

Der Klimawandel hinterlässt weltweit Spuren in den Permafrostböden. Nach einer globalen Untersuchung sei die Temperatur in diesen Böden zwischen 2007 und 2016 im Durchschnitt um 0,3 Grad Celsius gestiegen. Betroffen sind aber nicht nur die Regionen der Arktis und Antarktis, teilte das Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven mit. Sondern auch die Böden in den Hochgebirgen Europas oder Zentralasiens. Besonders starke Veränderungen stellten die Forscher, ein Netzwerk aus insgesamt über 50 Gruppen aus 26 Staaten, in Russland fest.
Ihre Ergebnisse wurden nun im Fachmagazin "Nature Communications" veröffentlicht. Für die großangelegte Langfriststudie hatten die Geowissenschaftler in Permafrostzonen weltweit schon vor Jahren mehr als 150 Löcher gebohrt und sie mit Messgeräten ausgestattet. So konnten sie die Temperaturentwicklung über einen Zeitraum von zehn Jahren messen - 123 der Bohrlöcher ließen für die Studie eine Aussage über diesen Zeitraum zu. Auffallend stark erwärmte sich der dauerhaft gefrorene Boden demnach im russischen Sibirien - und zwar um beinahe ein Grad Celsius.
Aber auch in anderen arktischen Gebieten sowie der Antarktis und den Hochgebirgen Europas und Asiens gab es teils deutliche Anstiege, wie die Experten unter Berufung auf ihre Analysen berichteten. Demnach hat sich der Boden an 71 der 123 betrachteten Messstellen erwärmt hat. In fünf dieser Bohrlöcher taute der Permafrost in der Tiefe sogar auf. An zwölf Bohrlöchern sank die Bodentemperatur dagegen - vereinzelt in Ostkanada, im südlichen Eurasien und der antarktischen Halbinsel. An 40 Bohrlöchern blieb sie nahezu unverändert, schreibt das AWI.
"All diese Daten zeigen uns, dass sich der Permafrost nicht nur lokal und regional erwärmt, sondern weltweit und nahezu im Takt mit der Klimaerwärmung", erklärte AWI-Permafrostexperte Guido Grosse.
Etwa ein Sechstel der gesamten Erdoberfläche gilt nach Angaben des AWI als Permafrostgebiet. Dort ist der Boden teilweise schon seit Tausenden Jahren dauerhaft gefroren. Die Kälte ist hier teilweise sogar bis in Tiefen von 1,6 Kilometern nachweisbar.
Doch taut der Permafrostboden auf, drohen Probleme für Mensch und Umwelt. Unter anderem können Gebäude und Straßen instabil werden. Das hatte erst kürzlich eine Untersuchung belegt. Demnach könnten bis 2050 die Häuser von drei Viertel der Bevölkerung in den Permafrostregionen betroffen sein - das entspricht ungefähr 3,6 Millionen Menschen.
Permafrostböden - ein wichtiger Kipppunkt im System
In den teilweise mehrere Hundert Meter dicken Permafrostschichten der Arktis sind außerdem seit der letzten Eiszeit gigantische Mengen Biomasse aus abgestorbenen Pflanzen konserviert. Sobald sie tauen, beginnt die Zersetzung durch Mikroorganismen - und zusätzliche Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan werden frei.
Das Tauen der Permafrostböden gilt daher als möglicher sogenannter Kipppunkt im globalen Klimasystem. Damit sind Effekte gemeint, die die Erderwärmung bei Überschreiten bestimmter Schwellen trotz aller von Menschen unternommenen Gegenmaßnahmen unumkehrbar machen könnten.
Video: Klimawandel - Ist die Welt noch zu retten?
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Luftaufnahmen der russischen Tundra im Lena-Delta. Gerade in Sibirien steigen die Temperaturen in den Permafrostgebieten besonders stark an, ergab eine Studie des internationalen Permafrost-Netzwerkes (Global Terrestrial Network for Permafrost).
An der Untersuchung waren auch Forscher des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven beteiligt. Diese Aufnahme zeigt Regionen aus dem Messgebiet - die sibirische Permafrostinsel Samoylov.
Die Forscher hatten weltweit 154 Löcher in den Permafrostgebieten gebohrt und sie mit Messgeräten ausgestattet.
Gemessen wurde in zehn Metern Tiefe. Hier untersuchen Guido Grosse (rechts) und sein Kollege Matthias Fuchs Erhebungen auf der sibirischen Halbinsel Bykovsky.
Insgesamt arbeiten an der Untersuchung mehr als 50 Forschergruppen aus 26 Staaten mit.
Küstenabschnitt auf der sibirischen Insel Sobo-Sise. Laut der Studie haben sich die Böden zwischen 2007 und 2016 im Durchschnitt um 0,3 Grad Celsius erwärmt.
Etwa ein Sechstel der gesamten Erdoberfläche gilt nach Angaben des AWI als Permafrostgebiet. Diese Aufnahme stammt aus Alaska.
In den Permafrostgebieten ist der Boden teilweise schon seit Tausenden Jahren dauerhaft gefroren. Die Kälte ist teilweise bis in Tiefen von 1,6 Kilometern nachweisbar.
Zerstörtes Haus in der russischen Siedlung Tscherski. Wenn der Permafrostboden auf der Nordhalbkugel taut, sacken Gebäude ab und brechen in sich zusammen.
Treffen kann es sämtliche Infrastruktur in den Permafrostregionen. Hier hat eine Straße in Finnland große Dellen bekommen, weil der sonst dauerhaft gefrorene Boden nun taut.
Absackendes Haus in Fairbanks, Alaska. Laut einer aktuellen Studie liegen zwischen 48 und 87 Prozent der Infrastruktur in den Permafrostgebieten in Regionen, in denen der Boden bis 2050 den Vorhersagen zufolge tauen wird.
Eine Brücke in Finnland führt über ein Permafrost-Gebiet. 2017 war hier die Straße in den tauenden, weichen Boden abgesackt.
Wärmer werdender Permafrostboden in Norwegen.
Absackendes Haus in der russischen Stadt Jakutsk. Auch 1590 Kilometer der Ostsibirien-Pazifik-Pipeline für die Ausfuhr von russischem Erdöl Richtung Japan, China und Korea liegen in bedrohten Permafrostgebieten.
Permafrostboden in Finnland. Die Forscher haben Hochrisiko-Zonen festgelegt, in denen die Gefahr für Schäden an der Infrastruktur durch tauende Böden besonders groß ist. In ihnen leben knapp eine Million Menschen und dort steht - je nach Rechnung - 25 bis 45 Prozent der pan-arktischen Infrastruktur.
Auch im Labor untersuchen Forscher Permafrostböden. Das Bild zeigt die Temperatur im Melnikov Permafrost Institut in Russland.
Wissenschaftler nehmen Bohrkerne aus dem Boden, um zu untersuchen, wie er sich in den vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden verändert hat.
Ein Handwerker repariert Schäden an einem Haus in der russischen Stadt Jakutsk. Wissenschaftler wollen in den nächsten Jahren noch genauer untersuchen, wo durch das Tauen der Permafrostböden besonders große Schäden zu erwarten sind.