Artenschutzdebatte in Großbritannien Krieg der Hörnchen

In Großbritannien könnten Grauhörnchen die heimischen roten Eichhörnchen schon bald komplett verdrängen. Ein Nebeneinander beider Arten ist nicht möglich. Was also tun? Und wie schmeckt eigentlich Grauhörnchen?
Grauhörnchen in einem Londoner Park. Vor der Taube im Hintergrund hat es keine Angst.

Grauhörnchen in einem Londoner Park. Vor der Taube im Hintergrund hat es keine Angst.

Foto: Kirsty Wigglesworth/ ASSOCIATED PRESS

In London sind sie allgegenwärtig. Spaziergänger im St. James's Park unweit des Buckingham-Palasts müssen nicht lange warten, bis ein Grauhörnchen ihren Weg kreuzt. Doch viele Briten mögen die kleinen Tierchen nicht sonderlich, die Nager stehen auch auf einer EU-Liste unerwünschter Arten.

Die aus Nordamerika stammenden Grauhörnchen haben dafür gesorgt, dass rote Eichhörnchen, wie sie auch in Deutschland vorkommen, in weiten Teilen des Landes verschwunden sind. Mehrere Initiativen wollen die Invasion der Grauhörnchen daher mit teils rabiaten Methoden stoppen.

Alles begann, als britische Adlige Ende des 19. Jahrhunderts Grauhörnchen nach Großbritannien brachten, um sie in den Parks ihrer Herrenhäuser anzusiedeln. Die Tiere breiteten sich rasant aus - und verdrängten ihre einheimischen, rötlichen Verwandten.

Hoffnung im Hochland

Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) unterscheiden sich abgesehen von der Fellfarbe von ihren europäischen Cousins (Sciurus vulgaris) vor allem in ihrer Statur: Sie sind größer und kräftiger. Zudem haben sie im Winter keine Ohrpinsel. Experten gehen davon aus, dass die roten Eichhörnchen in etwa 35 Jahren landesweit verschwunden sein könnten.

Manchmal gibt es zumindest Lichtblicke. So teilte die Umweltorganisation Trees for Life kürzlich mit, dass sich die rote Art im Hochland von Schottland wieder ausbreitet. Die im vergangenen Jahr im Nordwesten wieder angesiedelten Tiere eroberten ihre Umgebung. "Das könnte eine Erfolgsstory werden", hofft Trees for Life. Aber: Vermeldet werden nur erste Beobachtungen, offiziell gezählt wird erst im nächsten Frühjahr.

"Der Grauhörnchen-Bestand wird heute auf 2,5 Millionen geschätzt, während es noch etwa 140.000 Eichhörnchen gibt", sagt Cathleen Thomas von Red Squirrels United, einer Organisation, die sich der Rettung der roten Eichhörnchen verschrieben hat.

Ein Nebeneinander beider Hörnchenarten sei nicht möglich, erklärt die Ökologin. "Grauhörnchen tragen ein Pockenvirus in sich. Während sie selbst keine Symptome zeigen, können Eichhörnchen innerhalb von zehn Tagen daran sterben." Dazu kommt: Viele rote Eichhörnchen sind auch mit gefährlichen Lepra-Bakterien infiziert.

Die Rettung der roten Eichhörnchen ist den Briten eine Herzensangelegenheit. Selbst das Königshaus interessiert sich für das Thema: "Das rote Eichhörnchen ist eines der absolut bezauberndsten und unwiderstehlichsten einheimischen Säugetiere Großbritanniens", schwärmt Prinz Charles. Er könne den Gedanken nicht ertragen, dass die Tiere eines Tages verschwänden.

Der Thronfolger unterstützt eine Initiative, die die Grauhörnchen mit Fallen dezimieren will. Gefangene Tiere werden medikamentös unfruchtbar gemacht. Andere favorisieren rabiatere Ansätze. Cathleen Thomas von Red Squirrels United etwa berichtet von einer Aktion, bei der die Grauhörnchen gefangen und auf "humane Weise" getötet werden.

Fleisch aus dem Onlineshop

Vor allem in den letzten Rückzugsgebieten der rötlichen Art, etwa in Nordengland, sollen Freiwillige zugewanderte Grauhörnchen melden. Wer sich das zutraut, kann sich auch für das Töten der Tiere ausbilden lassen.

Für John Bryant von der Tierschutzorganisation Humane Wildlife Deterrence Association ist das Unsinn. Er findet, der Mensch solle nicht in den Wettkampf der Arten eingreifen. Auch die roten Eichhörnchen seien vor langer Zeit nach Großbritannien eingewandert, meint er. "Ich denke, die Menschen wollen zurück zu den sogenannten 'guten, alten Zeiten', als alles hier noch britisch war."

In Deutschland sind die roten Eichhörnchen noch nicht gefährdet. Zwar wurden Grauhörnchen in Norditalien beobachtet. Vorkehrungen, um sie von der Wanderung nach Deutschland abzuhalten, seien aber noch nicht notwendig, sagt Stefan Bosch vom Naturschutzbund Baden-Württemberg. Jedoch sei das Importieren und Aussetzen gesetzlich streng verboten.

Für getötete Grauhörnchen lässt sich übrigens durchaus Verwendung finden: Einige Restaurants setzen die Tiere auf ihre Speisekarte. So das "The Jugged Hare" in London - allerdings nur gelegentlich, da "die Nachfrage nicht groß" sei, erzählt eine Mitarbeiterin. Bei dem Unternehmen The Wild Meat Company, wo man Grauhörnchen-Fleisch bestellen kann, gelten die Nager hingegen als Verkaufshit. "Die Tiere sind bei uns sehr beliebt", sagt Firmensprecherin Annabel Warne.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Angabe zum Lepra-Erreger bei roten Eichhörnchen korrigiert.

chs/Sarah Wagner, dpa
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