
Handaufzucht Gorilla verweigert Paarung
"It's time to say 'see you later' to Patrick", schreibt der Dallas Zoo auf seiner Homepage. Wegen unsozialen Verhaltens lebt der Gorillamann hier in einem Einzelgehege. Er bedroht seine Artgenossen, an Paarung ist nicht zu denken. "Über Jahre haben wir versucht eine Beziehung für Patrick zu arrangieren, mit wenig Erfolg", heißt es von offizieller Seite. Nun muss der stattliche Affenmann gehen. Seine Chance auf Nachwuchs hat er vorerst vertan: Er zieht in eine Junggesellen-WG.
"Dass sich nicht alle Gorillamännchen fortpflanzen ist in der Natur nicht ungewöhnlich", sagt Daniela Hedwig vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Die Tiere leben zusammen in Gruppen mit einem dominanten Männchen. Vor allem dieses paart sich mit den Weibchen. Andere geschlechtsreife Männchen versucht es zu unterdrücken. Wenn sich die Unterlegenen allein bessere Chancen ausrechnen, verlassen sie die Gruppe.
"Berggorillas ziehen dann einige Jahre allein oder zusammen mit anderen Männchen in sogenannten Bachelorgruppen durch den Wald", erklärt Hedwig. "Die Männchen wollen aber eigentlich nicht zusammen leben und versuchen, eine eigene Gruppe Weibchen um sich zu scharen."
Eine Frage der Symphatie
Auch Patrick lebte zunächst in einer Bachelorgruppe zusammen mit einem Gorillamännchen, das er schon seit seiner Kindheit kannte. Mit ihm pflegte er eine freundschaftliche Beziehung. Mit anderen Gorillas gelang die Vergesellschaftung dagegen nicht: Zwei verschiedene Weibchengruppen stellten die Pfleger Patrick vor. Ein Weibchen soll er gebissen haben. Bei der letzten Zusammenführung im November 2011 habe der Gorilla die Weibchen zwar toleriert, die Beziehung der Tiere habe sich aber nie zu einer stabilen Gruppe entwickelt, heißt es von Seiten des Zoos.
Die vom Aussterben bedrohten Berggorillas in Gefangenschaft zu vergesellschaften ist ein langwieriges Unterfangen: "Das kann schon mal Wochen dauern oder sogar Monate", erzählt Udo Nagel, Zoodirektor in Rostock. "Als erstes kommen die Gorillas in das gleiche Gebäude." Dort könnten sie sich über den Geruch und Geräusche aneinander gewöhnen. Im zweiten Schritt dürfen die Tiere sich über Glasscheiben sehen oder durch Gitterschieber Kontakt aufnehmen. Es komme auch vor, dass sich die Tiere gar nicht verstehen.
Die Weibchen entscheiden
Patrick steht in seinem Neuen zu Hause im Riverbanks Zoo in Columbia Ähnliches bevor: Zunächst wird er allein leben, die anderen Gorillas, alles Männchen, aber riechen und hören können. Anschließend soll versucht werden, ihn in einem weitläufigen Gehege mit ihnen zu vergesellschaften. "In der Vergangenheit ist klar geworden, dass der Gorilla vorzieht allein zu leben", sagt Lynn Kramer vom Zoo in Dallas.
Freilandforscherin Hedwig hat einen anderen Blick auf das Verhalten des Affen: "In freier Wildbahn suchen sich die Weibchen die Männchen aus, nicht umgekehrt", erklärt sie. Es könne demnach gut sein, dass die Weibchen den Gorilla schlicht ablehnten. "Dass ein Gorillamännchen ein Weibchen beißt, ist nicht ungewöhnlich. Wir vermuten, dass das Männchen so Stärke demonstriert."
Von der Mutter verstoßen, auf Menschen geprägt
Männliche Gorillas paaren sich erstmals im Alter von etwa 15 Jahren. Patrick ist 23 und wiegt knapp 200 Kilogramm - ein stattliches Gorillamännchen. Geboren wurde er 1990 im Bronx Zoo, allerdings von seiner Mutter verstoßen. Im Zoo in Toronto wuchs er gemeinsam mit einem anderen Gorillamännchen in Handaufzucht auf, bevor beide Affen im Alter von fünf Jahren gemeinsam nach Dallas kamen.
"Gorillaweibchen stoßen ihre Jungen aus den unterschiedlichsten Gründen ab", erzählt Nagel. "Generell muss man sagen, dass die Handaufzucht immer nur die zweitbeste Variante gegenüber der natürlichen Aufzucht ist." Letztlich sei es aber immer eine Einzelfallentscheidung, die im Interesse des Mutter- und Jungtieres getroffen werden müsse.
Auch wenn Zoos versuchen Handaufzuchten möglichst früh mit anderen Gorillas zusammenzubringen, besteht immer die Gefahr, dass die Tiere zu stark auf den Menschen geprägt werden. "Dass Patrick von Hand aufgezogen wurde, spielt sicher eine Rolle in seinem Sozialverhalten", sagt Hedwig. Handaufzuchten hätten es schwerer, den sozialen Kodex der Gorillas zu lernen.
Patrick scheint stark auf Menschen geprägt zu sein: Der Zoo berichtet, er interagiere gern mit Besuchern. Menschen gegenüber sei er gesellig und genieße die Trainingseinheiten mit seinen Pflegern. Schon kurz nach seinem Einzug im Zoo in Dallas habe der Gorillamann oft am Fenster seines Geheges gesessen und auf die lackierten Fußnägel von Besuchern gedeutet. Menschen mag er. Ob er auch die Gorillamännchen in Columbia tolerieren wird, bleibt abzuwarten.