Klimaschutz per Verordnung Obamas riskante Trumpfkarte

Die US-Umweltbehörde Epa hat Treibhausgase für schädlich erklärt - Präsident Obama könnte den USA den Klimaschutz jetzt einfach verordnen. Ob das die Verhandlungen in Kopenhagen weiterbringt, ist offen - denn der Einsatz seiner Trumpfkarte wäre für Obama ein hohes Risiko.
US-Präsident Barack Obama: "Das ist ein bewusst gewählter Zeitpunkt"

US-Präsident Barack Obama: "Das ist ein bewusst gewählter Zeitpunkt"

Foto: JASON REED/ REUTERS

Die Welt hat Barack Obama gescholten, allen voran die Europäer. Der US-Präsident kümmere sich zu wenig um den Klimaschutz. Er werfe sein Gewicht nicht in die Waagschale, um beim Klimagipfel in Kopenhagen zu einem halbwegs brauchbaren Zwischenergebnis zu kommen. Doch nun hat Obama eine Trumpfkarte in die Hand genommen - eine, die er schon lange im Ärmel hatte. Die US-Umweltbehörde Epa hat sechs Treibhausgase als gesundheitsschädlich eingestuft - und darf sie jetzt nötigenfalls regulieren.

Was das für die Verhandlungen bedeutet, muss sich freilich noch zeigen. Zunächst sieht es so aus, als habe sich die US-Position in Kopenhagen auf einen Schlag verbessert - auch wenn noch gar nicht klar ist, ob Präsident Obama seine Trumpfkarte daheim jemals ausspielen wird. Er kann aber nun immerhin glaubwürdiger als bisher über CO2-Reduktionen verhandeln.

Doch so überraschend wie sie scheinen mag, kam die Ankündigung der Umweltbehörde nicht. Sie hatte sich seit Monaten abgezeichnet. Immerhin, der Termin ist interessant. "Das ist ein bewusst gewählter Zeitpunkt", sagt Regine Günther von der Umweltschutzorganisation WWF im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Sie spricht von einem "Signal an die Staatengemeinschaft": Auch wenn der US-Senat die Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes weiter auf die lange Bank schiebe, bleibe der Präsident handlungsfähig.

Die Verhandlungen in Kopenhagen könnte diese Aussicht beflügeln. Obama habe nun zumindest eine Option für den Notfall, sagt Umweltschützerin Günther. Bei vielen, wenn auch nicht bei allen Delegierten und politischen Beobachtern sorgte die Ankündigung der Epa für Zustimmung. "Die Entscheidung ist sehr bedeutend", lobte Uno-Klimachef Yvo de Boer.

"Gute Nachrichten aus den USA", jubelt auch Miranda Schreurs im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Sie ist Chefin der Forschungsstelle für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin und sitzt im Sachverständigenrat für Umweltfragen des Bundesumweltministeriums. Für die in den USA geborene Wissenschaftlerin ist die Ankündigung der Epa "einerseits ein politisches Signal Obamas, um Druck auf den Senat zu machen, und andererseits ein Zeichen an die internationale Gemeinschaft, dass er es ernst meint mit dem Klimaschutz."

Paket von Luftreinheitsgesetzen aus den siebziger Jahren

Vorbereitet hatte die Behörde die Entscheidung schon im April. Es war das erste Mal, dass die US-Regierung Treibhausgase als Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Umwelt anerkannte. Die Ankündigung vom Montag ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, diese Gefahr zu begrenzen. Grundlage dafür ist der Clean Air Act, eine Paket von Luftreinheitsgesetzen aus den siebziger Jahren.

Das ist eigentlich für klassische Autoabgase gemacht und nicht für klimaschädliche Substanzen. Im April 2007 hatte der Oberste Gerichtshof der Epa jedoch das Recht zugestanden, auch den Ausstoß von Treibhausgasen über die Vorschriften zur Luftreinhaltung zu regulieren. Die Entscheidung fiel damals knapp, mit fünf zu neun Richterstimmen. Bei der Epa hatte man im Frühjahr auch zu verstehen gegeben, dass man ein echtes Klimagesetz lieber sähe als eine Regelung der Behörde. Die Regeln des Clean Air Act seien eigentlich zu restriktiv und zu streng zur Kontrolle von Treibhausgasen.

Dann verschleppte der Senat die Verhandlungen zum Klimagesetz - und machte die Epa damit zu Obamas Trumpf. Allerdings sprechen mehrere Gründe dagegen, dass er ihn in der Praxis nutzen wird. So müssen die Regeln der Umweltbehörde erst mühevoll ausgearbeitet werden - möglich wären zum Beispiel Vorgaben für Kleinlaster, Kohlekraftwerke und Zementfabriken. Beim Neu- und Ausbau von Industrieanlagen wäre dann die besten verfügbare Technologien zur Emissionsminderung vorgeschrieben.

Aktion könnte innenpolitisch auch nach hinten losgehen

"Kompliziert und kostspielig" könnten die Regeln werden, befürchtet Miranda Schreurs. Der Prozess könnte auch Jahre dauern, zumal mit juristischem Sperrfeuer aus der Industrie zu rechnen wäre. Unmittelbare Folgen hat die Epa-Ankündigung also nicht. Behördenchefin Lisa Jackson warf sich deswegen auch noch einmal für das Klimagesetz in die Bresche: "Die Annahme durch den Senat, die eine Lösung für die Nutzung des Emissionshandels einschließen würde, wäre die kostengünstigste Lösung."

Auch für Umweltschützerin Regine Günther wären Epa-Regeln kein Ersatz für ein Klimaschutzgesetz: "Wichtig ist, dass Obama sagt: Klimaschutz ist unsere wichtigste Priorität." Ein weiteres Problem ist, dass jegliche Epa-Beschlüsse von späteren US-Regierungen problemlos wieder kassiert werden könnten - im Gegensatz zu einem Gesetz und einer darauf basierenden internationalen Klimaschutzverpflichtung.

Die Einbindung der Epa könnte innenpolitisch auch nach hinten losgehen - und die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern des Klimaschutzgesetzes im Senat weiter verhärten. Jackson bemühte sich zwar, kritische Senatoren nicht direkt zu brüskieren - indem sie dementierte, dass der Zeitpunkt ihrer Entscheidung etwas mit dem Klimagipfel zu tun habe. Doch der Demokrat John Kerry, Co-Autor des derzeit debattierten Gesetzesvorschlags, brachte die Dinge auf den Punkt: "Die Nachricht an den Kongress ist kristallklar: Setzt Euch in Bewegung!"

Entwicklungsländer fordern weitere Zusagen

Nicht alle Senatoren werden solche Muskelspiele goutieren. Entscheidend wird dabei nicht zuletzt die Position von einem guten Dutzend demokratischer Abgeordneter sein, die sich noch unentschieden zeigen. US-Wirtschaftsvertreter warnten bereits, die Beschlüsse der Epa gefährdeten Arbeitsplätze und schwächten die Wirtschaft just in dem Moment, in dem sich eine Konjunkturerholung abzeichne. Die Republikaner opponieren, die Entscheidung käme einer Energiesteuer gleich.

Republikanische Senatoren könnten im Kongress nun einen Vorstoß starten, um der Epa per Gesetz zu verbieten, sich um die Regelung der CO2-Frage zu kümmern. "Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das passiert", sagt Wissenschaftlerin Schreurs.

In Kopenhagen wird es auch weiterhin massiven Druck auf die USA geben. Die Grenaderin Dessima Williams, Vorsitzende der 43 Länder umfassenden Allianz kleiner Inselstaaten (Aosis), lobte den Epa-Beschluss. Er gehe aber von nicht weit genug. Und der indische Klima-Sondergesandte Shyam Saran forderte, die USA müssten nun deutlich machen, was ihre Absichten in konkreten Zielmarken bedeuteten - und wie sie diese durchsetzen wollten.

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