In der Straße von Luzon, einer Meeresenge zwischen Taiwan und den Philippinen, werden Giganten geboren. Hunderte Meter unter der Wasseroberfläche hat ein Forscherteam die bislang höchsten Wellen entdeckt, sie wogen mehr als 200 Meter hoch.
Untermeerische Wellen erzeugen Sandstürme im Wasser, bremsen Schiffe, versorgen Lebewesen mit Nährstoffen - doch sie sind ein Rätsel: Wie entstehen sie überhaupt?
Erstmals sei es gelungen, den Verlauf sogenannter interner Wellen "von der Geburt bis zum Grab" zu verfolgen, berichten Wissenschaftler der University of California in San Diego und anderer Institute im Magazin "Nature".
Angeschoben werden die Wellen demnach von Gezeitenkräften: Die Gezeitenflut schiebt sich zweimal täglich durch die Meerenge von Luzon im Südchinesischen Meer. Unterseeklippen stauen die Strömung - bis sie über die Hindernisse schießt. Dabei schwappt schweres kaltes Tiefenwasser nach oben, bis es an Schwung verliert und wieder absackt - eine steile Welle entsteht.
Die Wellen schaukeln sich langsam hoch; doch einmal in Fahrt, rollen sie Tausende Kilometer weit. Eine größere Untermeerwelle versetze das Wasser mehr als 10.000-mal stärker in Turbulenz als die Wellen an der Meeresoberfläche, haben die Wissenschaftler errechnet.
In allen Meeren sorgen felsige Hindernisse dafür, dass sich Tiefenströmungen zu Wellen aufschaukeln. Sie wirken bis an die Oberfläche, wo sie den Meeresspiegel ändern können - langfristige Pegelprognosen könnten um rund 30 Zentimeter verfälscht werden, würden interne Wellen nicht berücksichtigt, schreiben die Gelehrten.
Mysteriöse Gewalt
Auch der Schiffsverkehr sollte die untermeerischen Wogen besser auf der Rechnung haben, meinen die Forscher. U-Boote werden regelrecht durchgeschüttelt von der mysteriösen Gewalt. Gewitzte Seefahrer wussten die geheimnisvolle Kraft der Ozeane zu nutzen: Durch Meerengen wie der Straße von Gibraltar konnten U-Boote unerkannt entkommen, indem sie sich von untermeerischen Strömungen treiben ließen.
Die internen Wellen verfrachten gewaltige Mengen Sand: Die Kontinentalschelfe - die untermeerischen Ränder der Kontinente - werden regelrecht überschwemmt mit Sand. Von U-Booten aus beobachteten Wissenschaftler, dass Strömungen am Meeresgrund große Mengen Partikel aufwirbeln und so quasi Sandstürme im Ozean erzeugten. Ohne die Sandfracht der Tiefenwogen wären die Schelfe vielerorts erheblich steiler.
Die Untermeerwellen sorgten zudem dafür, dass sich die Meere mischen. Nährstoffe aus der Tiefe gelangen nach oben, wovon Organismen profitierten. Manche Korallenriffe wären kaum lebensfähig ohne die Nährstoffe, die die verborgenen Wellen aus der Tiefe schwemmen.
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Interne Wellen: Manchmal werden die geheimnisvollen Tiefen-Wogen an der Oberfläche sichtbar. Zwar heben die Wellen das Meer nur minimal. Satellitenbilder aber machen die Spuren erkennbar: Über den Wellenbergen der untermeerischen Riesen kräuselt sich die Wasseroberfläche - der Kontrast lässt Rillen auf dem Meer erscheinen. Sie bezeugen die verborgene Kraft der Tiefe.
Riesige Tiefenwellen in der Computersimulation: Erstmals sei es gelungen, den Verlauf sogenannter interner Wellen "von der Geburt bis zum Grab" zu verfolgen, berichten Wissenschaftler der University of California in San Diego und anderer Institute.
Straße von Gibraltar: Wasser schiebt sich durch die Meerenge, es staut sich an Unterseeklippen - bis es über das Hindernis schießt. Dabei schwappt schweres kaltes Tiefenwasser nach oben, bis es an Schwung verliert und wieder absackt - eine sogenannte interne Welle entsteht. Auf dem Radar-Satellitenfoto sind die Wellen als Rillen im Meer erkennbar.
Indischer Ozean: Interne Wellen in der Luft (erkennbar an den weißen Wolkenlinien) und interne Wellen im Meer (unten links im Bild). Auch in der Luft können solche Schwingungen entstehen, etwa wenn Luft über Berge streicht; die Wellen heißen in der Luft aber Schwerewellen. Im Ozean haben Forscher nun sogar Wellen in der Tiefe entdeckt, die so hoch sind wie Wolkenkratzer.
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