Golf von Mexiko US-Regierung glaubt an schnelles Ende der Ölpest

Das Ölleck im Golf von Mexiko ist vorerst dicht - schon verkündet Washington den nächsten Erfolg im Kampf gegen die Katastrophe: Knapp drei Viertel des ausgeflossenen Öls sollen bereits verschwunden sein. Völlig ungeklärt sind jedoch die Langfristfolgen für das Ökosystem.
Golf von Mexiko: US-Regierung glaubt an schnelles Ende der Ölpest

Golf von Mexiko: US-Regierung glaubt an schnelles Ende der Ölpest

Foto: LEE CELANO/ REUTERS

Hamburg - Die Nachrichten aus dem Golf von Mexiko klingen hoffnungsvoll: Dreieinhalb Monate nach Beginn der Umweltkatastrophe ist ein Großteil des ausgetretenen Öls nach Angaben der US-Regierung beseitigt. 74 Prozent der rund 780 Millionen Liter Rohöl, die seit der Explosion der Bohrinsel "Deepwater Horizon" am 20. April aus dem defekten Bohrloch gesprudelt waren, seien von Einsatzkräften entfernt worden oder anderweitig verschwunden, sagte Carol Browner, Energieberaterin von US-Präsident Barack Obama, dem TV-Sender ABC.

Wie ist das möglich, nachdem es jüngst hieß, das Desaster habe historische Ausmaße? Nach Zahlen der amerikanischen Wetter- und Ozeanbehörde NOAA wurden 17 Prozent des Öls direkt am Bohrloch aufgefangen. 25 Prozent hätten sich aufgelöst oder seien verdunstet, weitere 16 Prozent seien auf natürliche Weise in kleine Tröpfchen zerfallen. 8 Prozent seien durch Chemikalien zersetzt worden, 5 Prozent seien verbrannt und 3 Prozent von Arbeitern beseitigt worden.

Übrig bleiben 26 Prozent, die sich an oder unter der Meeresoberfläche oder aber an den Stränden der Region befinden. Zwar sei weiterhin damit zu rechnen, dass Teerklumpen an den Küsten landen. Doch eine größere Bedrohung gehe von dem Öl auf See wahrscheinlich nicht mehr aus, berichtet die "New York Times". Wissenschaftler der Regierung seien der Ansicht, dass die Verschmutzung schnell abgebaut werde. "Es gibt absolut keine Hinweise darauf, dass es da draußen eine bedeutende Ölkonzentration gibt, von der wir nicht wissen", sagte NOAA-Chefin Jane Lubchenco.

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Ölkatastrophe: Hoffen und Bangen am Golf

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Allerdings betonte sie, dass die Regierung nach wie vor besorgt sei über die Umweltschäden, die bereits angerichtet seien oder noch folgen könnten. "Den vollen Umfang des Schadens für die Ökosysteme und die Menschen am Golf kennen wir noch nicht", sagte Lubchenco. Eine der wichtigsten offenen Fragen sei, wie stark Eier und Larven von Fischen und Schalentieren in der Region in Mitleidenschaft gezogen seien. Möglicherweise werde man das erst in einem Jahr erkennen.

Ölpest geht nach hundert Tagen dem Ende entgegen

Mehr als hundert Tage nach Explosion der Plattform "Deepwater Horizon" wächst nun die Hoffnung, dass der Kampf gegen die Ölpest im Golf von Mexiko vor seinem Ende steht. Acht Stunden lang hat der BP-Konzern am Dienstag schweren Bohrschlamm in die Quelle gepresst - deutlich langsamer und mit geringerem Druck, als es bei der zuvor ohne Erfolg versuchten "Top Kill"-Methode der Fall war.

Am Mittwoch meldete BP, dass der Schlamm dem gewaltigen Öldruck standhalte. Damit sei ein "wichtiger Meilenstein" erreicht, hieß es in einer Mitteilung des Konzerns. Die Aktion habe das "gewünschte Ergebnis" erzielt. Möglich ist aber, dass später erneut Schlamm nachgefüllt werden muss. Wenn die Lage stabil bleibt, wird die nächste Etappe darin bestehen, Zement auf demselben Weg in das Bohrloch zu pressen, um das obere Ende dauerhaft zu verschließen.

"Die Bohrung ist stillgelegt. Ab diesem Punkt kann nicht mehr viel passieren", sagte Catalin Teodoriu vom Institut für Erdöl- und Erdgastechnik der Technischen Universität Clausthal. "Es gibt nur die sehr, sehr kleine Gefahr, dass sich Gas aus der Ölquelle in dem eingepressten Gemisch löst und den Schlammpfropf so instabiler werden lässt. Dann könnte doch wieder Öl hochkommen."

Die endgültige Versiegelung soll laut BP mit dem sogenannten "Bottom Kill"-Verfahren erfolgen. Dabei wird durch eine Entlastungsbohrung auch am unteren Ende der Bohrleitung Schlamm und Zement eingefüllt. Seit fast drei Monaten arbeiten Ingenieure an den zwei Vorstößen. Für den Fall, dass die erste Bohrung ihr Ziel verfehlt, soll die zweite in einigen Wochen eine weitere Chance offenhalten.

BP hatte zuvor angedeutet, dass der "Bottom Kill" bei einem Erfolg des "Static Kill"-Verfahrens überflüssig werden könnte. Dem aber widersprach die US-Regierung vehement. "Die Sache wird nicht erledigt sein, ehe die Entlastungsbohrung abgeschlossen ist", sagte Küstenwachen-Admiral Thad Allen, der Ölpest-Sonderbeauftragte von US-Präsident Barack Obama. Der "Static Kill" sei nicht mehr als ein Diagnosetest, der viel über den Zustand des Bohrlochs und dessen Drucktoleranz verraten könne. Aber "auf lange Sicht" sei der "Bottom Kill" die einzige Lösung, das Ölleck endgültig zu verschließen. "Dazu kann es keine zwei Meinungen geben", sagte Allen. "Ich führe das Kommando, und auf diese Weise wird es enden."

Bilanz des Schreckens

Sollte dieser Plan gelingen, wäre es wohl das endgültige Ende einer Katastrophe, die sich von einem zunächst unterschätzten Unfall zur größten Ölkatastrophe in Friedenszeiten entwickelt hat. Nachdem es am 20. April zur verheerenden Explosion auf der "Deepwater Horizon" kam, stand zunächst nur fest, dass elf Arbeiter ums Leben gekommen waren.

In den ersten Meldungen war die Rede davon, dass die Behörden fürchteten, 2,5 Millionen Liter Öl könnten in den Golf von Mexiko gelangen. Schlimmstenfalls, so hieß es zwei Tage nach der Explosion, könnten täglich rund 1,2 Millionen Liter aus dem beschädigten Bohrloch strömen. Anschließend hatte BP wochenlang behauptet, dass nur rund 5000 Barrel Öl (rund 800.000 Liter) pro Tag ausfließen.

Doch das wahre Ausmaß der Katastrophe lässt diese Zahlen geradezu winzig erscheinen. Auf dem Höhepunkt sprudelten bis zu 9,5 Millionen Liter pro Tag ins Meer, die sich nach jüngsten Schätzungen zu der unvorstellbaren Menge von 780 Millionen Litern summiert haben.

Das Unglück hat deutlich gemacht, wie schlecht die Ölindustrie auf Unfälle bei Tiefseebohrungen vorbereitet ist. Bei der "Deepwater Horizon" sollte ein sogenannter Blowout-Preventer den unkontrollierten Austritt von Öl aus dem Bohrloch verhindern. Als jedoch klar war, dass das Ventil versagt hatte und irreparabel beschädigt ist, reagierten die BP-Manager zunächst ratlos. Bekannt wurden auch teilweise skandalöse Schlampereien bei der Kontrolle durch die Behörden.

Mehrere Versuche, das sprudelnde Leck zu schließen, endeten kläglich. So sollte im Juli eine gewaltige Stahlkappe das Leck verschließen. Der Versuch scheiterte aber daran, dass sich in der eisigen Tiefe von rund 1600 Metern Eiskristalle bildeten und die Leitungen verstopften, durch die das Öl abgepumpt werden sollte. Auch andere Methoden, etwa das "Top Kill"-Verfahren, funktionierten nicht.

So trat ein, was anfangs noch als Horrorvorstellung galt: Das Öl floss wochenlang ungehindert ins Meer.

Die zehn größten Öl-Unfälle auf dem Meer

Datum Bezeichnung Eigner Unglücksort Freigesetzte Ölmenge (Tonnen) Ursache
April 2010 Deepwater Horizon BP Golf von Mexiko 670.000 (Stand 2. August 2010) Unglück auf Bohrinsel Deepwater Horizon. Blowout.
Juni 1979 Ixtoc I Pemex Golf von Mexiko 450.000 bis 480.000 Unglück auf einer Ölplattform. Blow-out.
Juli 1979 Atlantic Empress griechisches Schiff, in Liberia registriert vor Tobago, Karibische Inseln 287.000 Tankerunglück. Kollision mit dem Tanker "Aegean Captain".
Februar 1983 Nowruz-Ölfeld ? Persischer Golf 260.000 Kollision Tanker mit Bohrinsel, Kriegsfolgen des ersten Golfkriegs.
August 1983 Castillo De Bellver ? Saldanha Bay, Südafrika 252.000 Tankerunglück. Brand.
März 1978 Amoco Cadiz BP (GB) / Amoco (USA) vor der bretonischen Küste 223.000 Tankerunglück. Ruderausfall mit anschließendem Felsenauflauf.
Mai 1991 ABT Summer ? 1000 km vor Angola 49.000 bis 255.000 Tankerunglück.
April 1991 Haven Amoco (USA) Golf von Genua, Italien 144.000 Tankerunglück. Brand.
November 1988 Odyssey ? Kanada 132.000 Tankerunglück. Brand.
März 1967 Torrey Canyon Unocal (USA), gechartert von BP (GB) vor der Küste Südenglands 119.000 Tankerunglück. Kollision mit Riff.
Quelle: Wikipedia
mbe/AFP/AP/Reuters/dpa
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