Greenpeace-Chef Naidoo "Wir brauchen neue Formen des zivilen Ungehorsams"

"Tief enttäuscht" ist Greenpeace-Chef Kumi Naidoo vom Ergebnis des Kopenhagener Gipfels. Die vom Klimawechsel betroffenen Menschen seien betrogen worden. "Dieses Jahr ist ein Desaster" für den Planeten, bilanziert er im Interview mit SPIEGEL ONLINE - und fordert neue Formen des zivilen Widerstandes.
Kumi Naidoo: "Für die Zivilgesellschaft ist Kopenhagen ein Weckruf"

Kumi Naidoo: "Für die Zivilgesellschaft ist Kopenhagen ein Weckruf"

Foto: ADRIAN DENNIS/ AFP

SPIEGEL ONLINE: Herr Naidoo, mit welchem Gefühl reisen Sie aus Kopenhagen ab?

Kumi Naidoo: Wir sind hier hingekommen und wussten, dass es ein harter Kampf werden würde. Die Länder, die hier Führerschaft zeigen mussten, sind genau jene, die in der Vergangenheit immer gekniffen haben. Und wenn am Ende das herauskommt, was von Obama präsentiert wurde, verlassen wir diese Stadt mit dem Gefühl, dass die ärmsten und vom Klimawandel betroffenen Menschen betrogen wurden.

SPIEGEL ONLINE: Sie klingen vollkommen verärgert.

Naidoo: Ich bin tief enttäuscht und traurig. Ärger ist nicht das richtige Wort. Ich wollte nicht zu Weihnachten nach Hause fahren und meiner Tochter in die Augen schauen und sagen, dass wir für ihre Zukunft gekämpft und verloren haben. Wenn hier noch irgendein Politiker einen Funken Anstand hat, dann muss er genau das seinen Kindern sagen. Und wenn Sie mich fragen, was ich wirklich fühle, dann sage ich Ihnen: Furcht.

SPIEGEL ONLINE: Wovor?

Naidoo: Furcht vor der Zukunft. Ich habe keine Ahnung, was uns wieder zurückbringen könnte auf einen guten Pfad, und Angst, dass wir die größte Gelegenheit zu einem Umsteuern verpasst haben.

SPIEGEL ONLINE: Besitzen Sie noch irgendeine Hoffnung für den nächsten Klimagipfel Ende 2010 in Mexiko?

Naidoo: Wir müssen schon vorher wieder den Klimaprozess retten, im Februar in Bonn oder im Sommer in Bonn. Unterm Strich ist es doch so: Wir verlieren doch schon jetzt Menschenleben wegen des Klimawandels. Und dann kommt eine Absichtserklärung heraus, die so große Löcher hat, dass man mit der Air Force One hindurchfliegen könnte.

SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Naidoo: Wir dachten, der Schwung, den die jungen Leute mit ihren Protesten hier nach Kopenhagen gebracht haben, wäre das gewesen, was die Politiker gebraucht hätten. Wir müssen noch mehr junge Leute erreichen. Ich denke, wir haben Erfolg gehabt, dass hier nicht nur Umweltschutzorganisationen gekämpft haben. Zum ersten Mal hatten wir hier Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaftlergruppen, religiöse Gruppierungen.

SPIEGEL ONLINE: Aber der Einsatz hat nicht zum Erfolg geführt.

Naidoo: Für die Zivilgesellschaft ist Kopenhagen ein Weckruf, dass es mit dem politischen Druck nicht ausreicht. Dieses Jahr ist ein Desaster für unseren Planeten, weswegen wir neue Formen des friedlichen zivilen Ungehorsams finden müssen. Und wenn wir dadurch die Gefängnisse füllen.

SPIEGEL ONLINE: Von welchem Staat waren Sie am meisten enttäuscht?

Naidoo: Ehrlich gesagt, von den USA. Die haben doch tatsächlich kümmerliche vier Prozent Treibhausgas-Reduzierung angeboten, wenn man sich die Zahlen richtig betrachtet und mit dem Referenzjahr 1990 vergleicht. Sie haben auch die geringste Summe bei der Soforthilfe für die Entwicklungsländer geboten. Stattdessen haben sie den politischen Willen, Billionen an Dollar lockerzumachen, um die Banken und die Boni der Banker zu retten.

SPIEGEL ONLINE: Was ist Ihre historische Lehre?

Naidoo: Der Kampf für Gerechtigkeit ist ein Marathon.

Das Interview führte Gerald Traufetter
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