Klimakonferenz in Cancún Boliviens erfolgloser Einzelkämpfer

Boliviens Uno-Botschafter Solón: "Konsens bedeutet nicht Einstimmigkeit"
Foto: JUAN BARRETO/ AFPNiemand weiß, wie oft der Mann im weißen Hemd mittlerweile schon um das Wort gebeten hat. In den letzten Stunden des Klimagipfels von Cancún ist Pablo Solón Dauergast am Mikrofon. Stellenweise gleichen die Verhandlungen einem Zwiegespräch zwischen ihm und der mexikanischen Gipfelpräsidentin Patricia Espinosa. "Wir möchten es für das Protokoll klarstellen, dass es keinen Konsens gibt", sagt Solón. Wieder einmal.
Als einziger von 194 Staaten stellt sich Bolivien in den letzten Stunden des Gipfels offen gegen die geplanten Beschlüsse. Man sei zwar nur ein kleines Land, aber man spreche für die Welt, sagt der frühere Gewerkschaftsaktivist Solón. Die Dokumente des Treffens, vorgelegt von der von Espinosa geleiten Präsidentschaft, müssten breit diskutiert werden - zu viele Probleme gebe es damit: die Rolle der Weltbank zu Beispiel, die Zukunft des Kyoto-Protokolls und so weiter. Wenn sein Vorstoß Erfolg hat, wird der Gipfel von Cancún gar nichts beschließen, so viel ist klar.
Selbst die ideologischen Unterstützer der links gerichteten Regierung von Evo Morales haben sich zu diesem Zeitpunkt weitgehend von Bolivien abgewendet. Die Delegierten von Venezuela, Kuba oder Ecuador fordern lediglich, dass der Gipfel die Bedenken des Landes anhören möge. Ernsthafte Unterstützung sieht anders aus.

Cancún: Gipfel der Aktivisten
Boliviens Uno-Botschafter Solón ficht das nicht an. Er kämpft allein gegen alle. Immer wieder meldet er sich zu Wort. Mal um mal stellt er klar, dass sein Land den geplanten Beschlüssen widerspricht. Eigentlich herrscht bei der Uno das Prinzip der Einstimmigkeit. Solón kann also darauf hoffen, den ungeliebten Beschluss in letzter Sekunde noch zu Fall zu bringen. Doch seine Chancen stehen schlecht.
Dass es die Bolivianer den Organisatoren des Gipfels nicht leicht machen würden, hatte sich bereits in den vergangenen Tagen abgezeichnet. Immer wieder hatte Solón in Pressekonferenzen beklagt, sein Land werde bei den Verhandlungen in die Ecke gedrängt. Das sei nicht akzeptabel. Gleichzeitig blieben die Diplomaten des Staates einigen wichtigen Treffen fern. Das nervte wiederum viele andere Delegationen.
Mit eiserner Freundlichkeit und Vehemenz macht Gipfelpräsidentin Espinosa klar, dass sie die Beschlüsse des Klimagipfels notfalls auch gegen den Widerstand der Bolivianer fällen lassen will. Offenbar hat sie sich vorher mit den Juristen des Uno-Klimasekretariats abgesprochen. Die Mexikanerin ist sich ihrer Sache deswegen sicher.
Seit Jahren habe man die Themen diskutiert, nun sei es an der Zeit, endlich Beschlüsse zu fassen, sagt Espinosa. Die Position Boliviens werde selbstverständlich in die schriftliche Dokumentation des Gipfels aufgenommen. Ein Vetorecht gebe es nicht. "Konsens bedeutet nicht Einstimmigkeit", sagt die Mexikanerin. Es ist dieses kleine, aber wichtige Detail, das die Basis für Espinosas Verhalten bildet.
Solón kocht. "Unser Land hat die selben Rechte wie alle anderen auch." Doch Espinosa lässt ihr kleines Hämmerchen fallen. Die Entscheidung ist getroffen. Die Nachtsitzung von Cancún dürfte in die Völkerrechts-Lehrbücher eingehen, als Tag an dem die Abstimmungsregeln der Vereinten Nationen neu definiert wurden.
"Das hat Chance, Geschichte zu schreiben. Wir haben erlebt, dass der Missbrauch des Konsensprinzips keinen Erfolg hat", sagt Deutschlands Umweltminister Norbert Röttgen nach der Sitzung im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
Solón grollt: "Heute ist es Bolivien, morgen könnte es ein anderes Land sein." Die Staaten der Welt haben ihn nicht gehört. Das Cancún Agreement ist beschlossene Sache. "Eine neue Ära hat begonnen", sagt Gipfelpräsidentin Espinosa.