Vögel im Straßenverkehr Größeres Gehirn, größere Überlebenschance

Vögel mit kleineren Gehirnen werden häufiger von Jägern erschossen als solche mit größeren Gehirnen. Auch im Straßenverkehr kommen sie häufiger um, zeigt jetzt eine neue Studie.

Größeres Gehirn gleich leistungsfähigere Kreatur - so heißt es oft. Zumindest auf Vögel bezogen lässt sich das statistisch belegen. Denn Federvieh mit einem größeren Denkorgan werden seltener Opfer von Unfällen mit Autos oder Lastwagen.

Bei einer Untersuchung von mehr als 3500 toten Vögeln wiesen diejenigen, die durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren, im Durchschnitt ein kleineres Gehirn auf als Vögel, die auf andere Weise gestorben waren. Das Gewicht von Leber, Herz und Lunge unterschied sich hingegen nicht, berichten Anders Pape Møller von der Université Paris-Saclay (Frankreich) und Johannes Erritzøe vom House of Bird Research in Christiansfeld (Dänemark) im Fachmagazin "Royal Society Open Science". 

Die meisten der untersuchten Vögel stammten aus einer Sammlung, die Erritzøe von 1960 bis 2015 zusammengetragen hat. Präparatoren sind in Dänemark gesetzlich dazu verpflichtet, Angaben zur Todesursache eines von ihnen verwendeten Tieres zu machen. Erritzøe registrierte zusätzlich eine Reihe von Körpermerkmalen, darunter die Gehirngröße, auf 0,01 Gramm genau. Diese Daten unterzog Møller statistischen Untersuchungen.

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Zunächst rechnete er den Einfluss der Vogelart (251 verschiedene Arten), Alter und Geschlecht der Tiere sowie das Körpergewicht als statistische Größen heraus. Dann ermittelte er, ob es einen Zusammenhang zwischen Gehirngröße und Unfallwahrscheinlichkeit der Vögel gab. Das Ergebnis: Der Anteil der Verkehrstoten lag unter Vögeln mit verhältnismäßig kleinen Gehirnen bei rund 60 Prozent und sank mit zunehmender Gehirngröße auf schließlich null Prozent ab.

342 Millionen tote Vögel durch Verkehrsunfälle

Dass die Verkehrsunfälle die evolutionäre Entwicklung des Gehirns beeinflussen, glauben die Forscher nicht. Sie schätzten, dass weltweit jährlich etwa 342 Millionen Vögel bei Verkehrsunfällen sterben. Bezogen auf die rund 300 Milliarden Vögel, die es Schätzungen aus einer anderen Studie zufolge auf der Welt gibt, haben Verkehrsunfälle bei den verschiedenen Todesursachen der Tiere demnach gerade mal einen Anteil von 0,114 Prozent.

"Dies ist eine außerordentlich kleine Sterberate, die keinen erheblichen Einfluss auf die Mikro-Evolution hat", schreiben die Forscher. Todesfälle durch Verkehrsunfälle könnten demnach nur in sehr geringem Maße dafür sorgen, dass die durchschnittliche Gehirngröße bei Vögel mit der Zeit größer werde.

Møller und Erritzøe verweisen auf zwei andere Studien, die die Anpassung von Vögeln an den Straßenverkehr demonstrieren. So habe eine Studie von 2013 gezeigt, dass Vögel ihre Risikobereitschaft an die Geschwindigkeitsbeschränkung auf einzelnen Straßen anpassen könnten. Im selben Jahr ergab eine Studie mit Amerikanerkrähen (Corvus brachyrhynchos), dass sie das Prinzip von zwei verschiedenen Fahrtrichtung verstanden haben: Wenn Autos nur aus einer Richtung kamen, erkannten sie, dass sie sich gefahrlos auf der Gegenfahrbahn aufhalten konnten, um Aas zu fressen.

Eine Frage der Intelligenz?

Ob aber tatsächlich Intelligenz bei Unfällen eine Rolle spielt, konnten die Forscher durch ihre Studie nicht zeigen. Sie ermittelten nur statistische Daten - die Gründe für mehr tote Vögel mit kleineren Gehirnen im Straßenverkehr könnten theoretisch auch andere sein.

2016 hatten Møller und Erritzøe jedoch bereits in einer Studie aufgezeigt, dass die Gehirngröße bei Vögeln auch mit dem Risiko zusammenhängt, von einem Jäger erschossen zu werden . Sie werteten es als Hinweis darauf, dass Vögel mit größeren Gehirnen womöglich besser die Gefahr erkennen können, die für sie von einem Jäger ausgeht.

joe/dpa

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