Satelliten-Beobachtungen Weltweite Gletscherschmelze beschleunigt sich

Eisfeld in Nordpatagonien
Foto: MARTIN BERNETTI/ AFPDer Klimawandel verschärft das Tempo: Aufgrund der Erderwärmung hat sich die globale Gletscherschmelze in den vergangenen 20 Jahren deutlich beschleunigt. Einer im Fachmagazin »Nature« veröffentlichten internationalen Studie zufolge verloren die Gletscher zwischen 2000 und 2019 im Durchschnitt 267 Milliarden Tonnen (Gigatonnen) Eis pro Jahr, am meisten aber in den vergangenen fünf Jahren. Inzwischen trägt das schmelzende Eis demnach zu mehr als 20 Prozent zum Anstieg des Meeresspiegels bei.

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Mit den verloren gegangenen Gigatonnen Eis hätte die Schweiz alljährlich sechs Meter unter Wasser gesetzt werden können, erklärte zur besseren Anschaulichkeit die ETH Zürich, deren Forscher an der Studie beteiligt waren.
Von der Schmelze betroffen sind laut der Studie bis auf wenige Ausnahmen fast alle der weltweit 220.000 Gletscher. Normalerweise stehen, abgesehen von den polaren Eiskappen, aber nur ein paar hundert von ihnen unter ständiger Beobachtung. »Es gibt viele Regionen, von denen wir nicht wussten, wie sie sich entwickeln«, so Hauptautor Romain Hugonnet.
»Die Situation im Himalaja ist besonders besorgniserregend. Die großen Ströme wie Ganges, Brahmaputra und Indus werden in der Trockenzeit zu einem großen Teil durch Gletscherschmelzwasser gespeist. Zurzeit wirkt die Zunahme des Schmelzwassers für die Menschen der Region wie ein Puffer«, heißt es in einer Mitteilung der ETH. Schrumpfen die Himalaja-Gletscher jedoch weiterhin mit steigendem Tempo, könnten bevölkerungsreichen Staaten wie Indien oder Bangladesch in wenigen Jahrzehnten Wassernot oder Nahrungsmittelengpässe drohen.
Milliarden Tonnen Eis verschwinden
Für ihre Studie analysierten Hugonnet und seine Kollegen nun eine halbe Million bisher weitgehend ungenutzte Satellitenbilder. Auf diese Weise gelang ihnen laut eigener Aussage »die erste vollständige Bestandsaufnahme der Gletscherschmelze in der Welt«.
Diese hat sich laut Hugonnet, der an der ETH Zürich und der Universität von Toulouse forscht, deutlich beschleunigt: Waren es zwischen 2000 und 2004 noch durchschnittlich 227 Milliarden Tonnen im Jahr, belief sich der Rückgang ab 2015 bis 2019 bereits auf durchschnittlich 298 Milliarden Tonnen jährlich.
Die Schlussfolgerungen der Studie deckten sich mit den Einschätzungen des Weltklimarats (IPCC), seien jedoch deutlich genauer, sagte Hugonnet. Dies gelte insbesondere für die Auswirkungen der Gletscherschmelze auf den Meeresspiegelanstieg.
Die neuen, geografisch genaueren Daten könnten auch bei der Planung von Anpassungsstrategien in dicht besiedelten Gebieten helfen, in denen Gletscher eine wichtige Rolle für Landwirtschaft und Wasserversorgung spielen, sagte Hugonnet.
Kurzfristig könnten die schmelzenden Gletscher demnach den Wassermangel in einigen Regionen wie Indien oder in den Anden ausgleichen. Aber ist der Höhepunkt einmal überschritten, würden die Wassermengen rapide abnehmen, bis nichts mehr übrig ist, warnte der Forscher.
In einigen wenigen Gegenden hatte sich zur Überraschung der Forscher die Schmelzrate zwischen 2000 und 2019 verlangsamt. Das war beispielsweise an der Ostküste Grönlands, in Island und Skandinavien der Fall. Die Studie führt das auf eine Wetteranomalie im Nordatlantik zurück. Diese sorgte von 2010 bis 2019 lokal für höheren Niederschlag und tiefere Temperaturen, was den Eisschwund bremste.
Die Ergebnisse der Studie sollen laut ETH nun in den nächsten Zustandsbericht des IPCC einfließen.