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Grönlandwal: Uralt und gesund

Foto: Kate Stafford/ Cell Reports 2015

Geheimnis des Alterns Was den Grönlandwal 200 Jahre leben lässt

Grönlandwale können über 200 Jahre alt werden und bekommen keinen Krebs. Genanalysen zeigen, was sie so widerstandsfähig macht. Nun hoffen Forscher, dass irgendwann auch der Mensch von den Erkenntnissen profitieren kann.

Napoleon Bonaparte versuchte der Verbannung zu entfliehen, Friedrich Wilhelm III ließ Preußen auf dem Wiener Kongress in zehn Provinzen unterteilen, und irgendwo im arktischen Ozean gebaren Grönlandwalweibchen ihre Kälber. Alle Ereignisse sind etwa 200 Jahre her, von den Protagonisten leben jedoch nur noch die damaligen Walkälber. Grönlandwale gelten als Säugetiere mit der höchsten Lebenserwartung. Was sie so lange gesund hält, haben Forscher nun untersucht.

"Aus meiner Sicht ist es so, dass unterschiedliche Spezies verschiedene Tricks entwickelt haben, die ihnen ein längeres Leben ermöglichen", erklärt João Pedro de Magalhães von der University of Liverpool. "Indem wir die Tricks der Grönlandwale aufdecken, können wir diese Erkenntnisse möglicherweise auf Menschen übertragen, um typische Alterserkrankungen zu bekämpfen."

Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerativen Krankheiten gehören viele Krebsarten zu den Krankheiten, an denen Menschen typischerweise im Alter erkranken. Der Grund: Krebs entsteht, wenn das Erbgut beschädigt wird. Je häufiger sich Zellen bereits geteilt haben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit dafür. Grönlandwale allerdings bleiben bis ins hohe Alter gesund, obwohl sie tausendmal so viele Zellen besitzen wie der Mensch. Das deutet darauf hin, dass sie sich besser vor Krebs schützen können, berichten die Forscher um de Magalhães im Fachmagazin Cell Reports .

Doppelter Schutz hält besser

Die Wissenschaftler haben das Genom der Grönlandwale unter anderem mit dem von Minkwalen verglichen. Die Arten sind eng verwandt und pflegen einen ähnlichen Lebensstil. Seit sie sich vor etwa 25 Millionen Jahren getrennt haben, hat der Minkwal es allerdings nur bis zu einer maximalen Lebenserwartung von etwa 50 Jahren geschafft. Was also macht den Grönlandwal so besonders?

Die Forscher entdeckten, dass zwei Gene im Erbgut der Wale so verändert sind, wie bei keinen anderen der Vergleichstiere, darunter neben den Minkwalen auch Große Tümmler, Orkas, aber auch Kühe und Mäuse. Beide Gene haben Einfluss auf die Lebenserwartung:

  • Eine Besonderheit betrifft das Gen ERCC1, das die Reparatur von Erbgutschäden steuert und so den Krebsschutz erhöht. Außerdem geht man davon aus, dass es den Alterungsprozess verlangsamen kann.
  • Zudem haben Grönlandwale offenbar ein einzigartiges PCNA-Gen. Auch dieses ist daran beteiligt, Schäden am Erbgut zu reparieren.

Langsamer, aber älter

Als nächstes wollen die Forscher nun Mäuse mit den speziellen Grönlandwal-Genen züchten und testen, ob sie durch die Veränderung des Erbguts länger leben oder länger gesund bleiben. Außerdem wollen sie herausfinden, welchen Anteil das jeweilige Gen am langen Leben und am Krankheitsschutz hat. Verlaufen die Tests in den Mäusen erfolgreich, könnte auch geprüft werden, ob entsprechend veränderte menschliche Zellen widerstandsfähiger werden.

Das Genom der Grönlandwale ist das erste fast vollständig entzifferte unter den großen Walen. So könnten die Ergebnisse auch zu erklären helfen, wie sich die Tiere an ihre enorme Größe angepasst haben. Die Zellen der Wale hätten einen deutlich langsameren Stoffwechsel als kleinere Säugetiere, berichten die Forscher. Außerdem fanden sie Veränderungen in einem Gen, das die Körpertemperatur steuert. Ihre Daten stellen Magalhães und Kollegen anderen Wissenschaftlern online zur Verfügung .

In Bezug auf die Langlebigkeit waren andere Wissenschaftler zuvor bei anderen Tierarten zu vergleichbaren Ergebnissen gekommen wie die Forscher in der aktuellen Studie. Sie berichteten, dass langlebende Tiere wie etwa Nacktmulle, die älter werden als jedes andere Nagetier, ähnliche genetische Besonderheiten besitzen wie Grönlandwale.

jme
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