Kambrium Pflanzen sollen Explosion des Lebens verursacht haben
Das Leben auf Erden entstand vor rund vier Milliarden Jahren. Einzeller, vor allem Bakterien und Algen, verbreiteten sich in den Ozeanen. Danach geschah erst einmal nicht mehr viel. Und das mehr als drei Milliarden Jahre lang. Das Leben verharrte auf dem niedrigen Stadium der Komplexität.
Dann aber trat die Evolution plötzlich aufs Gas: Vor 650 Millionen Jahren taten sich Einzeller zu mehrzelligen Organismen zusammen - Schwämme, Quallen und Würmer entstanden. Rund 110 Millionen Jahre später, im Kambrium, war die Höchstgeschwindigkeit erreicht: Innerhalb von nur 40 Millionen Jahren - evolutionär gesehen ein Wimpernschlag - entstanden in den Ozeanen viele mehrzellige Organismen mit völlig neuen Bauplänen. Die radikalste Erfindung der Natur war das Skelett. Egal ob es außen oder innen lag, es stützte und schützte den Organismus - und eröffnete ihm vollkommen neue Möglichkeiten.
Geschützt von ihrem harten Panzer übernahmen schließlich Gliederfüßer - die Ahnen der heutigen Krebse und Insekten - die Herrschaft über die Erde. Der Gegenentwurf, das Innenskelett, entstand zur gleichen Zeit im Urahn der Wirbeltiere, zu denen auch der Mensch gehört.
Im Kambrium probierte die Evolution viel Neues aus, eine Menge der Lebensentwürfe starb wieder aus - darunter auch bizarre Lebewesen, die Paläontologen dazu veranlassten, ihnen verrückte Namen wie Hallucigenia oder Wiwaxia zu geben. Dennoch: Die Grundbaupläne aller heute lebenden Tiere entstanden während der sogenannten Kambrischen Explosion, die auch Kambrische Radiation genannt wird.
Doch was hat sie verursacht?
Die US-amerikanischen Wissenschaftler Paul Knauth und Martin Kennedy glauben, dass Pflanzen die Saat für komplexeres Leben legten. Mit ihrer Photosynthese änderten sie die Zusammensetzung der Erdatmosphäre derart, dass die neuen Baupläne des Lebens erst möglich wurden.
Gab es schon Landpflanzen vor einer Milliarde Jahren?
Um das zu belegen, nahmen sie Kalksteinproben aus verschiedensten Regionen der Welt und analysierten die Zusammensetzung der darin enthaltenen Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotope.
Knauth und Kennedy berichteten jüngst im Fachmagazin "Nature" , dass der Gehalt an schweren Kohlenstoff-Isotopen in dieser erdgeschichtlichen Periode abgenommen hat - genauso wie der schwerer Sauerstoff-Isotope. Weil Pflanzen beim Aufbau ihrer organischen Substanz das leichte Kohlenstoff-Isotop bevorzugen, ziehen die Forscher die Schlussfolgerung: Vor etwa 700 Millionen Jahren müssen sich Pflanzen auf der Erde dramatisch verbreitet haben. Der Planet ergrünte. "Während dieser Zeit wurde die Erde zunehmend von Organismen bevölkert, die Photosynthese betrieben", sagte Knauth.
Bei der Photosynthese bauen Pflanzen aus Kohlendioxid und Wasser mit Hilfe der Sonnenenergie Biomasse auf. Als Abfallprodukt entsteht Sauerstoff. Knauth sieht in diesem Prozess den Auslöser für die Kambrische Explosion: "Die Ergrünung war der Schlüssel für die Veränderung der präkambrischen Welt. Aus einer Welt mit niedrigem Sauerstoffgehalt und simplen Lebensformen wurde die Welt von heute - sauerstoffreich, mit höheren Pflanzen und Tieren."
Eroberten die Pflanzen als Erste das Land?
Die Pflanzen veränderten mit der Photosynthese schrittweise die Atmosphären-Zusammensetzung der Erde: Der Kohlenstoff aus dem CO2 der Atmosphäre wurde von den Pflanzen gebunden und reicherte sich im Boden an. Zugleich entwich Sauerstoff in die Luft - und gelangte so auch in den Ozean. Dort entwickelten sich dann die komplexen Tiere des Kambriums.
Einen Haken allerdings hat die Hypothese: Der Entstehung des komplexen Lebens in den Ozeanen muss eine Eroberung des Landes durch Grünpflanzen vorausgegangen sein. Nach gängiger Vorstellung gab es zur Zeit des Kambriums aber keine an Land lebenden Gefäßpflanzen. Einige Wissenschaftler vermuten jedoch, dass vor dem Kambrium schon Pflanzen das Land besiedelten.
So glauben auch Knauth und Kennedy, dass sich möglicherweise schon vor einer Milliarde Jahren einzellige Algen, Moose, Flechte und Pilze an Land ausgebreitet haben könnten. Darauf deuten auch evolutionäre Einordnungen anhand von Genanalysen hin. Allerdings gibt es für diese These keine fossilen Belege. Die ältesten Fossilien von Landpflanzen sind 600 Millionen Jahre alte Flechten, die in China gefunden wurden .