Hurrikan "Irma" würde Deutschland fast komplett bedecken

Es ist ein bedrohliches Bild: Praktisch ganz Deutschland liegt unter einem riesigen Wirbelsturm. Das Auge des Hurrikans befindet sich über Kassel. Fast überall zwischen Köln, Hamburg, Berlin und München stehen Straßen nach starken Regenfällen unter Wasser. Stürmischer Wind hat reihenweise Häuser abgedeckt.
Das geschilderte Szenario ist zum Glück unrealistisch. Beim Bild oben handelt es sich nämlich um eine Fotomontage. Aber es verdeutlicht die Dimension des Hurrikans "Irma", der bereits schwere Schäden in der Karibik angerichtet hat und sich nun auf den US-Bundesstaat Florida zubewegt. Seine Ausmaße sind in dem Bild maßstabgerecht auf Europa projiziert.
Das Auge von "Irma", in dem über dem warmen Meer immer mehr feuchte Luft nach oben gesaugt wird, hat einen Durchmesser von knapp 90 Kilometern. Um das Auge herum erstrecken sich die gewaltigen Wolkenwirbel. Sie haben einen Durchmesser von rund 800 Kilometern. Die für die Montage genutzte Aufnahme des Hurrikans stammt vom 6. September, als er gerade über Puerto Rico tobte - siehe folgendes Satellitenfoto:

Satellitenaufnahme von "Irma" (6. September 2017)
Foto: HO/ AFP"Irma" hat gleich mehrere Rekorde aufgestellt. Er ist der stärkste atlantische Hurrikan, der sich außerhalb des Golfs von Mexiko und des Karibischen Meers gebildet hat. Über einen Zeitraum von mehr als 30 Stunden lagen die Windgeschwindigkeiten bei fast 300 km/h - so lange wie bei keinem anderen bislang weltweit beobachteten tropischen Wirbelsturm. Fast drei Tage war "Irma" als Hurrikan der Kategorie 5 eingestuft. Mittlerweile ist er etwas schwächer geworden (Kategorie 4) - aber immer noch sehr gefährlich, auch durch von ihm verursachte Regenfälle.
In Deutschland und dem übrigen Europa drohen zum Glück keine Hurrikane. Es fehlt dafür an hinreichend warmen Meeren in der Nähe. Denn erst bei Wassertemperaturen ab 26,5 Grad kann sich ein tropischer Wirbelsturm überhaupt bilden. Der Nordatlantik ist dafür zu kalt. Es kann jedoch passieren, dass Überbleibsel eines Hurrikans Europa erreichen - als Schlechtwetterfront wie zum Beispiel 2011 beim einstigen Hurrikan "Katia".
Extremer Tiefdruck
Wie entsteht ein solcher Wirbelsturm? Wenn über dem warmen Wasser verhältnismäßig kühle Luft liegt, verdunstet das Wasser in großen Mengen. Das verdunstete Wasser steigt auf und kondensiert in größeren Höhen wieder - dabei bilden sich Wolken. Beim Kondensieren wird Wärmeenergie freigesetzt, sodass sich die Luft stark erwärmt. Dadurch steigt die Luft weiter auf.
Um den so entstehenden Unterdruck über dem Meer auszugleichen, strömt wiederum feuchte Luft nach. Spiralförmige Regenbänder entstehen - der Wirbel beginnt, sich zu drehen. Der Luftdruck in "Irmas" Zentrum lag zwischenzeitlich bei nur bei 914 hPa, der zehntniedrigste Wert aller atlantischen Hurrikane seit Start der Satellitenbeobachtung im Jahr 1966. Zum Vergleich: Der niedrigste je in Deutschland gemessene Luftdruck lag bei 955 hPa.

Dass "Irma" besonders mächtig ist, hat unter anderem damit zu tun, dass das warme Wasser in diesem Fall besonders tief in den Ozean hinunterreichte, bis zu 80 Meter.
Im etwa 90 Kilometer großen Auge des Hurrikans "Irma" ist es nahezu windstill - die extremen Spitzenwerte von fast 300 km/h werden weiter außen in den Wirbeln erreicht. Ein Hurrikan selbst bewegt sich vergleichsweise langsam über Grund, meist mit nur 25 km/h.
Je nach Region wird ein tropische Wirbelsturm Hurrikan, Taifun oder Zyklon genannt. Erreicht er Land, schwächt er sich ab, denn es fehlt das warme Wasser, aus dem er seine Energie bezieht. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Gefahr damit gebannt ist. Die schwersten Schäden richten nicht starke Winde an, sondern Flutwellen und die mit einem Hurrikan verbundenen sintflutartigen Niederschläge. Bestes Beispiel dafür ist der Sturm "Harvey", der Houston komplett unter Wasser setzte, obwohl er gar keine Hurrikan-Stärke mehr hatte.