Brutpflege oder Futtersuche Umwelt programmiert Bienen um

Die Umwelt kann das Erbgut beeinflussen - das gilt auch für Honigbienen. Kleine chemische Schutzkappen an der DNA bestimmen, ob eine Biene Futter sucht oder den Nachwuchs pflegt. Werden die Tiere aber in andere Jobs gezwungen, ändert sich auch die Gen-Aktivität.
Futtersucherin: Wäre ihre DNA leicht anders, würde diese Biene jüngere Geschwister pflegen

Futtersucherin: Wäre ihre DNA leicht anders, würde diese Biene jüngere Geschwister pflegen

Foto: Uwe Anspach/ dpa

Futtersuche oder Brutpflege? Kleine Molekülgruppen an der Erbsubstanz entscheiden darüber, welche Aufgabe eine ausgewachsene Honigbiene in übernimmt. Je nachdem, wo an der DNA die Kohlenwasserstoffgruppen liegen, beschäftigen sich Arbeiterinnen mit der Aufzucht ihrer kleinen Geschwister oder verlassen den Stock um Nektar zu suchen, berichten US-Forscher im Fachmagazin "Nature Neuroscience" . Das Muster der sogenannten Methyl-Markierungen könne sich ändern - und auf diese Weise auch das Verhalten der Insekten.

Die Individuen eines Bienenvolks sind genetisch eng verwandt, ihre Erbanlagen stimmen zu großen Teilen überein. Arbeiterinnen widmen sich nach dem Schlüpfen zunächst meist der Pflege ihrer jüngeren Geschwister. Nach zwei bis drei Wochen wechseln sie den Berufsstand und sammeln außerhalb des Stocks Pollen und Nektar. Aus welchen Larven eine Königin heranwächst, wird über das verabreichte Futter bestimmt. Doch welcher Mechanismus entscheidet darüber, ob Honigbienen sich um die Brut oder um die Futtersuche kümmern?

Die Wissenschaftler um Andrew Feinberg von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore (US-Staat Maryland) erfassten zunächst, an welchen Stellen des Erbguts von Königinnen, Pflegerinnen und Futterbeschafferinnen sogenannte Methylgruppen angeheftet waren. Sie fanden mehr als 150 Stellen, an denen sich das Muster bei den zwei Arbeiterinnen-Gruppen unterschied.

Anpassung ohne Mutation

Um zu bestätigen, dass Methylierungsmuster und Verhalten zusammenhängen, nutzten die Forscher einen Trick: Sie entfernten alle Pflegerinnen aus einem Stock - und zwangen einen Teil der von der Futtersuche heimkehrenden Arbeiterinnen so, sich fortan dem hilflosen Nachwuchs zu widmen. Erbgutanalysen zeigten dann, dass sich das Methylierungsmuster wieder in Richtung Pflegerin verschob. Wahrscheinlich spielten reversible Methylierungen auch bei Verhaltensanpassungen vieler anderer Tierarten eine Rolle, mutmaßen die Forscher.

Methylgruppen sind kleine chemische Schutzkappen an der Erbsubstanz. Sie beeinflussen zum Beispiel, wie häufig bestimmte Gene abgelesen, also in Proteine umgesetzt werden. In der Regel verhindert eine Methylierung das Ablesen des betreffenden Gens. Änderungen, die nicht in der DNA selbst begründet sind, sondern im Methylierungsmuster, werden als epigenetisch bezeichnet. Die Zellen können damit auf Umwelteinflüsse reagieren, ohne dass eine dauerhafte Mutation nötig ist.

Ein Beispiel ist die Anpassung von Meeresfischen an höhere Kohlendioxid-Konzentrationen im Wasser, über die Forscher im Fachjournal "Nature Climate Change"  berichteten. In den Versuchen mit Schwarzflossen-Anemonenfischen, die in Meerwasser großgezogen wurden, das drei Grad wärmer und dessen CO2-Konzentration etwa doppelt so hoch war wie normal, zeigte sich: Wenn bereits die Eltern den veränderten Bedingungen ausgesetzt waren, wurden weder Wachstum noch Lebenszeit vermindert. Die Anpassung sei dem Nachwuchs epigenetisch in die Wiege gelegt worden, schlossen die Forscher.

nik/dpa
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