Prognose für Deutschland Klimawandel erschwert Energiewende

Becken des Pumpspeicherwerks Goldisthal im Kreis Sonneberg: Engpässe bei Wasserkraft
Foto: Stefan Thomas/ dpaHamburg/Berlin - Zum Ende des Jahrhunderts könnte es in Deutschland rund vier Grad wärmer sein. So lautet die Prognose des Uno-Klimarates, die darauf gründet, dass weiterhin in ähnlichem Maße wie bisher Treibhausgase in die Luft gepumpt werden. Doch welche Folgen hat die zu erwartende Klimaänderung in Deutschland?
Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Berliner Humboldt-Universität (HU) haben in einer großen Studie mögliche wirtschaftliche Auswirkungen für alle Regionen des Landes berechnet.
Die wichtigsten Ergebnisse ihrer Berechnungen haben sie am Montag in Berlin präsentiert:
- Die Folgen für die Landwirtschaft: Einerseits lässt die Erwärmung das Getreide länger wachsen. Andererseits könnte häufigere Trockenheit im Sommer zu Einbußen bei der Ernte führen. Ein Rückgang der Produktion insgesamt sei eher nicht zu erwarten.
- Die Folgen für die Energieerzeugung: Kraftwerke scheinen künftig vermehrt Probleme mit der Kühlung zu bekommen. Manche Kraftwerke müssten sogar zeitweise abgeschaltet werden, weil das Kühlwasser zu warm werden könnte. Wasserkraftwerke könnten ein Achtel ihrer Energieproduktion einbüßen, weil Flüsse im Sommer weniger Wasser führen. Windkraft hingegen werde künftig vermehrt zur Verfügung stehen: 4,5 Prozent mehr Strom werde der Klimawandel hier ermöglichen. Weil die anderen Kraftwerke aber im Sommer beeinträchtigt wären, nützte mehr Wind nicht viel, solange keine effektive Stromspeicher zur Verfügung stehen. In der Summe jedoch werde die Energieproduktion leicht zurückgehen, haben die Forscher berechnet.
- Die Folgen für die Wälder: Bäume werden bei steigenden Temperaturen früher ausschlagen; der Baumbestand - vor allem der von Kiefern und Fichten - könnte sich vergrößern. Buchen hingegen könnten es schwerer haben.
Vor allem in diesen Regionen wird sich den Simulationen zufolge der Klimawandel für die Wirtschaft auswirken:
- Ostdeutschland würde am härtesten getroffen, dort könnten Hitzewellen, Waldbrände und Flusshochwasser deutlich häufiger auftreten. Auch in der Kölner Bucht und am nördlichen Oberrheingraben wird es demnach trockener; auch dort steigt die Waldbrandgefahr.
- Im Raum Hamburg, in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen vermindert sich das Potential für Wasserkraft.
- Von Norddeutschland bis Sachsen vergrößert sich das Potential für Windkraft
- In Norddeutschland wächst der Kiefernbestand.
- Im Oberlauf der Elbe, auf dem Rhein und im Oderbruch könnte die Schifffahrt vermehrt durch Niedrigwasser im Sommer beeinträchtigt werden.
- In den Mittelgebirgen nimmt die Anzahl der Fichten zu, besonders im Erzgebirge und im Thüringer Wald wird sich der Baumbestand vergrößern.
Unsichere Prognosen
Mit einem neuen Computerverfahren haben Forscher um Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom PIK das Klima in Deutschland berechnet: Zunächst rekonstruierten sie, wie sich die Witterung der vergangenen Jahrzehnte bei steigenden Temperaturen verändert hat.
Ihr Modell schrieb den Erwärmungstrend dann einfach fort: Aus dem Zusammenhang von Erwärmung und Witterung der vergangenen Jahrzehnte berechneten die Forscher eine Statistik des künftigen Klimas in allen Teilen Deutschlands. Welche konkreten Wetterveränderungen dem zugrunde liegen, lässt sich aus den Rechnungen allerdings nicht ableiten.
Vertrauen in ihre Ergebnisse für die Zukunft schöpften die Forscher daraus, dass die Simulationen das heutige Klima recht gut aus den Daten der Vergangenheit errechnet hätten, sagt Gerstengarbe. Auch in anderen Weltregionen sei das Modell erfolgreich getestet worden. Zumindest für die nächsten 30 Jahre seien die Szenarien vertrauenswürdig, meint der Forscher.
Gleichwohl zweifeln viele Experten noch an derartigen Klimarechnungen. Die Formeln der Modelle werden dabei so lange angepasst, bis sie Klimaänderungen der Vergangenheit einigermaßen wiedergeben. "Doch letztlich weiß niemand, ob die Gleichungen auch für die Zukunft unter anderen Umständen gelten", sagt etwa Orrin Pilkey, Klimamodellierer an der Duke University in Durham, USA.
"Dann geht Deutschland in die Knie"
Dem stimmt auch Gerstengarbe zu: Würden sich die Umweltbedingungen deutlich ändern, sei unklar, ob die Simulationen noch verlässlich wären. Die Forscher sprechen daher auch nicht von Klimaprognosen, sondern von Szenarien. Gleichwohl mahnten ihre Ergebnisse dazu, politischen Konsequenzen zu ziehen, meint HU-Klimaforscher Wilfried Endlicher: "Wir müssen uns anpassen", fordert er.
"Wir brauchen erheblich mehr Investitionen für Anpassungen, besonders im Osten", sagt Gerstengarbe. Das Problem seien nicht nur Dürreperioden, sondern auch Hochwasser im Winter. "Die letzte Elbeflut hat zehn Milliarden Euro gekostet", ergänzt der Wissenschaftler. "Wenn das viermal hintereinander passiert, geht auch Deutschland in die Knie."
Konkrete Maßnahmen könnten den Klimawandel in Deutschland abmildern: Drohte etwa Trockenheit, könnten Regionen zum Beispiel durch Wasserrückhaltebecken oder künstliche Bewässerung Vorsorge treffen. Auch der Winterregen sollte besser nicht durch Drainagen abgeleitet werden, sondern versickern - auf diese Weise hebe sich der Grundwasserspiegel. Landwirte müssten sich dann aber darauf einrichten, dass ihre Felder bis Februar unter Wasser stehen können.
"Nicht alles zubauen"
Auch auf Großstädte kommen neue Aufgaben zu. "Bei Hitzewellen verdoppelt sich die Sterblichkeit", sagt Endlicher. Es müsse mehr Gesundheitsvorsorge für alte Menschen geben - und es werde dazu noch deutlich mehr alte Menschen geben als heute. "Das ist alles noch nicht in unseren Köpfen drin", ergänzt er. Auch Straßenbäume und grüne Lungen bekämen größere Bedeutung. "Wir dürfen in den Innenstädten nicht alles zubauen."
In deutschen Wäldern müssen Forstwirte demnach weiter vorausplanen: Buchenwälder könnten es künftig schwer haben, und Monokulturen aus Kiefern ließen zu viel Wasser verdunsten. Die Lösungen sehen Klimaforscher im Pflanzen von Mischwäldern: Sie könnten Klimaschäden bei einer Baumart kompensieren.