Junger Eisbär Knut soll weiterleben

Knut muss nicht sterben: Der Tierarzt des Berliner Zoos hat Forderungen, das Eisbär-Baby einzuschläfern, als "kompletten Blödsinn" bezeichnet. Auch der Deutsche Tierschutzbund lehnt Knuts Tötung ab.

Berlin - Das Schicksal des Eisbärbabys Knut erhitzt weiterhin die Gemüter. Seit Wochen streiten Experten über die Handaufzucht des Bären im Zoologischen Garten von Berlin. Aber jetzt steht fest: Knut darf leben. Spekulationen um eine Todesspritze wegen angeblich nicht artgerechter Haltung wies Zoo-Tierarzt André Schüle als "kompletten Blödsinn" zurück.

Der SPIEGEL hatte über Forderungen berichtet, "Cute Knut" einzuschläfern. Der Bär werde nicht artgerecht aufgezogen und gehalten, was einen groben Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstelle, kritisierten Tierschützer. Außerdem lasse der Zoo zu, dass ein Eisbär, der ausgewachsen zu den gefährlichsten Säugetieren der Erde zählt, den Rest seines Lebens verhaltensgestört sei. Es wurden auch Vergleiche zwischen Knut und einem Lippenbär-Jungtier gezogen, das vor kurzem im Leipziger Zoo eingeschläfert wurde, nachdem es ebenso wie Knut von seiner Mutter zurückgewiesen worden war.

"Nicht nachvollziehbare Teilwahrheiten"

"Diese zusammengebastelten Teilwahrheiten verärgern mich und sind nicht nachvollziehbar", sagte der Berliner Tierarzt Schüle jetzt. Knut sei nicht vergleichbar mit dem Leipziger Lippenbären. In Berlin hatte die frühere Zirkus-Bärin Tosca am 5. Dezember 2006 in ihrer Wurfhöhle Zwillinge zur Welt gebracht. Tosca zeigte keinen Mutterinstinkt, setzte die Jungtiere vor der Höhle aus und ignorierte sie. Laut Schüle stellte sich schnell heraus, dass die Kleinen "mit Lebendgewicht von 780 und 810 Gramm eigentlich kräftige Kerle waren".

Zur Zeit der Geburt herrschten milde zehn Grad. Die Jungtiere, etwa so groß wie Meerschweinchen, waren nicht unterkühlt, die Atmung war gut. Angesichts einer günstigen Prognose entschied sich die Zoo-Direktion für den Rettungsversuch. Einer der Zwillinge erlag jedoch nach vier Tagen einer Darminfektion.

Das Lippenbärbaby im Zoo von Leipzig sei dagegen stark unterkühlt und völlig entkräftet gewesen. Eine Überlebenschance habe es kaum gegeben. "Die Situation in Leipzig war überhaupt nicht zu vergleichen mit der in Berlin, das sind total unterschiedliche Paar Schuhe", sagte Schüle.

Knut gedeiht derweil prächtig. Er verbrachte zunächst 44 Tage im Brutkasten, danach päppelte ihn Tierpfleger Thomas Dörflein mit Handaufzucht weiter auf. Der Mini-Bär hat nach knapp 110 Tagen bereits ein Gewicht von rund neun Kilo. Dank einer Flut von Bildern aus seiner Kinderkiste, mit einer Klobürste, einem Fußball und einer Hängematte als Spielzeug und zahlreichen Videos in der regionalen RBB-Abendschau stieg das putzige Fellknäuel zum Liebling von Tierfreunden in ganz Deutschland auf. Noch vor Ostern soll sich Knut im Zoo erstmals dem Publikum und den Medien leibhaftig im Freien präsentieren. Vom 24. März an ist die neue Zoo-Attraktion im ARD-Fernsehen jeweils samstags Hauptdarsteller einer zehnteiligen Dokumentation.

"So ein Jungtier würde kein Zoo auf der Welt einschläfern", sagte Tierarzt Schüle. Von Zoos in aller Welt trafen Glückwünsche zur gelungenen Aufzucht ein. Laut aktuellen Zoo-Statistiken waren solche Versuche weltweit seit mehr als 50 Jahren erst in 34 Fällen erfolgreich. Im Berliner Zoo überlebte zum letzten Mal vor mehr als 30 Jahren ein Eisbärbaby.

Auch in freier Wildbahn seien Eisbären Einzelgänger, sagte Schüle. Daher sei es überhaupt nicht schlimm, wenn Knut im Zoo zunächst allein groß werde. Wenn Knut die Geschlechtsreife erreicht habe, könnte er an andere Zoos als Zuchttier vermittelt werden.

Forderungen, ihn zu töten, könne er nicht ernst nehmen, betonte Schüle: Eisbären seien vom Aussterben bedrohte Tiere. Durch die globale Klimaerwärmung würden ihre Verbreitungsgebiete und Jagdreviere immer kleiner. "Und jetzt haben wir hier bei uns im Zoo ein Jungtier, das kerngesund, kräftig und groß ist."

Auch Tierschutzbund gegen Tötung

Auch der Deutsche Tierschutzbund wandte sich gegen Forderungen, Knut zu töten. "Die Tötung des Tieres hat nichts mit Tierschutz zu tun", sagte Tierschutzbund-Präsident Wolfgang Apel. Die Zoos trügen die Verantwortung für das Leben aller ihr anvertrauten Tiere - daher müsse auch alles versucht werden, um den Eisbären zu retten. Jedoch müsse die Zoohaltung von Eisbären dringend auf den Prüfstand. Eine artgerechte Haltung im Zoo sei kaum möglich. Eisbären hätten in der freien Wildbahn einen Aktionsradius im Kilometerbereich, während die vorgegebenen Käfiggrößen im Zoo bei wenigen Quadratmetern lägen.

Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten erklärte, Jungtiere dürften nicht mit dem Leben für Fehler büßen, die in der Verantwortung der Zoos lägen. Eine Einschläferung von Knut wäre rechtlich fragwürdig, denn das Deutsche Tierschutzgesetz fordert für das Töten von Tieren einen "vernünftigen Grund".

mbe/dpa/AP

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