Reaktionen auf IPCC-Klimabericht Vier minus für die Bundesregierung

»Es ist alles gesagt – jetzt zählen Handlungen«: Umwelt- und Klimaschützer reagieren auf den neuen Weltklimabericht. Auch die Bundesregierung bleibe weit hinter ihrer eigenen Ambition zurück.
UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnet den IPCC-Klimabericht als »Atlas der Leiden«

UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnet den IPCC-Klimabericht als »Atlas der Leiden«

Foto: John Minchillo / AP

Deutsche Umweltverbände sehen den neuen Bericht des Weltklimarats IPCC als Alarmruf auch für die deutsche Politik. Der am Montag veröffentlichte Bericht, den UN-Generalsekretär António Guterres einen »Atlas der Leiden« nannte, sei »ein flammender Appell an die Bundesregierung, endlich sofort wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen«, erklärte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Sascha Müller-Kraenner. Dabei müsse auch für die Anpassung an Klimafolgen mehr Geld zur Verfügung gestellt werden.

»Die Auswirkungen des Klimawandels nehmen schnell zu, sie treffen uns früher als erwartet, und sie betreffen mehr Menschen«, erklärte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Johan Rockström. »Die Zeit zum Handeln ist gekommen«, hob auch er hervor.

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»Wir brauchen ein umfassendes Schutzsystem vor der zerstörerischen Wucht der Klimakrise«, verlangte die Organisation Germanwatch. Dies gelte weltweit und besonders für vulnerable Entwicklungsländer, aber auch für Deutschland, wie im vergangenen Jahr besonders die Flutkatastrophe an der Ahr gezeigt habe.

Umstieg von Kohle, Öl und Gas auf saubere Energien

Einen vollständigen Öl- und Gasausstieg bis 2035 forderte die Klimaschutz-Initiative Fridays for Future. Dies vermeide zugleich eine Abhängigkeit bei Energieexporten von Autokraten wie Russlands Präsident Wladimir Putin. »Es ist alles gesagt – jetzt zählen Handlungen«, hieß es in einer Erklärung.

»Drohende Hitzewellen stellen für Millionen Bewohner von Metropolen eine tödliche Gefahr dar«, warnte Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. »Eine sichere Zukunft für alle gibt es nur mit einem entschlossenen Umstieg von Kohle, Öl und Gas auf saubere Energien aus Sonne und Wind«, stellte er klar.

»Es zeigt sich einmal mehr die Verbindung von Natur- und Klimakrise als Zwillingskrisen, die nur gemeinsam bekämpft werden können«, kommentierte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger den aktuellen zweiten Teil des neuen IPCC-Sachstandsberichts, in dem es um Klimafolgen und -anpassung geht. Der NABU drängte auf einen »umfangreichen Renaturierungsplan für Deutschland, der 15 Prozent der Landes- und Meeresfläche umfasst«.

Landwirtschaft ist in einer Doppelrolle

Mehr Unterstützung für den globalen Süden forderte der Verband Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe (Venro). »Deutschland als einer der Hauptverursacher steht hier in der Pflicht, seine internationale Klimafinanzierung deutlich zu erhöhen«, erklärte der Venro-Vorstandsvorsitzende Mathias Mogge. Mit Blick auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine warnte er: »Der Klimaschutz darf in den kommenden Haushaltsverhandlungen nicht sicherheitspolitischen Interessen geopfert werden.«

»Nur konsequenter Klimaschutz und frühzeitige Klimaanpassung können Risiken verringern«, hieß es auch in einer gemeinsamen Erklärung von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt (UBA). »Die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffimporten und Klimaschutz sind dringendere Aufgaben denn je«, erklärte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne). »Wichtig ist, Klimarisiken bei allen zukunftsweisenden Entscheidungen zu berücksichtigen«, verlangte UBA-Präsident Dirk Messner.

»Wenn wir der Klimakatastrophe Einhalt gebieten wollen, brauchen wir tiefgreifende Veränderungen, die wir mit schnellen und drastischen Minderungsmaßnahmen unterstützen müssen«, erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Mit Blick auf den IPCC-Bericht wies er darauf hin, dass die Landwirtschaft sowohl Opfer als auch Treiber der Klimakrise sei. Sie leide »unter Dürre und Hitzeextremen«, trage aber etwa durch Futtermittelimporte aus den Tropen auch zur Erwärmung bei.

Einer der Autoren des Berichts gab der Bundesregierung allerdings schlechte Noten. »Für die Ambitionen kriegt sie eine Drei und für die Umsetzung eine Vier minus bisher«, sagte Hans-Otto Pörtner, Meeresbiologe beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe über die Folgen des Klimawandels und den Anpassungsbedarf, der Deutschen Presse-Agentur.

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»Die Wissenschaft sagt das Richtige, aber die Politik hat Schwierigkeiten, das Richtige zu tun, und schnell genug zu tun«, sagte Pörtner. »Wir haben ein schrumpfendes Zeitfenster«, warnte er. Wichtigste Aufgabe sei das Einhalten der Klimaziele, damit die globale Erwärmung nicht über 1,5 Grad steigt. »Kompromisslos.«

ak/AFP/dpa
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