Klimaschutzplan 2050 Regierung in der Klimafalle

Kohlekraftwerk bei Köln
Foto: WOLFGANG RATTAY/ REUTERSDas Wunder von Paris wird wahr: Vor einem Jahr hatte die Staatengemeinschaft nach 20 Jahren Verhandlungen in der französischen Hauptstadt den Weltklimavertrag beschlossen. Mittlerweile haben genügend Staaten das Dokument von ihren Parlamenten verabschieden lassen, so dass es an diesem Freitag in Kraft tritt - eine historische Leistung der Diplomatie.
Der Weltklimavertrag soll dafür sorgen, dass die Erwärmung der Luft nicht weiter als zwei Grad über das Niveau des 19. Jahrhunderts steigt. Damit das Vertragsziel erreicht wird, müssen die Staaten allerdings eigene Klimaziele umsetzen.
In Deutschland soll der Klimaschutzplan 2050 Industrie und Gesellschaft den Weg zum nahezu kompletten Verzicht auf den Ausstoß von Treibhausgasen weisen. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte vergangenes Jahr ambitionierte Einsparziele für sämtliche Sektoren der Gesellschaft vorgelegt.
"Ich sehe keine Chance"
Am Mittwoch sollte Deutschlands Beitrag zum Klimaschutz verabschiedet werden, damit Hendricks mit gutem Ergebnis auf die Uno-Klimakonferenz nach Marrakesch fahren kann, die kommende Woche beginnt.
Doch daraus wird wohl nichts.
Ein monatelanger Kampf innerhalb der Bundesregierung hat dazu geführt, dass der Klimaschutzplan stark verändert wurde, die meisten Ziele wurden auf Druck anderer Ministerien aufgeweicht, besonders des Wirtschafts-, Verkehrs- und des Landwirtschaftsministeriums.
Umweltministerin Barbara Hendricks rechnet nicht mehr mit einem deutschen Plan zur Weltklima-Konferenz Mitte November in Marrakesch. "Ich sehe keine Chance mehr", sagt sie. Die Blockade der CDU/CSU sei zu starr.
Was macht Merkel?
"Ich habe immer gesagt, dass die Inhalte wichtiger sind als der Zeitplan", sagte Hendricks. Mehrere Unions-Politiker warfen dagegen der SPD-Politikerin vor, sie habe das Scheitern zu verantworten.
"Frau Hendricks hat sich mit dem Klimaschutzplan verhoben. Davon versucht sie mit einem rhetorischen Rundumschlag abzulenken", sagt Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU). Der Entwurf des Klimaschutzplans sei ein "unwissenschaftliches Sammelsurium von Maßnahmen".
Hendricks fordert ein Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie habe ihre Vorschläge zur Einhaltung der Klimaziele vorab mit dem Kanzleramt besprochen, sagte Hendricks den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wenn die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin etwas wert ist, müsste der Vorschlag nahezu unverändert aus den Ressorts zurückkommen."
Gabriels Rotstift
Der ursprüngliche Entwurf des Umweltministeriums war bereits von Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel geändert worden; einige Streitpunkte sind:
- Es entfielen Zwischenziele zur CO 2-Einsparung für Sektoren wie Industrie, Gebäude, Verkehr oder Landwirtschaft.
- Auch der zunächst angestrebte Ausstieg aus der Kohleenergie "deutlich vor 2050" - Hauptverursacher des Treibhausgases CO 2 - fiel Gabriels Rotstift zum Opfer. Im Plan wird lediglich von einer abnehmenden Bedeutung der Kohle gesprochen. Für betroffene Bergbauregionen wie die Lausitz oder das rheinische Braunkohlerevier sollen Hilfsfonds zur Wirtschaftsentwicklung eingerichtet werden.
- Der Satz, der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse schneller vorangehen, wurde ebenfalls aus dem Klimaschutzplan getilgt. Gleiches gilt für die erwogene Prüfung, Abgaben auf Gas oder Benzin zu erhöhen, um mit den Einnahmen umweltfreundliche Technologien zu fördern.
- Eine Kommission "Klimaschutz, Wachstum, Strukturwandel und Vollendung der Energiewende" solle den Ausstiegsprozess einsetzen, hieß es im Original - im aktuellen Entwurf findet sich dazu kein Datum mehr. Die Kommission war ein Kompromissangebote des Umweltministeriums.
- Die Energiewirtschaft sollte laut ersten Entwürfen des Umweltministeriums zum Klimaschutz einen "erheblichen" Beitrag leisten, nun soll der Beitrag lediglich "angemessen" sein.
- Gestrichen wurden zudem Passagen, in denen von einer Senkung des Stromverbrauchs um bis zu 20 Prozent bis 2030 die Rede ist.
Schon zehn Jahre zuvor, 2020, will Deutschland 40 Prozent weniger CO 2 ausstoßen als 1990 - das Ziel droht verfehlt zu werden.
Querschüsse
Hendricks räumt ein, dass es derzeit besonders schwierig sei, CO 2 einzusparen, insbesondere wegen niedriger Energiepreise und zunehmendem Verkehr, und gerade die Landwirtschaft an Grenzen stoße. Umso mehr sei der Energiesektor gefragt, CO 2 einzusparen.
Deshalb sei es richtig, dass die in ihrem Klimaplan-Entwurf vorgesehene Kommission, die sich mit dem Ende der Braunkohle-Wirtschaft befassen soll, die Arbeit aufnehme. Indes: CDU und CSU wollen die Kommission nicht im "Klimaschutzplan 2050" sehen.
Während die Gespräche zwischen den Ministerien schleppend, aber konstruktiv vorankämen, schössen Politiker aus Partei und Fraktion von CDU/CSU auf eine Weise quer, "die dem Thema wirklich nicht angemessen ist", kritisiert Umweltministerin Hendricks.
Doch ein Durchbruch?
Immerhin machten die Gespräche mit den CSU-geführten Ressorts Landwirtschaft und Verkehr Fortschritte, so dass eine Einigung noch dieses Jahr möglich sei, sagte die Umweltministerin. Hendricks räumte ein, dass diese beiden Sektoren das Ziel des Klimaschutzplans kaum erreichen könnten, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken.
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hält eine Einigung innerhalb der Koalition zum Klimaschutzplan noch diese Woche für möglich. Schmidt sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk, er sehe keinen Grund, dass sich die Ministerien nicht einigen sollten.
Ziel der Diskussionen sei, einen "von allen getragenen Erfolg präsentieren zu können", sagte Schmidt. Details unter verschiedenen Ressorts auszuhandeln sei zwar mühselig, aber notwendig. Das Landwirtschaftsministerium forderte, als große Industrienation sollte Deutschland mit einem Klimaschutzplan nach Marrakesch reisen.
Hendricks' Drohung
Hendricks droht mit der Brechstange: mit gesetzlichen Vorgaben, sollten die Klimaziele nicht im Konsens erreicht werden. "An den Verpflichtungen, die wir zum Schutz des Klimas eingegangen sind, führt kein Weg vorbei", sagte sie. "Wenn wir keinen Konsens über den Weg zum Kohleausstieg erzielen können, werden gesetzliche Vorgaben irgendwann unausweichlich, das will ich vermeiden."
Eine vernünftige Klimaschutzstrategie müsse vor allem auf Innovationen und Technologieoffenheit setzen, sagt Unions-Fraktionsvize Fuchs. Dass der Klimaschutzplan nicht, wie eigentlich geplant, vor der Uno-Klimakonferenz in Marokko ins Kabinett komme, sei gut, weil Inhalte wichtiger seien als der Zeitplan. Wenigstens bei dieser Maxime stimmt er mit Hendricks überein.
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