Golf von Mexiko Forscher attackieren Ölpest-Entwarnung der US-Regierung

Shrimpfischer in Louisiana: Angst vor dem Öl unter der Wasseroberfläche
Foto: WIN MCNAMEE/ AFPWashington - Es klang nach einer guten Nachricht, und sie kam überraschend: Anfang August veröffentlichte die US-Wetter- und Ozeanbehörde NOAA Zahlen, nach denen die Ölpest im Golf von Mexiko fast schon beendet schien. Fast drei Viertel der rund 800 Millionen Liter Öl, die nach der Havarie der Bohrplattform "Deepwater Horizon" ins Meer gelangt waren, seien bereits verschwunden - und der Rest würde voraussichtlich keine größeren Schäden anrichten.
Schon kurz darauf meldeten unabhängige Experten Zweifel an dieser Darstellung an. Jetzt muss sich die NOAA erneut einem derartigen Angriff stellen. Fünf Forscher der University of Georgia erklärten am Dienstag, dass rund drei Viertel des Öls weiterhin vorhanden seien und die Umwelt belasteten. Eine Analyse der Regierungsdaten bringe ihn und seine Kollegen zu dem Ergebnis, dass "zwischen 70 und 79 Prozent des Öls immer noch da draußen sein müssen", sagte der Meeresforscher Charles Hopkinson.
Zersetztes Öl nicht ungefährlich
Die US-Regierung hatte ihre Schätzung damit begründet, dass ein Großteil des Öls bei den Eindämmungsarbeiten verbrannt, aufgefangen oder durch Chemikalien aufgelöst worden sei. Ein weiterer Teil sei durch die Einstrahlung der Sonne verdunstet oder durch Mikroben zersetzt worden (siehe Grafik links). Hopkinson betont, dass die Gefahr dadurch keineswegs gebannt ist. "Es ist eine falsche Annahme, dass in Wasser gelöstes Öl harmlos ist", sagte er. "Das Öl ist immer noch da draußen und braucht wahrscheinlich Jahre, bis es abgebaut ist. Wir sind noch weit davon entfernt, die Auswirkungen vollständig zu verstehen."
Ähnlich äußerte sich Hopkinsons Kollegin Samantha Joye. "Die Auswirkungen des Öls existieren nach wie vor", so die Professorin. "Es ist Öl im Wasser und auf dem Meeresboden - und das wird Folgen haben." David Hollander, Ozeanograf an der University of South Florida, nannte die Schätzungen der NOAA "vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ein wenig verfrüht". Dass das Öl aufgelöst sei, "bedeutet nicht, dass es keine Auswirkungen haben wird".
Zugleich wurde bekannt, dass Forscher der University of South Florida am Grund eines Meeresgrabens, des DeSoto Canyons, Hinweise auf Ölpartikel gefunden haben - in Konzentrationen, die giftig für wichtige Meeresbewohner seien. Die Wissenschaftler müssen allerdings noch nachweisen, dass dieses Öl tatsächlich durch den Untergang der Bohrplattform "Deep Water Horizon" Ende April ins Meer gelangte.
Die zehn größten Öl-Unfälle auf dem Meer
Datum | Bezeichnung | Eigner | Unglücksort | Freigesetzte Ölmenge (Tonnen) | Ursache |
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April 2010 | Deepwater Horizon | BP | Golf von Mexiko | 670.000 (Stand 2. August 2010) | Unglück auf Bohrinsel Deepwater Horizon. Blowout. |
Juni 1979 | Ixtoc I | Pemex | Golf von Mexiko | 450.000 bis 480.000 | Unglück auf einer Ölplattform. Blow-out. |
Juli 1979 | Atlantic Empress | griechisches Schiff, in Liberia registriert | vor Tobago, Karibische Inseln | 287.000 | Tankerunglück. Kollision mit dem Tanker "Aegean Captain". |
Februar 1983 | Nowruz-Ölfeld | ? | Persischer Golf | 260.000 | Kollision Tanker mit Bohrinsel, Kriegsfolgen des ersten Golfkriegs. |
August 1983 | Castillo De Bellver | ? | Saldanha Bay, Südafrika | 252.000 | Tankerunglück. Brand. |
März 1978 | Amoco Cadiz | BP (GB) / Amoco (USA) | vor der bretonischen Küste | 223.000 | Tankerunglück. Ruderausfall mit anschließendem Felsenauflauf. |
Mai 1991 | ABT Summer | ? | 1000 km vor Angola | 49.000 bis 255.000 | Tankerunglück. |
April 1991 | Haven | Amoco (USA) | Golf von Genua, Italien | 144.000 | Tankerunglück. Brand. |
November 1988 | Odyssey | ? | Kanada | 132.000 | Tankerunglück. Brand. |
März 1967 | Torrey Canyon | Unocal (USA), gechartert von BP (GB) | vor der Küste Südenglands | 119.000 | Tankerunglück. Kollision mit Riff. |
Auch andere Experten halten es für möglich, dass noch große Mengen Öl unter der Meeresoberfläche lauern. Dies sei der Preis dafür, dass der BP-Konzern Chemikalien eingesetzt habe, um den Ölteppich an der Meeresoberfläche aufzulösen, sagt etwa Monty Graham von der Meeresforschungsstation auf Dauphin Island im US-Staat Alabama. Die dabei in die Tiefe gesunkenen Partikel könnten sich noch lange halten, weil sie in den tiefen und kalten Wasserschichten nur langsam abgebaut würden.