Neues aus der Geoforschung
Erste Gaseis-Förderung im Meer, Italien-Vulkan schwillt, 800-Kilometer-Schatten bedeckt USA
Eisklumpen im Meeresboden bergen riesige Mengen Gas - jetzt beginnt die Gewinnung der Energie. Außerdem im Überblick zur Geoforschung: Über die USA legte sich ein gewaltiger Schatten, ein Vulkan bei Neapel schwillt, und einem Erdbebenforscher wird wegen seiner Ergebnisse die Einreise verweigert.
Brennendes Methanhydrat: Kieler Wissenschaftler mit Energierohstoff
Foto: DPA/ Philip Morris
Hamburg - In ausgedehnten Eisschichten im Meeresboden stecken immense Mengen Erdgas. Die Förderung der sogenannten Methanhydrate gilt als problematisch, weil das Eis zerfällt, sobald es geborgen wird - das Gas entweicht. Nun jedoch beginnt Japan mit den weltweit ersten Tests einer systematischen Gewinnung der wertvollen Energieressource.
Das größte Forschungsbohrschiff der Welt, die "Chikyu" (japanisch für "Erde"), sei soeben zu einer Expedition vor die Südostküste des Landes gestartet, berichtet das japanische Wirtschaftsministerium. Im Nankai Trog, wo der Meeresboden zur Tiefsee abfällt, solle ein 60 Meter dickes Gasreservoir angebohrt werden.
Der Bohrer der "Chikyu" muss dafür tausend Meter unter dem Meeresspiegel 300 Meter tief in den Boden stoßen. Dann soll ein Rohr in das Bohrloch geführt werden, um das Methangas aus den Eisschichten abzusaugen. Ziel sei es, nach den Vorbereitungen im März binnen zwei Wochen zehn Millionen Liter Gas zu fördern.
Schätzungen zufolge liegt in Methanhydraten vor Japans Küsten 100-mal mehr Erdgas, als Japan jährlich verbraucht. Solche Angaben gelten allerdings als äußerst unsicher: Meist kann nur grob die Ausdehnung der Vorkommen, nicht aber ihr Gasgehalt bestimmt werden.
Schätzungen, wonach der Energiegehalt der weltweiten Methangas-Vorkommen größer sei als alle Öl-, Kohle- und konventionellen Gasvorkommen zusammen, sind deshalb ebenfalls fraglich. Unstrittig scheint jedoch: Vor den Küsten liegen gewaltige Energievorkommen. Die ersten systematischen Bergungsversuche vor Japan werden viele Staaten deshalb mit Interesse verfolgen.
800-Kilometer-Schatten über Amerika
800-Kilometer-Schatten (dunkle Fläche) über der Ostküste der USA (gelbe Linie)
Foto: NASA
Schatten sind meist klein oder flüchtig. Sie fliegen rasch vorbei, so schnell wie die Wolken, die das Sonnenlicht abschirmen. Oder sie bedecken überschaubares Gebiet, entsprechend der Wolkenlücken. Im Osten der USA erschien nun ein Schatten der anderen Art: Er dehnte sich über 800 Kilometer, wie ein Foto des Nasa-Satelliten "Terra" beweist.
Ursache war der niedrige Sonnenstand im Januar. Aus spitzem Winkel schien das fahle Licht auf eine Schicht Zirruswolken, die in zehn Kilometer Höhe schwebten. Entsprechend weit fiel der Schatten der himmlischen Bedeckung. Der gleiche Effekt stellt sich unter dem Licht einer Taschenlampe ein, das flach über einen Gegenstand scheint.
Beeindruckt von dem Phänomen, präsentierte die Nasa nun das Foto. Vielleicht sehen sich andere Forscher ja herausgefordert, weitere winterliche Schattenrekorde zu veröffentlichen.
Italienischer Supervulkan schwillt
Phlegräische Felder: Kein Kegel verrät den Supervulkan in Süditalien
Foto: Google Earth/ TerraMetrics
Kein Vulkankegel verrät die Phlegräischen ("Brennenden") Felder nahe der süditalienischen Metropole Neapel. Beim letzten großen Ausbruch vor 39.000 Jahren stürzte die Erdkruste ein, nachdem sich die riesige Magmakammer im Boden entleert hatte. Zurück blieb ein Krater, die sogenannte Caldera.
Ein erneuter Ausbruch dieser Stärke hätte unvorstellbare Folgen: Neapel wäre vollkommen verwüstet, Tsunamis würden übers Mittelmeer rasen, Europa würde von dicker Asche überzogen; ein graue Schleier am Himmel den Sonnenschein verdunkeln, das Weltklima auf Jahre hinaus abkühlen.
Solch ein Inferno ist selten, häufiger sind kleine Ausbrüche der Phlegräischen Felder. Wann ist es wieder so weit? Neue Daten geben Anlass zur Sorge. Der italienische Zivilschutz hat die Warnstufe erhöht - auf "Wachsamkeit". Der Vulkan hat sich zurückgemeldet, er hat sich im vergangenen Jahr um neun Zentimeter gehoben, berichtet das Osservatorio Vesuviano in Neapel.
Ein Auf-und-Ab ist normal in der Gegend. Anfang der siebziger und Mitte der achtziger Jahre hob sich der Boden nördlich von Neapel gar um mehr als drei Meter, das Zittern der Erde veranlasste die Regierung, Bewohner zu evakuieren.
Foto: Thomas Wiersberg
Fotostrecke
Phlegräische Felder: Das Monster unter Neapel
Die Stadt Pozzuoli liegt im Brennpunkt der Bodenbewegungen. Auf ihrem Marktplatz zeugen Muschelspuren an alten römischen Säulen davon, dass sich die Stadt einst so weit gesenkt hatte, dass das Meer vorgedrungen war. Später hob sich der Boden wieder - so als ob ein Riese im Untergrund atmen würde.
In letzter Zeit zitterte der Boden immer wieder leicht, und auch Gas strömt vermehrt aus dem Untergrund. Mittlerweile sei genügend Magma in den Untergrund gedrungen, so dass kleinere Eruptionen drohten, berichteten Forscher im Fachmagazin "Geology". Auch die Hebungen deuten auf magmatische Prozesse hin, berichten Experten im Fachblatt "Geophysical Research Letters": Die Art der Bodenschwellung zeige, dass wahrscheinlich heißes Wasser nach oben dränge. Es werde getrieben von Magma in geringer Tiefe.
Forscher wollen den Riesenvulkan nun besser kennenlernen. Seit letztem Jahr treiben sie eine erste Bohrung in den Untergrund. Messgeräte in der Tiefe sollen künftig permanent Auskunft über Regungen im Untergrund geben.
Ergebnisse verhindern Einreise von Erdbebenforscher
Roger Bilham von der University of Colorado Boulder: Unerwünschte Warnungen
Foto: University of Colorado/ Casey A. Cass
Erdbebenforscher geraten verstärkt ins Visier der Justiz. Kürzlich waren sieben von ihnen zu Gefängnisstrafen verurteilt worden, weil sich vor dem fatale Erdbeben von L'Aquila in Mittelitalien 2009 in fahrlässiger Weise geäußert haben sollen. Der Prozess geht in die Revision.
Jetzt wurde ein weiterer Fall bekannt: Dem angesehenen Seismologen Roger Bilham von der University of Colorado in Boulder, USA, wurde die Einreise nach Indien verweigert. Der Grund sollen seine Studien im westindischen Jaitapur sein, bestätigte Bilham SPIEGEL ONLINE: Der Forscher hatte wiederholt vor starken Erdbeben in Jaitapur gewarnt, wo ein Atomkraftwerk gebaut werden soll.
Bei seiner Einreise im Mai 2012 sei er am Flughafen Neu-Delhi zurück in die USA geschickt worden. Ihm sei nur mitgeteilt worden, er stünde auf einer Liste von Personen, denen die Einreise verboten sei. Zudem hätten ihm mehrere indische Wissenschaftler mitgeteilt, nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen; sie hätten jegliche Korrespondenz abbrechen müssen, schreibt Bilham auf seiner Internetseite.
Die verantwortliche indische Behörde MHA erklärte dem Wissenschaftsmagazin "Science", Bilhams Visum habe nicht den Vorschriften entsprochen. Ein MHA-Mitarbeiter bezeichnete Bilhams Studien "Science" zufolge als "Panikmache". "Sie haben sich mein Visum gar nicht angesehen", berichtet hingegen Bilham.
Bilham hat Dutzende Studien über Erdbebengefahr in Indien veröffentlicht, in denen er vielfach vor starken Beben gewarnt hat. Indien wurde immer wieder von verheerenden Beben überrascht, viele gefährliche Nähte in der Erdkruste sind wahrscheinlich unbekannt.
Kollegen machen sich für Bilham stark: "Wir sollten den Mut haben, uns für offene Kritik einzusetzen", sagt etwa der indische Forscher Khadg Singh Valdiya vom Nehru Centre for Advanced Scientific Research in Bangalore dem Magazin "Science".
8 BilderPhlegräische Felder: Das Monster unter Neapel
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Fumarolenfeld im Solfatara-Vulkan, der zu den Phlegräischen Feldern gehört: Vulkanische Gase, die hauptsächlich Wasser enthalten, treten mit mehr als hundert Grad Celsius an die Oberfläche. Das gasförmige Wasser kondensiert und bildet Wasserdampf.
Foto: Thomas Wiersberg
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Aufbau eines Experiments zur Bestimmung der Gaszusammensetzung am Fumarolenfeld "Pisciarelli" an der äußeren Flanke des Solfatara-Vulkans: Vor rund 39.000 Jahren fand der letzte heftige Ausbruch statt. Die Erdkruste stürzte ein, nachdem sich die riesige Magmakammer entleert hatte. Das Ergebnis waren die Phlegräischen Felder.
Foto: Thomas Wiersberg
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Eingang zum Solfatara-Vulkan: Eine Bohrung soll klären, wie tief die Magmakammer unter den Phlegräischen Feldern liegt.
Foto: Thomas Wiersberg
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Golf von Neapel: Bei den Phlegräischen Feldern handelt es sich um die Kraterlandschaft in der Bildmitte. Das Bild entstand aus Radardaten des europäischen Satelliten "Envisat".
Foto: ESA
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Geplante Bohrungen in den Riesenvulkan: Ein Wissenschaftlerkonsortium will in den nächsten Jahren im Rahmen des International Continental Scientific Program (ICDP) und des International Ocean Drilling Program (IODP) an sieben Stellen Bohrungen anbringen - sechs in den Meeresboden, eine an Land. Ziel sei es, Ausbrüche vorhersagen zu können und das Verhalten von Vulkanen zu verstehen, sagen die beteiligten Wissenschaftler.
Foto: ICDP / GFZ Potsdam
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Blick in den Krater des Solfatara-Vulkans: Die Wasserdampfwolken in der Mitte des Bildes stammen von den beiden Fumarolen "Bocca Nuova" und "Bocca Grande". Fumarolen sind vulkanische Gasaustritte.
Foto: Thomas Wiersberg
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Überreste einer römische Badeanlage innerhalb des Solfatara-Vulkans: Schon in der Antike schätzten die Menschen die Wärme des Vulkans.
Foto: Thomas Wiersberg
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Temperaturmessungen und kontinuierliche Gasprobennahme an der Fumarole "Bocca Nuova": Schwefelhaltige vulkanische Gase reagieren an der Oberfläche zu elementarem Schwefel, der sich um die Fumarole abscheidet.
Foto: Thomas Wiersberg
Roger Bilham von der University of Colorado Boulder: Unerwünschte Warnungen