Homosexuelle Insekten Männergesellschaft macht Libellen schwul
Es war nicht eben nett, was die Wissenschaftler mit den Insekten anstellten. Zwei Tage lang sperrten sie männliche Pechlibellen zusammen mit Geschlechtsgenossen in einen Käfig. Für Libellen scheint das eine lange Zeit zu sein. Denn als die Männchen nach der Gefangenschaft wieder frei zwischen den Geschlechtern entscheiden durften, stürzten sie sich meist auf die Männchen. Nur jedes vierte stellte den Weibchen nach. Vor der Gefangenschaft hatten die männlichen Insekten noch eindeutig Weibchen bevorzugt, schreiben Hans van Gossum von der Universität Antwerpen und seine Kollegen im Fachblatt "Proceedings of the Royal Society: Biology Letters" (Online-Vorabveröffentlichung).
Bei anderen Tierarten, denen bereits homosexuelles Verhalten attestiert wurde und deren Zahl in die Hunderte geht, vermuten Wissenschaftler meist den Spieltrieb der Natur als Ursache. Bei den Libellen aber glauben Gossum und seine Kollegen einen nützlichen Mechanismus am Werk: Arten, bei denen die Weibchen zuweilen unterschiedlich aussehen, könnten von einem flexiblen inneren Entwurf des Traumpartners profitieren.
Das System stelle sicher, dass ein Männchen sich immer mit den Weibchen paart, die an die jeweilige Umgebung am besten angepasst sind und dementsprechend dort am häufigsten vorkommen. "Libellen legen offenbar das Suchbild eines passenden Partners an, um sich möglichst schnell paaren zu können", erklärt Gossum im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Normalerweise sind auch Weibchen in der Nähe. Ist das aber nicht der Fall, verändert sich das Suchbild offenbar."
So könne es geschehen, dass sich die Libellen bei Weibchenmangel häufig bevorzugt Männchen zuwenden. Solche Paarungen bringen den Insekten laut Gossum überhaupt keine Vorteile, sondern erhöhen lediglich das Verletzungsrisiko und kosten Zeit und Energie.
Zum Glück für die Libellen bleiben sie auch nach der Gefangenschaft in einer Männer-WG flexibel, wie Gossum betont. Wurden die gleichen Männchen noch einmal für zwei Tage in einen Käfig geschlossen, diesmal aber ausschließlich in weiblicher Gesellschaft, habe sich ein "überraschend hoher Prozentsatz" wieder mit Weibchen gepaart.
Die Forscher wiederum könnten Glück haben, dass sie nur mit Insekten experimentiert haben. Der Zoo in Bremerhaven hat andere Erfahrungen gemacht. Als die Pfleger versuchten, homosexuelle Humboldtpinguine für Weibchen zu begeistern, protestierten Schwulenverbände: Man solle den Vögeln doch bitte ihre Vorliebe lassen.
Markus Becker