Brasiliens Wahlsieger Bolsonaro Der Präsident, dem Umwelt und Klima egal sind

Mehr Straßen und Holzschlag im Amazonas, Schluss mit Schutzgebieten: Brasiliens ultrarechter Präsident Bolsonaro hält nichts von Umweltschutz. Sein Topberater will sich mit dem Weltklimavertrag "den Hintern abwischen".
Jair Bolsonaro

Jair Bolsonaro

Foto: Silvia Izquierdo/ AP

Den Beschützern des Regenwalds hat Jair Bolsonaro schon im Wahlkampf den Krieg erklärt. "Brasilien kann es nicht länger aushalten, dass mehr als 50 Prozent seines Territoriums als indigenes Land, Umweltschutzgebiete oder Nationalparks ausgewiesen sind", behauptete der ultrarechte Politiker. Zwar machen die Schutzgebiete in Wirklichkeit nur 30 Prozent der Fläche aus. Bolsonaro schwor trotzdem: "Wenn ich Präsident werde, gibt es keinen einzigen Quadratzentimeter mehr."

Nun ist es tatsächlich so weit. Die Brasilianer haben Jair Messias Bolsonaro zum Präsidenten gewählt. Tausende feiern ihn als Erlöser, Naturschützer weltweit indes befürchten Böses. Denn Bolsonaro steht für einen radikalen Wechsel in der Umweltpolitik. Mit Folgen für den gesamten Planeten.

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Bolsonaro ist der Wunschkandidat der Großgrundbesitzer und Rinderzüchter, der Rohstoff- und Holzkonzerne. Sie wollen die Amazonas-Wälder unbehelligt roden und ausbeuten; wie zu Zeiten der Militärdiktatur, die der designierte Präsident so verherrlicht.

Bolsonaro liebäugelt damit, eine Straße asphaltieren zu lassen, die durch das weltgrößte Regenwaldgebiet führt: die grüne Lunge der Erde. Er will das Umweltministerium auflösen. Und: Er hat schon einmal angekündigt, Brasilien werde den Weltklimavertrag von Paris verlassen, sollte dieser die nationale Souveränität antasten.

Macht Bolsonaro seine Drohung wahr, steht das ganze Weltklimaabkommen auf der Kippe. Schon der angekündigte Ausstieg der USA unter Donald Trump schwächt das Vertragswerk von 2015, in dem sich rund 200 Nationen zum gemeinsamen Kampf gegen die Klimakatastrophe verpflichteten. Wenn jetzt auch noch Brasilien kündigt, der sechstgrößte Treibhausgas-Emittent der Welt und langjährige Vorkämpfer für den Klimaschutz, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Nationen folgen.

"Fatales Signal"

"Es wird ein Kraftakt, den Laden zusammenzuhalten", sagt Susanne Dröge, Klimaexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Und es wird zur Lasten der Substanz gehen." Will heißen: Selbst wenn das Abkommen noch irgendwie fortbestehen sollte, ist die Gefahr groß, dass die gemeinsamen Vereinbarungen zu lax bleiben, um die Erwärmung halbwegs einzudämmen.

"Ein Ausstieg Brasiliens wäre ein fatales Signal für das Paris-Abkommen", sagt Brigitte Knopf, die Generalsekretärin des Berliner Think Tanks MCC. "Aber noch können wir verhindern, dass Brasilien aussteigt und einen Dominoeffekt auslöst."

Noch 2015 auf dem Klimagipfel in Paris hatte Brasilien zu den Ländern gehört, die sich für einen ehrgeizigeren Klimavertrag stark gemacht hatten. Nicht zuletzt deshalb wurde in den Vertrag das Ziel aufgenommen, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen - und nicht auf 2,0 Grad, wie ursprünglich geplant.

Wie real die Sorgen sind, zeigt der parteiübergreifende Aufruf acht früherer brasilianischer Umweltminister. Die Amtsinhaber der Jahre 1992 bis 2016 warnten gemeinsam in einem Beitrag für die Zeitung "Folha de Sao Paulo", Brasilien dürfe keinesfalls den Klimavertrag kündigen. Schon jetzt seien die Folgen der Erwärmung allgegenwärtig.

Bolsonaro behauptet indes, durch den Weltklimavertrag drohe Brasilien die Hoheit über ein Territorium von 1,36 Millionen Quadratkilometer im Amazonasgebiet zu verlieren. Im Vertragstext steht davon allerdings kein Wort. Darin hat Brasilien gelobt, seine Emissionen bis 2025 um 37 Prozent gegenüber 2005 zu senken - ein Ziel, das es wegen massiv verringerter Abholzung zu einem guten Teil schon erreicht hat. Zudem sind alle Beiträge aller Staaten zum Klimaabkommen freiwillige nationale Selbstverpflichtungen, deren Nichteinhaltung niemand sanktionieren kann.

Kurz vor der Wahl machte Bolsonaro einen Schlenker. Er forderte Garantien: Brasiliens Souveränität über einen Korridor von den Anden durch den Amazonas-Regenwald bis zum Atlantik müsse sichergestellt sein. Sein Land könne nicht "riskieren, unseren Amazonas durch den Paris-Vertrag zu verlieren", sagte der Politiker. Und dementierte dann auf Nachfrage, aus dem Vertrag aussteigen zu wollen.

Amazonas abholzen

So widersprüchlich und rätselhaft seine Aussagen erscheinen, fest steht: Der 63-Jährige hat den Amazonas-Regenwald im Visier. Die grüne Lunge der Erde, deren Gebiet zu gut 60 Prozent auf brasilianischem Territorium liegt.

"Hinter Bolsonaro stehen große Interessen, die den Amazonas abholzen und das Land wirtschaftlich nutzen wollen", sagt Niklas Höhne, Mitbegründer des Kölner NewClimate Institute. Dazu zählen Holzhändler, Rohstoffkonzerne, die Minen eröffnen wollen, sowie vor allem das Agrobusiness, das Flächen für Soja- und Maisplantagen sowie Rinderhaltung sucht.

Bolsonaro braucht die Unterstützung dieser mächtigen Lobby - und die ihrer politischen Vertreter im Kongress. Sie alle erwarten vom designierten Präsidenten eine radikale Kehrtwende gegenüber der Politik seiner Vorgänger. Bolsonaro hat bereits angekündigt zu liefern.

Unter dem sozialistischen Präsidenten Lula da Silva hatte Brasilien neue Schutzgebiete für Indigene und Nachfahren von Sklaven eingerichtet; zudem gingen die Behörden entschieden gegen illegale Rodung vor. Ergebnis: Wurden 2004 noch 2,7 Millionen Hektar Regenwald abgeholzt, eine Fläche fast so groß wie ganz Belgien, sank diese Fläche bis 2012 um mehr als 80 Prozent - siehe Diagramm oben.

Emissionserhöhung im globalen Maßstab

Ähnlich drastisch fielen laut Berechnungen des NewClimate Institute Brasiliens Emissionen aus Waldrodungen: von 1,9 Milliarden auf 0,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Der Unterschied von 1,6 Milliarden Tonnen ist in etwa doppelt so hoch wie der jährliche CO2-Ausstoß von ganz Deutschland.

Nun aber prognostizieren Wissenschaftler des brasilianischen Instituts Inpe mithilfe eines Simulationsmodells, dass die Abholzung unter Bolsonaro fast wieder auf alte Rekordstände hochschießen wird: 2,5 Millionen Hektar pro Jahr. Entsprechend drastisch würde dann auch Brasiliens CO2-Ausstoß wieder steigen. "Das wäre eine signifikante Emissionserhöhung, auch im globalen Maßstab", sagt Klimaforscher Höhne.

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Bolsonaro hat seiner Klientel bereits versprochen, die Umweltagentur Ibama zu entmachten und das Umweltministerium mit dem Landwirtschaftsministerium zu verschmelzen. Als Minister hoch gehandelt wird sein enger Berater Luiz Antonio Nabhan García. Der sagt über den Weltklimavertrag: "Wenn er Klopapier wäre, wäre er nur dafür da, um den Hintern zu abzuwischen."

"Dunkle Zeit"

"Wir laufen auf eine dunkle Zeit in Brasiliens Geschichte zu", sagt Paulo Artaxo, Klimaexperte der Universität São Paulo, dem Wissenschaftsmagazin "Science" . "Bolsonaro ist das Schlimmste, das der Umwelt passieren konnte."

Noch ist Brasiliens neuer Herrscher nicht im Amt, noch hat er nichts beschlossen. Und zumindest der Ausstieg aus dem Weltklimavertrag lasse sich noch verhindern, meint MCC-Forscherin Knopf. "Die Staatengemeinschaft, allen voran die EU, muss nun agieren und die Klimafrage mit der Handelsfrage verknüpfen."

Zurzeit verhandelt Brüssel mit dem von Brasilien angeführten Wirtschaftsbündnis Mercorsur über ein neues Freihandelsabkommen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert, solche Verträge nur mit Staaten abzuschließen, die sich an den Klimavertrag halten. "Wenn die EU mit höheren Zöllen auf Brasiliens Agrarprodukte drohen würde, wäre das ein empfindlicher Schlag", meint Knopf.

Ob sich Bolsonaro davon beeindrucken ließe? Der "Trump der Tropen", wie er genannt wird, strebt eine enge Partnerschaft mit den USA an. Und Donald Trump würde sich gewiss freuen über einen Begleiter bei seinem Ausstieg aus dem Weltklimavertrag.

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