Radikales Verkehrskonzept Umweltverbände wollen Zahl der Autos halbieren

Hybrid-Auto: Experten empfehlen emissionsabhängige Pkw-Maut
Foto: © Mark Blinch / Reuters/ REUTERSWie klimafreundlich kann der Verkehr in Deutschland im Jahr 2050 werden? Mehrere große Umweltschutzverbände haben dies gemeinsam untersucht und präsentieren die Ergebnisse nun in einer 76-seitigen Studie. Demnach ließe sich der CO2-Ausstoß des Verkehrssektors gegenüber dem des Jahres 1990 um 95 Prozent senken. Dies zu erreichen, erfordere aber große Kraftanstrengungen, räumen die Autoren ein.
Es ist Deutschlands erklärtes Ziel: Bis zum Jahr 2050 sollen die gesamten Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Ausgangsjahr 1990 verringert werden. Der Verkehr steuert derzeit 20 Prozent des Kohlendoxids bei. Doch ausgerechnet dort passiere im Vergleich zu anderen Bereichen am wenigsten, kritisieren die Verbände WWF, BUND, Germanwatch, Nabu und VCD. Berücksichtige man den von Deutschland ausgehenden internationalen Luft- und Seeverkehr, sei der CO2-Ausstoß des Verkehrs zwischen 1990 und 2012 sogar um 2,5 Prozent gestiegen.
In der Studie beschreiben die Verbände ein Szenario, mit dem eine 95-prozentige Reduktion möglich sein soll. Dies würde radikale Veränderungen erfordern: Die Zahl der Pkw müsste demnach mehr als halbiert werden. "Diese Zahl hat uns auch gewundert - aber sie ist das Ergebnis der Modellrechnung", sagt Johannes Erhard, Verkehrsexperte beim WWF.
In Städten besitzen demnach immer weniger Menschen ein Auto - Radfahren, Car Sharing und Ride Sharing werden hingegen stark zunehmen. Auch der demografische Wandel wird seinen Teil dazu betragen, dass der Personenverkehr bis 2050 um 15 Prozent sinkt und weniger Autos gebraucht werden. Auf dem Land hingegen bleiben Privatautos weiterhin wichtig - dank emissionsarmer Antriebe sind sie in dem Szenario aber klimaschonend unterwegs.
Maut vom Ausstoß abhängig machen
Damit Autos tatsächlich immer weniger CO2 ausstoßen, empfehlen die Experten eine entfernungs- und emissionsabhängige Pkw-Maut. Die EU-Grenzwerte für den CO2-Ausstoß von Pkw-Neuwagen müssten bis 2025 auf maximal 65-68 Gramm CO2 pro Kilometer und bis 2030 auf maximal 50 Gramm festgelegt werden.
Der Energiebedarf des Personen- und Güterverkehrs könnte bis 2050 um 70 Prozent gesenkt werden, schreiben die Autoren. Dies soll durch Effizienzsteigerungen, Reduzierung des Verkehrs und durch Verlagerung auf ökologische Verkehrsträger erreicht werden. Ein Beispiel dafür sind Binnenschiffe, die Eisenbahn und Lastenräder mit Elektroantrieb, die großflächig in der innerstädtischen Logistik eingesetzt werden könnten - etwa bei der Paketzustellung.
Doch nicht überall lassen sich Verbrennungsmotoren durch Elektromotoren ersetzen. Gas und Kraftstoff für Schwerlasttransporte und Flugzeuge sollen dann aber mit erneuerbaren Energien hergestellt werden. Das wären zum Beispiel Biomasse oder die Elektrolyse, bei der mit Strom aus Wind und Sonne Wasserstoff produziert und anschließend zu Methan weiterverarbeitet wird.
"Die Politik muss nun dafür sorgen, dass die Energiewende auch im Verkehrssektor angepackt wird", sagt Johannes Erhard vom WWF. Nötig seien vor allem schärfere Zielvorgaben. Dietmar Oeliger, Leiter Verkehrspolitik beim Nabu sieht das Szenario für die Städte als großartige Chance: "Das Auto wird dort an Bedeutung verlieren, während Fahrrad und Pedelec eine große Zukunft bevorsteht." Weniger Lärm, weniger Abgase und mehr Raum für die Menschen machten das Leben dort deutlich lebenswerter. "Dies zu erreichen wird jedoch alles andere als ein Kinderspiel."
Die Bundesregierung hat die Studie über das Verkehrsministerium und das Umweltbundesamt mitfinanziert. Einfluss auf die Ergebnisse habe es jedoch keinen gegeben, betont WWF-Experte Erhard.