Weltklimavertrag Uno plant Überraschungsbesuch der Staatschefs

Bei den Verhandlungen zum Weltklimavertrag in Bonn beschwören Delegierte die Kunst der Diplomatie: Sehen könne man die Fortschritte nicht, aber hören. Für den Abschlussgipfel in Paris Ende des Jahres plant die Uno einen Coup.
Küste Neuseelands: Warnung vor den Stürmen der Zukunft

Küste Neuseelands: Warnung vor den Stürmen der Zukunft

Foto: Corbis

"Hast du dir das Wort gerade ausgedacht, oder gibt's das wirklich?", lachte die Chefin des Uno-Klimasekretariats, Christina Figueres auf der Abschlussveranstaltung der Uno-Konferenz in Bonn, wo diese Woche Vertreter aller Staaten um einen Klimavertrag verhandelten. "Es ist ein wichtiges Wort!", entgegnete verschmitzt Laurence Tubiana, die Leiterin der diesjährigen Klimaverhandlungen.

Das Wort "Communicability", also Mitteilbarkeit, steht tatsächlich im Lexikon, und es beschreibt die einzige handfeste Errungenschaft der Klimaverhandlungen: Nämlich dass der Vertragsentwurf allen zu vermitteln ist - und das aus simplem Grund: Der Entwurf sammelt sämtliche Wünsche aller Länder; niemand musste bislang Passagen aufgeben. Das ist das große Problem.

In drei Monaten will die Weltgemeinschaft einen Klimavertrag beschließen, der eindeutig vorschreiben soll, wie Treibhausgase gespart und Klimaschäden bezahlt werden. Doch auch in Bonn scheiterten die Delegierten daran, das Dokument zu kürzen, sich für klare Regeln zu entscheiden.

Angst vor dem Fehler

"Wir erleben hier die hohe Kunst der Diplomatie", schwärmt eine Verhandlerin. Ein Kollege erläutert, was sie meint: Sehen könne man keine Fortschritte, aber hören könne man sie - in persönlichen Gesprächen seien bereits Abmachungen über Inhalte des Klimavertrags getroffen worden. Die Formulierungen festzuschreiben aber wagt noch niemand.

Einen Fehler fürchten die Delegierten: vorschnell ihre Karten auf den Tisch zu legen. Festgeschriebene Vertragspassagen wecken Widerspruch, verhärtete Fronten und das Einschreiten von Lobbyisten, etwa von Energieunternehmen, die die Uno-Klimaverhandlungen argwöhnisch verfolgen.

Jetzt steigt die Spannung: Wann legen die ersten Länder ihre Karten auf den Tisch? Wird rechtzeitig zu den entscheidenden Verhandlungen Ende November in Paris ein Vertragsentwurf fertig?

Selbst kritische Beobachter sind optimistisch: "Ja, wir werden in Paris ein Abkommen kriegen", meint etwa Mohamed Adow von der Umweltorganisation Christian Aid.

Wo waren die Russen?

Grund für die Prognose sind geradezu exzessive Verhandlungen abseits der Uno-Konferenzen auf höchster politischer Ebene. "Die Vertreter Chinas und Indiens waren ungewöhnlich still in Bonn", wunderte sich ein niederländischer Beobachter. Und die Russen wurden kaum gesehen. Es müsse "anderswo etwas laufen".

Er hatte recht: Tatsächlich erlebt die Welt derzeit beispiellose Klimadiplomatie. Bundeskanzlerin Merkel etwa überredete auf ihrer Südamerikareise die brasilianische Regierung zu erstaunlich deutlichen Treibhausgas-Versprechen. Anfang Oktober will sie in Indien auch den härtesten Klimarebellen knacken.

Die USA und China haben sich in einer historischen Übereinkunft zu gemeinsamen Zielen bekannt. Der Chef-Verhandler der USA, Todd Stern, fliegt seit Monaten um die Welt, um dafür zu sorgen, dass sein Präsident im Dezember den vielleicht wichtigsten Erfolg seiner Regentschaft feiern kann - einen Weltklimavertrag.

Bis Paris schicken die Staatschefs ihre zuständigen Minister auf inoffizielle Klimagipfel, der erste beginnt am Sonntag in Paris. Ende September lädt Uno-Chef Ban Ki-Moon zum Klimatreffen nach New York. Auch die afrikanischen Staatschefs kommen zusammen in Sachen Klima.

Ist China ein Entwicklungsland?

Und Peru veranstaltet im Oktober eigens einen Gipfel zur Klimafinanzierung: Dort soll das Versprechen der alten Industrienationen eingelöst werden, armen Ländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar an Hilfe gegen Klimaschäden zu zahlen - es ist die wichtigste Forderung der Entwicklungsländer.

Aber wer sind überhaupt die Entwicklungsländer? Die gängige Konstellation macht es möglich, dass China - der bei Weitem größte CO2-Emittent - auf den Klimaverhandlungen als Führungsmacht der Entwicklungsländer auftritt. Eine Arbeitsgruppe in Bonn übte sich am Grundproblem, die 25 Jahre alte Einteilung der Staaten aufzuweichen.

Dennoch gelang es den sogenannten Entwicklungsländern am Donnerstag, eine gemeinsame Forderung zu beschließen, das Thema "Verluste und Schäden durch den Klimawandel" in das Paris-Abkommen mit aufzunehmen. Industrienationen aber möchten es raushalten aus dem Klimavertrag. Die Entscheidung über diesen entscheidenden Konflikt werde wohl erst in der letzten Nacht in Paris fallen, glaubt eine Delegierte.

Der Fünfjahresplan

Bei den Treibhausgasen geht es schneller: Bis zu den Verhandlungen in Paris werden voraussichtlich alle wichtigen Staaten ihre CO2-Minderungsziele verkündet haben. Die Vorhaben dürften Klimaforschern zufolge die Erwärmung jedoch nur ungenügend bremsen. Deshalb wollen zahlreiche Staaten einen Kontrollmechanismus in den Klimavertrag schreiben.

Alle fünf Jahre soll Bilanz gezogen und die CO2-Minderung verschärft werden. "Die Europäische Union muss sich klar für die Regelung aussprechen", fordert Martin Kaiser, Klimaexperte der Umweltorganisation Greenpeace. 2020 könnten Länder zu strengeren Zielen bereit sein, weil die Kosten für alternative Energien sinken.

Zwar signalisieren die meisten Staaten Zustimmung zu dem Fünfjahres-Check. Doch Experten bezweifeln, dass sich etwa die USA und China vertraglich an Prüfungen binden werden. Die Klimadiplomaten brauchen einen Schub.

Staatschefs sollen Schwung verleihen

Heimlich planen sie deshalb einen Coup: Die Staatschefs sollen gleich zu Beginn am Klimagipfel in Paris teilnehmen, ihre Präsenz den finalen Gesprächen "Schwung verleihen", heißt es aus Uno-Kreisen. Man könnte auch sagen: Sie sollen Druck erhöhen.

Die Oberhäupter entgingen damit wohl einer Visite am Ende der Verhandlungen, wo sie womöglich ein nur mittelmäßiges Ergebnis zu verkünden hätten.

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