Gipfel in New York Uno preist China als Klimaschutz-Vorreiter

Arbeiter in chinesischer Fabrik: Peking will offenbar im Klimaschutz voranschreiten
Foto: STRINGER SHANGHAI/ REUTERSNew York/Washington - Yvo de Boer ist so etwas wie der globale Obervermittler in Sachen Klimawandel. Der Chef des Klimasekretariats der Vereinten Nationen spielt stets eine zentrale Rolle, wenn die Vertreter der Staaten um eine Reduzierung des Treibhausgas-Ausstoßes ringen. Für Brechstangen-Diplomatie und voreilige Äußerungen ist de Boer nicht bekannt - und genau deshalb lässt seine jüngste Ankündigung aufhorchen: Beim internationalen Klimagipfel in New York werde China weitreichende Maßnahmen zur Senkung seines Kohlendioxidausstoßes verkünden, sagte er.
Nach einem Gespräch mit einem chinesischen Minister sei er sicher, dass Staatschef Hu Jintao bei dem Gipfel am Dienstag "eine Reihe ehrgeiziger und substantieller Maßnahmen" ankündigen werde, sagte de Boer am Montagnachmittag in New York. Pekings Vorgehen werde "die chinesischen Treibhausgasemissionen auf sehr bedeutende Art verringern". Dadurch werde sich die Volksrepublik "zu einer der führenden Nationen im Kampf gegen den Klimawandel" entwickeln. "Und es wird ziemlich ironisch sein, dies ausgerechnet in einem Land zu hören, das fest davon überzeugt ist, China unternehme nichts gegen den Klimawandel", fügte de Boer mit Blick auf die USA hinzu.
China hatte zuvor bereits erklärt, es werde bis 2020 rund 15 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen. Beobachter rechnen damit, dass neben der Volksrepublik auch Indien weiter reichende Zusagen zur Klimapolitik machen könnte als die USA. Großbritanniens Energie- und Klimaschutzminister Ed Miliband rief die Schwellenländer auf, nicht die Fehler der Industriestaaten zu wiederholen, sondern mit ihnen zusammen Wege zur Energieeinsparung und zur Nutzung erneuerbarer Energien zu suchen. Großbritannien selbst will bis 2020 ein Drittel weniger Energie verbrauchen als 1990, 40 Prozent sollen dann aus erneuerbaren Ressourcen stammen.
China hatte kürzlich die USA beim Ausstoß der klimaschädlichen Treibhausgase überholt. Die beiden Länder verursachen zusammen mehr als 40 Prozent der weltweiten Emissionen. Daher sei es wesentlich, dass sie sich ernsthaft für den Klimaschutz engagierten und anderen Staaten darin vorangingen, sagte de Boer. Hu plant demnach die stärkere Förderung erneuerbarer Energien sowie von Energieeffizienz in der Industrie, bei Gebäuden und im Straßenverkehr. Industrieanlagen mit hohem Schadstoffausstoß sollen geschlossen werden. "Das wird die Richtung des chinesischen Wirtschaftswachstums grundlegend verändern, und das ist genau das, was auch Barack Obama verstehen muss", sagte der Chef des Uno-Klimasekretariats.
Obama kämpft um seine Glaubwürdigkeit im Klimaschutz
Der US-Präsident kämpft derzeit um die Glaubwürdigkeit seines Landes im Klimaschutz. Obama hat zwar auch hier einen Wandel versprochen und dem Thema Priorität eingeräumt, doch das entsprechende Gesetzesvorhaben steckt im Kongress fest. US-Energieminister Steven Chu hat vergangene Woche bereits die Hoffnungen gedämpft, dass sein Land sich beim Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember auf ambitionierte Emissionsziele festlegen könnte. Der Druck auf die USA, endlich klare Zusagen zur Eindämmung ihres Schadstoffausstoßes zu liefern, wächst deshalb. Das wird Obama auf dem Uno-Gipfel am Dienstag und auch auf dem G-20-Treffen am Donnerstag in Pittsburgh zu spüren bekommen.
Immerhin hat das US-Repräsentantenhaus in diesem Jahr schon einen Gesetzentwurf beschlossen, in dem die USA erstmals ihrem Schadstoffausstoß Grenzen setzen: Die Emissionen sollen um 17 Prozent unter das Niveau von 2005 gesenkt werden, bis Mitte des Jahrhunderts soll die Reduzierung gar 83 Prozent betragen. Das wäre vielleicht ein Anfang, wenn die zweite Parlamentskammer, der Senat, nicht gerade in den Kampf um Obamas Gesundheitsreform verstrickt wäre. Der demokratische Mehrheitsführer in dem Gremium, Harry Reid, deutete in der vergangenen Woche schon an, dass mit der Verabschiedung eines Klimagesetzes wohl erst im nächsten Jahr zu rechnen sei.
Kongress-Beschluss vor Kopenhagen unsicher
Das war dann zuviel für John Bruton, den Leiter der Delegation der Europäischen Union in Washington. Mit ungewöhnlich deutlichen Worten wies er darauf hin, dass die Klimakonferenz schon vorbei sei, wenn der Senat etwas zu beschließen gedenke. "Die USA sind nur eines von 190 Ländern, die zu dem Treffen kommen", sagte Bruton. Es sei wohl keine "realistische politische Position", eine internationale Konferenz zu bitten, ein paar Monate herumzusitzen und aus dem Fenster zu gucken, weil eine Kammer der Gesetzgebung eines Landes sich mit anderen Dingen beschäftigt.
Doch selbst wenn der US-Senat noch auf die Schnelle etwas beschließen sollte, würden die Entwürfe von Senat und Repräsentantenhaus erst einmal im Vermittlungsausschuss landen, der eine gemeinsame Position erarbeiten müsste, die dann wieder von beiden Kammern beschlossen und Obama zur Unterschrift vorgelegt werden müsste.
Die US-Regierung drängt das Parlament deshalb zur Eile. Todd Stern, der Sondergesandte für Klimafragen des US-Außenministeriums, hob im Kongress hervor, dass der Senat etwas Konkretes beschließen müsse. Nur dann hätten die USA die "Glaubwürdigkeit und den Einfluss", der gebraucht werde, um auch andere Länder wie etwa China zur Reduzierung der Treibhausgase zu veranlassen.
Blair: Klimaschutz könnte zehn Millionen neue Jobs schaffen
Helfen könnte auch noch ein anderes Argument: Das Weiße Haus und die Demokraten im Kongress weisen gerade jetzt, mit der Wirtschaftskrise im Hintergrund, immer wieder darauf hin, dass Millionen neuer Arbeitsplätze durch den Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energieträger geschaffen werden könnten.
Ein Diskussionsbeitrag von Tony Blair dürfte für Obama deshalb wie gerufen kommen: Der ehemalige britische Premierminister rechnet bis zum Jahr 2020 mit weltweit rund zehn Millionen neuen Jobs durch Klimaschutz-Programme. Das globale Bruttosozialprodukt werde so um 0,8 Prozent gesteigert, sagte Blair, der sich dabei auf Computersimulationen von Wirtschaftswissenschaftlern der University of Cambridge berief.
Blairs Amtsnachfolger Gordon Brown machte ebenfalls deutlich, wie wichtig die aktuellen Klimaverhandlungen sind, die im Dezember mit dem Gipfeltreffen in Kopenhagen ihren Abschluss finden sollen. Angesichts der derzeit schleppenden Fortschritte bestehe die "große Gefahr", dass die Verhandlungen scheitern, schrieb Brown in einem Beitrag für das Magazin "Newsweek". Brown bot darin als erster Regierungschef an, persönlich an den Kopenhagener Verhandlungen teilzunehmen und forderte seine Amtskollegen auf, dies ebenfalls zu tun. Umweltminister verschiedener Länder waren bislang die ranghöchsten Repräsentanten, die ihre Teilnahme zugesagt hatten.