
Great Barrier Reef Die Korallen erblassen


Korallen unter Stress: Eine Karte aus dem April - rot zeigt hohen Wärmestress.
Foto: NOAA/ CRW
Wie ein Nachruf auf eines der spektakulärsten Naturwunder hört sich der Text an: "Das Great Barrier Reef in Australien ist nach langer Krankheit 2016 gestorben. Es war 25 Millionen Jahre alt."
Es ist eine Polemik, mit der Autor Rowan Jacobsen im Oktober wachrütteln will. Aber auch Wissenschaftler schlagen Alarm: Das größte Korallenriff der Welt sei nach der schlimmsten je registrierten Korallenbleiche sozusagen auf der Intensivstation.
"Die Korallen haben 400 Millionen Jahre Veränderungen auf dem Planeten überlebt, aber wenn jetzt nicht weltweit deutlich mehr gegen den Klimawandel getan wird, haben wir im Jahr 2100 höchstens noch hier und da ein paar Korallen, aber keine Riffe mehr", sagt David Wachenfeld, bei der Marineparkbehörde (GBRMPA) für die Wiederherstellung des Riffs verantwortlich.
Korallenriffe sind zwar auch eine Touristenattraktion und ein Wirtschaftsfaktor. So bringen die Besucher rund fünf Milliarden australische Dollar (3,5 Milliarden Euro) pro Jahr ins Land, und der Sektor beschäftigt 70.000 Menschen.
Eine entscheidende Rolle haben Korallenriffe jedoch für den Lebensraum Meer: Sie sind die Kinderstube zahlreicher Fischarten. Wenn sich die kleinen Fische in den Korallen nicht mehr vor Raubfischen verstecken können, werden sie gefressen, bevor sie ausgewachsen sind und sich fortpflanzen. Die Folge: ein dramatischer Rückgang der weltweiten Fischbestände.
2016 war ein Krisenjahr für das Great Barrier Reef. Extrem hohe Wassertemperaturen, teils 33 Grad, haben besonders im nördlichen Teil des 2300 Kilometer langen Riffsystems mit unzähligen Korallenbänken verheerende Folgen gehabt.
Korallen sind Nesseltiere, die mit Algen in einer Gemeinschaft zum gegenseitigen Nutzen leben. Bei hohen Temperaturen werden die Algen giftig, die Korallen stoßen sie ab und verlieren ihre Farbe, was zum Tod der Korallen führen kann - aber nicht muss.
Viele Algen kommen zurück, wenn das Wasser wieder kühler wird - wie viele Korallen also gestorben sind, wird sich erst noch zeigen.
Korallen unter Stress: Eine Karte aus dem April - rot zeigt hohen Wärmestress.
Foto: NOAA/ CRWJedenfalls waren im Frühjahr von Flugzeugen aus kilometerweit weiße Korallenstöcke zu sehen. Ihm seien bei einem Überflug die Tränen gekommen, berichtete Terry Hughes, der das Institut für Korallenforschung an der James Cook-Universität leitet.
In einer 700 Quadratkilometer großen Region - eine Fläche fast so groß wie Hamburg - seien mehr als zwei Drittel der Korallen abgestorben. Es gab schon zwei Bleichen, 1998 und 2002, aber nichts von derartigem Ausmaß.
Auch früher nicht, wie Hughes betont: Ähnlich wie bei Bäumen an den Jahresringen kann man in Korallenstöcken ablesen, ob sie in längst vergangenen Jahren Stresssituationen erlebt haben. Nichts dergleichen sei bekannt.
Auslöser war das Klimaphänomen El Niño, das alle paar Jahre die Oberflächentemperaturen im Pazifik aufheizt. Das habe es seit der letzten Eiszeit 2000 Mal gegeben, sagt Hughes. Aber früher scheinen die Korallen widerstandsfähiger gewesen zu sein, womöglich weil sie durch andere Einflüsse wie Wasserverschmutzung nicht angegriffen waren.
Außerdem war die des Wassers meist niedriger. "El Niño löst erst Korallenbleichen aus, seit der Klimawandel die Wassertemperatur in die Gefahrenzone getrieben hat", meint Hughes.
Für den Tourismus sind die Folgen der jüngsten Bleiche noch überschaubar. Die Region südlich von Cairns, von der die meisten Touristenboote aus starten, war deutlich weniger betroffen, wie die Korallenforscher festgestellt haben.
Südlich von Mackay starb nur ein Prozent der Korallen ab - die anderen erholten sich trotzt Bleiche schnell. "Die Korallen dort haben ihre bunten Farben wieder und die Riffe sind in gutem Zustand", sagte Korallenforscher Andrew Baird nach einer Tauchmission im Oktober und November.
Im Norden ist die Lage schlimmer: wegen des massiven Korallensterbens könnte es dort zehn bis 15 Jahre dauern, bis die Korallendecke wieder wächst, schätzen die Experten.
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Das Great Barrier Reef in Australien hat in diesem Jahr die schlimmste Korallenbleiche seit Beginn der Aufzeichnungen erlebt.
Die australische Politikerin Pauline Hanson (Mitte) verschaffte sich bei einem Tauchgang zusammen mit australischen Meeresforschern einen Eindruck vom Ausmaß der Zerstörung.
In einer 700 Quadratkilometer großen Region im nördlichen Teil des mehr als 2300 Kilometer langen Riffs sind zwei Drittel der Korallen abgestorben.
Bunte Fische, braune Algen: Laut den Forschern haben manche Korallenbänke keine lebenden Korallen mehr.
Forscher vermessen und kartieren den Meeresboden - ob sich die Korallen erholen, ist ungewiss.
Meeresboden in Schwarz-Weiß: Als Bleiche wird ein Verblassen der farbenprächtigen Steinkorallen bezeichnet, wenn Algen wegen warmem Wassers sich aus den Korallen zurückziehen.
Bei zu hohen Wassertemperaturen stoßen die Nesseltiere die für ihre Färbung sorgenden Algen ab. Sonst leben sie mit den Algen in einer Gemeinschaft mit gegenseitigem Nutzen. Kommen die Algen bei abkühlendem Wasser zurück, ist die Bleiche zu Ende. Manche Korallen aber sterben zuvor.
Rote Backsteine, grauer Novemberhimmel: Wer das ZMT von außen sieht, vermutet nicht unbedingt, dass im Inneren...
...bunte Korallen- und Fischwelten zu sehen sind. ZMT steht für Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie.
"Ich kann mir eine Welt ohne Koalas vorstellen, ohne Korallen aber nicht", sagt Andreas Kunzmann.
Lisa Röpke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZMT und züchtet Korallen.
Ein Versuchsaufbau im Aquarium: Links die Korallenkolonien (Pocillopora damicornis). Rechts befinden sich kleine Keramikplättchen, auf denen sich die Korallenlarven ansiedeln sollen.
Und es klappt: Auf dem zweiten Sockel ist eine drei Wochen alte Koralle.
Hier ist ein vier Monate altes Exemplar - bis dahin ist es ein langer Weg.
Aquariumshygiene ist wichtig: Röpke reinigt die Scheiben des Aquariums - am besten eignet sich dazu eine alte Kreditkarte.
So sehen die Korallenlarven wenige Stunden nach dem Ablaichen aus.
Und hier der seitliche Blick auf die Larven, die an der Oberfläche treiben.
Nach drei Tagen im Wasser beginnen die Larven zu siedeln.
Hier sind die Korallen schon sechs Tage alt und wurden im UV-Licht fotografiert.
So sehen die Baby-Korallen unter dem Mikroskop aus.
In dieser vier Tage alten Koralle haben sich schon die Zooxanthellen eingenistet, die kleinen braunen Punkte. Zooxanthellen sind einzellige Algen, die in einer Symbiose mit den Korallen leben.
Von Bremen in die Welt: Das ZMT schickt Röpke und ihren Kollegen oft in die Tropen, damit sie dort Feldforschung betreiben können.
Eine UV-Licht-Aufnahme einer Korallenkolonie.
Hier noch einmal von der Seite: Die Zooxanthellen erscheinen wieder als braune Punkte.
Ist das die Rettung der Korallenriffe? Die NGO Secore experimentiert mit Tetrapoden, auf denen sich Korallen gerne ansiedeln - die sollen dann von Booten verstreut werden.