Hitze Ist das noch Wetter oder schon Krise?

Trockene Äcker in Oberursel (Hessen): "Damit ist eine Zuschreibung zum Klimawandel gegeben"
Foto: Jan Eifert/ imago imagesWas ist der Grund für die hohen Temperaturen?
Noch nie war es in Deutschland so heiß wie am Donnerstag im niedersächsischen Lingen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat den neuen Hitzerekord seit Beginn der Wetteraufzeichnungen von 42,6 Grad inzwischen bestätigt. Der Grund für die Hitze: Ein Hoch- und ein Tiefdruckgebiet treiben trockene Saharaluft Richtung Europa. Dadurch ist es auch nicht so schwül.
Angetrieben werden die Luftmassen von einem langlebigen Hochdruckgebiet über Mitteleuropa und einem Tiefdruckgebiet über dem Ostatlantik, berichtet der DWD. Die Konstellation ist nach Angaben der Meteorologen vergleichbar mit den Verhältnissen bei der vorherigen Hitzewelle vor knapp einem Monat. In Deutschland wurden damals örtlich Temperaturen von mehr als 38 Grad gemessen und ein neuer Hitzerekord für Juni aufgestellt.
Ist die aktuelle Hitzewelle Ausdruck der Klimakrise?
Wetter und Klima sind keine Synonyme. Wetter beschreibt den Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort in einem kurzen Zeitraum. Klima dagegen bezieht sich auf den mittleren Zustand der Atmosphäre über eine lange Zeit hinweg, mindestens aber mehrere Dekaden.
Einzelne Ereignisse, wie die aktuell hohen Temperaturen in Deutschland und Europa direkt auf den Klimawandel zurückzuführen, ist problematisch - allerdings erhöht er die Wahrscheinlichkeit für solche und andere Extremwetterlagen und beeinflusst ihre Intensität.
Bei der Frage, welche Bedeutung die Erderwärmung bei einzelnen Extremwetterereignissen hat, können inzwischen auch sogenannte Attributionsstudien helfen. Dabei laufen auf einem Computer Hunderte Male hintereinander die Berechnungen eines regionalen Klimamodells ab. Bei einem Teil der Durchläufe werden Daten aus einen Sommer der vorindustriellen Zeit verwendet, also vor dem Jahr 1850. Im anderen Teil der Rechnungen kommen die Werte aus dem aktuellen Sommer zum Einsatz. In beiden Fällen werde berechnet, wie wahrscheinlich jeweils eine Hitzewelle ist, sagt Meteorologe Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Dabei käme man etwa für die Hitzewelle in Nordeuropa 2018 zum Ergebnis, dass diese im aktuellen Klima doppelt so wahrscheinlich auftrete wie in vorindustrieller Zeit. "Damit ist eine Zuschreibung zum Klimawandel gegeben", so Fink.
Forscher des "World Weather Attribution Projekt" haben vor wenigen Wochen auch eine Analyse der Rekordhitze in Frankreich von Ende Juni 2019 vorgelegt. Die steigenden globalen Temperaturen erhöhen demnach die Wahrscheinlichkeit für eine Hitzeperiode mindestens um das Fünffache, ein Modell kommt sogar auf den Faktor hundert. Außerdem seien die Hitzewellen im Juni in Frankreich heute vier Grad heißer als vor Beginn der Industrialisierung. Für die Hitzewelle der letzten Tage liegt noch keine derartige Einschätzung vor.
Auch die Veränderungen beim Jetstream können das Wetter beeinflussen. Das Windband speist sich aus Temperaturunterschieden zwischen hohen Breiten und Regionen um den Äquator. Normalerweise flattert der Jetstream wie ein Band durch die Atmosphäre, die Schlängelungen heißen Rossby-Wellen. Weil in der Arktis die Temperaturen durch den Klimawandel derzeit stärker steigen als in anderen Weltregionen, drohen diese Wellen stehen zu bleiben, legen Studien nahe. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit für extreme Wetterlagen.
Im Video: Der wellenförmige Jetstream
Wird das Trinkwasser knapp?
Unmittelbar steht Deutschland keine Wasserknappheit bevor. Die Trinkwasserversorgung in Deutschland speist sich vor allem aus dem Grundwasser, darauf hat die aktuelle Wetterlage kaum Einfluss. Regenwasser braucht viele Jahre bis es in die Grundwasserreservoirs sickert. Außerdem verfügen Wasserversorger über einen gewissen Puffer und können bei Bedarf mehr Grundwasser aufbereiten.
Für die Infrastruktur der Wasserversorger können Hitzewellen jedoch zur Herausforderung werden, wenn beispielsweise die Pegelstände in Speicherbehältern sinken. Mehrere Kommunen untersagten in diesem Sommer deshalb Trinkwasser fürs Autowaschen, Rasensprengen oder zum Befüllen von Planschbecken zu nutzen.
Langfristig können jedoch auch die Grundwasserstände sinken. In den vergangenen beiden Jahren hat es vielerorts zu wenig geregnet, die Pegel haben sich laut dem Verband Kommunaler Unternehmen noch nicht erholt. Kommt es auch in den kommenden Jahren zu Dürren, könnte die Konkurrenz um Trinkwasser größer werden, warnte das Umweltbundesamt Anfang Juli, weil auch Landwirtschaft und Industrie mehr Wasser brauchen.
Allerdings darf in Deutschland nicht jeder so viel Grundwasser nutzen, wie es ihm passt. Die Trinkwasserversorgung hat immer Vorrang. Wer darüber hinaus an das Grundwasser will, braucht eine Genehmigung. Das gilt auch für Bauern, die ihre Felder wässern wollen. Die kommunalen Wasserversorger fordern deshalb, der Trinkwasserversorgung weiterhin den Vorrang zu geben.
Welche Auswirkungen hat die Hitze auf die Infrastruktur?
Die aktuelle Hitzewelle macht vor allem dem Verkehr zu schaffen. Betondecken von Autobahnen drohen abrupt aufzubrechen und sich abzuheben, das Phänomen ist auch als "Blow Up" bekannt. Auf mehreren Autobahnen mussten Geschwindigkeitsbegrenzungen verhängt werden. Am Donnerstag musste die A1 in Richtung Osnabrück wegen Hitzeschäden an der Weserbrücke gesperrt werden. In den Niederlanden wird Streusalz ausgebracht, um die Straße zu schützen. Das Salz entzieht der Luft Feuchtigkeit, und die wiederum kühlt den Asphalt.
Auch für Züge wird die Hitze zum Problem, weil sie Schienen verbiegen kann. In Frankreich mussten die Züge aus Sicherheitsgründen wegen der Hitze langsamer fahren. Kunden wurden aufgefordert, ihre Reise möglichst zu verschieben. In Österreich, Deutschland und der Schweiz wird derzeit getestet, ob ein weißer Anstrich das Verbiegen verhindern kann. In anderen Ländern ist das bereits üblich.
Durch die hohen Temperaturen sind viele Gewässer überhitzt. Das Atomkraftwerk Grohnde in Niedersachsen soll deshalb abgeschaltet werden. Das Wasser der Weser wird dort zur Kühlung des Atommeilers genutzt und anschließend wieder in den Fluss geleitet. Weil das Flusswasser derzeit 26 Grad Celsius warm ist, darf kein zusätzlich warmes Wasser in den Fluss geleitet werden.