestreift?
Warum hat das Zebra Streifen? Wozu sind die Tupfer des Geparden da? Und wieso guckt der Pandabär durch große schwarze Augenflecken? Seit jeher haben solche Fragen den Menschen fasziniert.
Jetzt ist Forschern der Harvard University zumindest ein kleiner Schritt in Richtung auf eine Antwort gelungen. Sie haben ein Gen gefunden, mit dessen Hilfe die Natur weiße Streifen ins Fell zu pinseln vermag. Ihre im Fachblatt "Nature" beschriebenen Experimente führten die Forscher mit Afrikanischen Striemen-Grasmäusen durch.

Afrikanische Striemen-Grasmaus
Foto: J. F. BroekhuisSeit vielen Jahren schon versucht die Evolutionsbiologin Hopi Hoekstra zu ergründen, wie Gene die Färbung des Fells von Säugetieren steuern - auch wenn ihr dabei mitunter der Spott von Fisch- oder Vogelforschern entgegenschlägt: Wie ärmlich sei doch das trübe Graubraun der Wildschweine, Kaninchen oder Antilopen gemessen am schillernden Kobaltblau des Eisvogels oder dem Grellorange des Clownsfischs Nemo.
Selbst die weißen Backen des Feldhamsters oder die Flecken der Leoparden können nicht mithalten mit der Farbenpracht von Pfau, Kampffisch oder Paradiesvogel.
Farbenblinde Partner
In der Tat ist die Farbpalette der Säugetiere eher dürftig: kein Grün, kein Blau und fast kein Rot. Nur ab und zu mischen sich ein paar Gelb- oder Orangetöne ins graubraune Einerlei. Der Grund dafür findet sich in der Evolutiongeschichte: Säugetiere sind der Nacht entsprungen. Ihre Vorfahren huschten durch die Dunkelheit, wo Farben nicht zu sehen waren. Es verarmte ihre Fähigkeit, Rot, Grün und Blau zu unterscheiden. Mit prachtvollen Farbmustern jedoch gelingt es nicht, farbenblinden Partnern zu imponieren.
Für Evolutionsforscher indes erweist sich dies als Vorteil: Sie haben es bei den Säugetieren mit einem vergleichsweise einfachen Repertoire der Farbgebung zu tun. Die Tönung des Fells wird bei Säugetieren von nur einem Zelltyp bestimmt, den sogenannten Melanozyten, und diese produzieren im wesentlichen nur zwei verschiedene Farbstoffe: Das Eumelanin, das für schwarze Färbung zuständig ist, und das gelb-orange Phäomelanin.

Tiermuster: Gestreift, gepunktet, marmoriert
Die Harvard-Biologin Hoekstra hatte maßgeblich Anteil daran, die Mechanismen aufzuklären, die darüber bestimmen, welchen dieser beiden Farbstoffe eine Zelle herstellt. Vor allem ein Signal-Protein namens Agouti spielt eine zentrale Rolle.
Steuergen identifiziert
Zwei Schlüsselfragen jedoch blieben lange ungeklärt: Wie prägt die Natur Punkte, Streifen oder andere Muster dieser Farben aus? Und: Wie erzeugt sie die Farbe Weiß?
Diese Rätsel wollte Hoekstras Mitarbeiter Ricardo Mallarino knacken. Er machte sich auf die Suche nach einer dafür geeigneten Spezies. Bei einer Gruppe Schweizer Forscher, die Feldstudien an Striemen-Grasmäusen in Südafrika durchführt, wurde er fündig. Die Tiere tragen ausgeprägte weiße Längsstreifen auf dem Rücken, und sie lassen sich leicht im Labor halten.
Inzwischen wuseln einige Dutzend der gestreiften Nager durch Käfige im Keller von Hoekstras Biologie-Institut. Mallarino hat genau untersucht, wann sich während der Embryonalentwicklung die Streifen in der Haut ausbilden.
Er stieß dabei auf ein Steuergen namens Alx3, das in diesen Streifen aktiv wird, lange ehe die ersten Härchen sprießen. Es hemmt die Reifung der Melanozyten, so dass diese weder schwarzen noch gelben Farbstoff produzieren. Die Folge: Die Streifen, in denen Alx3 Regie führt, bleiben weiß.
Längs oder quer?
Tatsächlich verschwand das Streifenmuster im Fell der Tiere, als Mallarino das Alx3-Gen im Erbgut der Mäuse ausschaltete. Nun würde der Forscher am liebsten auch subtilere Veränderungen ausprobieren. Das sogenannte Crispr-Verfahren hat in den letzten Jahren die Manipulation des Erbguts enorm erleichtert. Deshalb könnte es bald möglich sein, mit Hilfe von Farbgenen auf dem Fell von Mäusen wie auf einer Leinwand zu malen. "Ich würde zum Beispiel gern versuchen, senkrechte Streifen zu machen", meint Mallarino. "Das wäre cool."
Mit Hilfe solcher gentechnisch erzeugter Mutanten ließe sich dann möglicherweise auch die Frage klären, wozu die Streifen eigentlich dienen. Die Forscher vermuten, dass sie vor Räubern schützen. Dieser Hypothese zufolge erschweren es Längsstreifen, ein fliehendes Beutetier zu packen. Querstreifen dagegen sorgen dafür, dass ein kauerndes Opfer schlechter zu erkennen ist. Das allerdings ist bisher nicht erwiesen.
Ein Experiment zumindest konnten Mallarino und Hoekstra schon jetzt durchführen: Sie fingen Streifenhörnchen, die in den Parks rund um das Institut vielerorts durch die Büsche springen. Die Maserung ihres Fells ähnelt derjenigen der Striemen-Grasmäuse frappierend. Deshalb wollten die Forscher wissen, ob das Muster von der Natur in beiden Spezies auf gleiche Weise hervorgebracht wurde.
Im Bereich der weißen Fellstreifen der Hörnchen entnahm Mallarino Hautgewebe. Tatsächlich stellte sich heraus: Auch hier ist Atx3 aktiv. Dieser Befund sei sehr bemerkenswert, meint der Forscher. Denn es gebe keinerlei Zweifel, dass sich die Musterung des Fells in beiden Spezies unabhängig voneinander entwickelt hat: "Striemen-Grasmaus und Streifenhörnchen trennen 70 Millionen Jahre Evolutionsgeschichte."