Aussehen von Tieren verändert sich Warum ein großer Schnabel gegen den Klimawandel hilft

Die Klimakrise verändert jetzt schon die Lebensräume vieler Tiere. Eine Studie zeigt nun, wie schnell sich manche von ihnen anpassen: Sie verschaffen sich durch ein geändertes Aussehen einen Vorteil.
Der Schnabel des Australischen Königssittichs wird nachweislich immer größer

Der Schnabel des Australischen Königssittichs wird nachweislich immer größer

Foto: Tracie Louise / iStockphoto / Getty Images

Die Erde heizt sich auf, für ihre Bewohnerinnen und Bewohner wird es immer heißer. Während Menschen schwitzen können, um sich abzukühlen, müssen sich die meisten Tiere anders behelfen. Bei einigen beeinflusst die Klimakrise deshalb sogar ihr Äußeres.

Das ist das Ergebnis einer Studie, die in der Fachzeitschrift »Trends in Ecology and Evolution« erschienen ist. Demnach lässt sich beobachten, dass sich die Körper mancher Tiere infolge des Klimawandels verändern: Sie bekommen größere Schnäbel, längere Beine oder größere Ohren, um ihre Körpertemperatur besser regulieren zu können. Das Phänomen, dass sich die Form der Tiere oder zumindest die Form einiger ihrer Körperteile verändert, bezeichnet man als Shapeshifting.

Ausgestopfte Tiere aus Museen dienen als Vergleichsobjekt

Für die Erhebung hatte ein Team um die Vogelforscherin Sara Ryding von der australischen Deakin University untersucht, wie sich die steigenden Temperaturen auf dem Globus auf verschiedene Tierarten auswirken. Die Biologinnen und Biologen suchten in früheren Studien nach Hinweisen darauf, dass Tiere ihre Form infolge von Erwärmung ändern. Und fanden vor allem in der Vogelwelt mehrere wissenschaftliche Beispiele. Darstellen lässt sich die Veränderung zum Beispiel durch den Vergleich ausgestopfter Vertreter einer Art aus Museen mit heute lebenden Exemplaren.

Einige dieser Arbeiten zeigten etwa, dass die Schnabelgröße bei mehreren australischen Papageienarten seit 1871 im Durchschnitt um vier bis zehn Prozent zugenommen habe. Dieses Wachstum korreliert mit dem Anstieg der jährlichen Sommertemperatur. Eine ähnliche Entwicklung ist bei der nordamerikanischen Winterammer zu sehen: Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Zunahme der Schnabelgröße und kurzfristigen Temperaturextremen in kalter Umgebung. Und auch bei Säugetieren ließen sich Veränderungen beobachten: So berichteten Forscher von einer Zunahme der Schwanzlänge bei Waldmäusen und einer Zunahme der Schwanz- und Beingröße bei Amerikanischen Masken-Rotzahnspitzmäusen.

Der Klimawandel ist die einzige Gemeinsamkeit

»Die bisher beobachteten Größenzunahmen der Gliedmaßen fallen mit weniger als zehn Prozent recht gering aus, sodass die Veränderungen wahrscheinlich nicht sofort auffallen«, sagte Ryding, die Hauptautorin der Studie. »Es wird jedoch damit gerechnet, dass herausragende Körperteile wie die Ohren größer werden – wir könnten also in nicht allzu ferner Zukunft einen Dumbo in Aktion sehen.«

Afrikanische Elefanten kühlen sich mithilfe ihrer Ohren ab

Afrikanische Elefanten kühlen sich mithilfe ihrer Ohren ab

Foto: Eric Baccega / imago images

Insgesamt stelle der Klimawandel ein komplexes und vielschichtiges Phänomen dar, das sich schrittweise vollziehe. Es sei deshalb schwierig, nur eine Ursache für die Gestaltveränderung der Tiere zu benennen. Die Veränderungen seien allerdings in zahlreichen geografischen Regionen und bei einer Vielzahl von Arten zu beobachten – außer dem Klimawandel gebe es kaum Gemeinsamkeiten.

Was nutzen die Veränderungen?

Aber was nützt den Tieren ein größerer Schnabel oder ein längerer Schwanz? Es gibt in der Biologie die sogenannte »Allensche Regel«. Diese Regel beschreibt, dass Tiere aus kalten Regionen oft kleinere Gliedmaßen, Schwänze und Ohren haben als mit ihnen eng verwandte Arten aus wärmeren Regionen. Denn: Kleinere Gliedmaßen bilden eine kleinere Körperoberfläche, über die Wärme verloren gehen kann. Und analog dazu erlaubt es eine große Körperoberfläche, überschüssige Körperwärme einfacher abzuführen. Schnäbel, die nicht von Federn bedeckt und daher nicht isoliert sind, sind ein wichtiger Ort für den Wärmeaustausch, ebenso wie Ohren, Schwänze und Beine von Säugetieren, auf denen kein Fell wächst.

Afrikanische Elefanten und Eselhasen etwa pumpen bei hohen Temperaturen möglichst viel Blut in ihre großen Ohren, das sie dann dort durch Wedeln abkühlen. Dem Riesentukan dient sein gewaltiger Schnabel als eingebautes Kühlsystem: In den kühleren Abendstunden leitet er über den Schnabel überschüssige Wärme an die Umgebung ab.

»Während sich einige Arten anpassen werden, werden andere es nicht tun«

Sara Ryding, Wissenschaftlerin an der Deakin University

Dass sich manche Tiere offenbar an wärmere Temperaturen anpassen, bedeutet nicht, dass sie der Klimakrise dauerhaft trotzen können. Es sei höchste Zeit anzuerkennen, dass sich auch Tiere an die klimatischen Veränderungen anpassen müssten – und zwar in einem evolutionsgeschichtlich sehr kurzen Zeitfenster, sagte Ryding. »Der von uns verursachte Klimawandel übt einen enormen Druck auf sie aus, und während sich einige Arten anpassen werden, werden andere es nicht tun.«

vki/dpa

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