Dilemma der Klima-Warnungen Wenn viel reden nur wenig hilft

Der Klimawandel schreitet ungebremst voran, obwohl die Menschheit ihn durchaus abmildern könnte. Ist eine falsche Kommunikation der Wissenschaftler schuld?
Von Christopher Schrader
Klimakonferenz in Bonn

Klimakonferenz in Bonn

Foto: Ulrich Baumgarten/ U. Baumgarten via Getty Images

Wer andere Menschen überzeugen will, braucht Argumente. Gute natürlich, und am besten wissenschaftlich belegte. Damit sollte man selbst Skeptiker über kurz oder lang erreichen, denken viele. Und wenn es partout nicht klappt, muss man die Botschaft halt regelmäßig wiederholen, anders erklären, anreichern, bis es auch beim letzten "Klick" gemacht hat.

Die Psychologie nennt diesen Ansatz das "Informations-Defizit-Modell" der Kommunikation. Viele Journalisten und Wissenschaftler folgen ihm beim Thema Klimawandel und seinen Folgen. Sie können dann die professionelle Verpflichtung zu neutraler Information mit dem persönlichen Ziel versöhnen, die Klimakrise abzuwenden.

Doch die sozialwissenschaftliche Forschung hat das Modell längst als Mythos enttarnt; es gibt keine kritische Masse der Information, die gesichert zu einer Reaktion führt.

Politischer Druck

Ob Information überhaupt bei Menschen ankommt und diese aktiv werden lässt, hängt von vielen anderen Faktoren ab:

  • den damit verknüpften Emotionen,
  • dem Vertrauen, das die Quelle genießt,
  • der eigenen Identität und sozialen Position,
  • dem Charakter der erwarteten Reaktion,
  • der psychologischen Distanz oder Nähe zum Thema.

Gerade in der Kommunikation über den Klimawandel führt das zu einem Dilemma: Die Berichte und Warnungen bewirken weder eine Verhaltensänderung noch steigern sie den politischen Druck, zum Beispiel die gesteckten Ziele bei der Reduktion der Emissionen auch zu verwirklichen.

Trotz dieser Erkenntnisse ist das Informations-Defizit-Modell nicht vom Tisch. Manche seiner Anhänger erhöhen einfach die Dosis. "Doom & Gloom" werden solche Berichte und Warnungen im Englischen oft genannt, also Verderben und Finsternis, was man am besten mit Schwarzmalerei übersetzt. So werden vor allem die möglichen extremen Veränderungen im Klimasystem geschildert, um damit Emotionen wie Angst zu wecken.

Das ließ sich kürzlich bei der Diskussion über die "Heißzeit" verfolgen, die ein Temperaturplus von fünf Grad und einen Meeresspiegelanstieg von 60 Metern mit sich bringen soll. Sie könnte in einigen Jahrhunderten beginnen, aber die Menschheit ist womöglich gerade dabei, sie in den kommenden Jahrzehnten unwiderruflich auszulösen, warnte ein internationales Forscherteam und fand damit großes Echo.

Noch weiter in seinem Bemühen, das Publikum zu erschrecken und so zum Handeln zu motivieren, war im Sommer 2017 das "New York Magazine" gegangen , wo der Autor David Wallace-Wells eine "unbewohnbare Erde" beschrieb. Es war ein klassischer Fall von "Doom & Gloom".

"Ob man mit solchen Szenarien Menschen 'bekehren' kann, ist sehr fraglich", sagt Imke Hoppe von der Universität Hamburg. "Die Ergebnisse auch aus der deutschen Forschung zeigen eher, dass die Informationen aus Medien sehr stark überformt werden von bereits fest verankerten Voreinstellungen." Man hört dann überhaupt nur noch das, was einem in den Kram passt. Und je höher die Bildung, das zeigen Studien von beiden Seiten des Atlantik, desto leichter fällt es Menschen, missliebige Informationen innerlich zu diskreditieren.

Woher kommt die psychologische Distanz?

Eine weitere Gefahr ist, dass die Leute abschalten. "Manche erleben es als unrealistisch oder übertrieben, wenn der Klimawandel als extrem bedrohlich dargestellt wird", erklärt Hoppe. Sie stellen dann "die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung insgesamt infrage".

Das Paradoxe daran: Die alarmierenden Klima-Botschaften erreichen die Menschen trotzdem. In Deutschland etwa ist der Klimawandel die am häufigsten genannte Sorge der Menschen. 71 Prozent fürchten eine Veränderung des Weltklimas .

Doch konkrete Handlungen folgen daraus kaum. Liegt es vielleicht an den langen Zeiträumen, die eine psychologische Distanz erzeugen? Wenn Menschen heute ihr Verhalten ändern, werden sie von einer positiven Wirkung kaum etwas mitbekommen. Denn diese entfaltet sich so richtig erst Jahrzehnte später.

Ein Problem der Klimadebatte ist auch, dass zentrale Begriffe nicht alleinstehen, sondern sozusagen einen Rucksack aufhaben: Sie wecken oft Assoziationen und setzen dem Verständnis damit einen Rahmen, einen "Frame", wie die Kommunikationsforscher das neudeutsch nennen.

"Beim Ausrufen einer zukünftigen 'Heißzeit' wird vor allem ein Problem definiert", sagt Imke Hoppe. "Wichtig wäre für die öffentliche Kommunikation, dies mit einem 'Lösungsframe' zu verknüpfen." Man könne zum Beispiel aufzeigen, was gelungene und starke Klimapolitik leisten kann, die auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens beruht. "Dafür reicht der eine aufmunternde Satz am Ende eines Beitrags allerdings nicht."

Ein wichtiger Punkt ist auch, wer überhaupt Menschen etwas sagen kann. "Vertrauen ist wichtiger als Information", erklärt der britische Aktivist George Marshall von der Organisation Climate Outreach, der sich intensiv damit beschäftigt hat, wie man den Konservativen in seinem Land die Klimakrise näherbringen kann. Freunden, dem Pastor oder einem geschätzten Politiker glaubt man als Tory-Wähler. Auch den Berichten von "Times" oder "Sun" - aber nicht dem "Guardian" oder irgendwelchen anderen "Linken".

Klimaforscherin und evangelikale Christin

Viele Experten für Kommunikation beklagen darum inzwischen bitter, dass der Klimawandel als "Öko-Thema" behandelt wird. Um Teile der Gesellschaft zu erreichen, wo die Umweltbewegung eher misstrauisch beäugt wird, brauche es Sprecher, die dort Vertrauen genießen, sagt Marshall. Und denen darf man auch nicht die Botschaft vorgeben wollen. "Den Erfolg werden wir daran erkennen", so der Brite in einem Interview , "dass über das Thema auf eine Art geredet wird, die uns persönlich überhaupt nicht gefällt."

Dieser Effekt des vertrauenswürdigen Sprechers macht zum Beispiel Katharine Hayhoe  von der University of Texas zu einer sehr effizienten Kommunikatorin: Sie ist einerseits Klimaforscherin, andererseits evangelikale Christin und mit einem Pastor verheiratet. Sie erreicht also Teile der religiösen Rechten in den USA. Wenn sie ihnen erklärt, dass Klimaschutz keineswegs der Bibel widerspricht, hören ihr die tiefgläubigen Christen zu.

Mann mit Megafon

Mann mit Megafon

Foto: Ozgur Donmaz/ Getty Images

Ansonsten haben diese Konservativen von Geistlichen und Politikern immer wieder gehört, das Gerede über den Klimawandel sei der getarnte Versuch, in Amerika den Sozialismus einzuführen. Und von den progressiveren Demokraten schallt es derweil lautstark zurück - was den Eindruck bei den Konservativen eher noch verstärkt.

Weil vielen Amerikanern die dadurch beförderte, tiefe Spaltung ihrer Gesellschaft schmerzlich bewusst ist, reden sie kaum über das Thema Klimakrise. Wer im Geheimen der Meinung ist, die globale Erwärmung sei ein großes Problem, hat kaum Gelegenheit herauszufinden, ob Nachbarn, Kollegen oder Freunde ähnlich denken. Viele halten sich dann für Mitglieder einer Minderheit.

97-prozentiger Konsens der Forscher

Die Rechten in den USA haben zudem etliche Chiffren und Sprachmuster etabliert. Trumps inzwischen geschasster Chef der Umweltbehörde EPA, Scott Pruitt, behauptete zum Beispiel gern, niemand könne genau sagen, wie das mit dem Klimawandel sei. Es gebe da große Uneinigkeit über die Effekte.

Dass sich die Wissenschaftler angeblich noch streiten, dass die Ergebnisse oder gar die Grundlagen der Forschung vermeintlich unsicher sind - für viele Menschen ist das ein starkes Signal, erst einmal abzuwarten. Darum passiert auch nichts.

Mehr wollen die Lobbyisten der Öl- und Kohleunternehmen meist gar nicht. Sie werden in den USA, wie kürzlich ein Beitrag im ARD-Magazin "Monitor" wieder aufzeigte , unter anderem von konservativen Superreichen und der Stiftung des Ölkonzerns Exxon Mobil finanziert.

Den Eindruck vieler umweltbewusster Amerikaner, dass man in der Minderheit ist und sich die Forscher ohnehin streiten, versucht das Team um Anthony Leiserowitz von Yale University zu korrigieren. Es veröffentlicht einerseits regelmäßige Umfragen, wonach eine große Mehrheit der Amerikaner bis weit ins republikanische Lager hinein keine Zweifel an der Realität der Klimakrise hat und Maßnahmen dagegen befürwortet. Und sie betonen andererseits, dass sich die Wissenschaft auf gewisse Kernaussagen geeinigt hat: Zum Beispiel, dass es den Klimawandel gibt. Dass der Klimawandel eine Bedrohung ist, aber durch entschiedenes Handeln zumindest abgemildert werden könnte. Darüber, dass der Mensch einen entscheidenden Einfluss hat, gibt es sogar einen 97-prozentigen Konsens der Forscher.

"Das soll den Leuten zeigen, dass es Zeit ist, über das Thema und mögliche Lösungen miteinander zu reden und dass sie nicht befürchten müssen, für ihre Meinung verachtet zu werden", sagt Leiserowitz. Er hat sich sogar die Mühe gemacht, seine Kernbotschaft zum Klimawandel in zehn Wörtern zusammenzufassen .

"It's real, it's us, it's bad, experts agree, there's hope."
(Es stimmt, wir sind verantwortlich, es droht Gefahr, die Fachleute sind sich einig, es gibt Hoffnung.)

Soziale und politische Identität

Einstweilen aber sind die globale Erwärmung und andere Themen in den USA derart politisiert, dass die eigene Meinung sozusagen zum Mitgliedsausweis einer sozialen Gemeinschaft geworden ist. "Mit der Position zum Klimawandel zeigt man eigentlich, was für eine Person man ist", sagt Dan Kahan von der Yale University.

In Deutschland sind die Verhältnisse zwar nicht annähernd so extrem, doch die grundsätzlichen Mechanismen sind hier auch zu beobachten, sagt Monika Taddicken von der Universität Braunschweig: "Kulturelle Werte, eigene Meinungen und Informationen von außen vermischen sich."

Zudem gebe es auch hier Widerspruch in der Gesellschaft: "Sogenannte Skeptiker, die grundlegende Erkenntnisse der Klimawandelforschung anzweifeln, scheinen genau wie die Verunsicherten in jüngster Zeit stärker in die Öffentlichkeit zu treten."

Der Kontext ist hierzulande jedoch anders als in den USA, stellen Taddicken und ihre Kollegen immer wieder bei vergleichenden Umfragen fest. "Wir Deutsche äußern nicht nur größere Sorge wegen des Klimawandels, wir sehen auch uns selbst als besorgter als andere Nationen, besonders als die Amerikaner." Damit ist die Haltung zur Klimakrise auch in Deutschland Teil der sozialen, wenn auch nicht unbedingt der politischen Identität.

Doch auch wenn der Deutsche sich vielleicht mehr als Bürger vieler anderer Länder vor einer dramatischen Erderwärmung fürchtet: Im relativen Nichtstun ist er sich einig mit fast allen anderen Menschen auf der Erde.

Anm. d. Red: In einer früheren Fassung des Artikels hieß es, dass sich 97 Prozent der Forscher bei den Kernaussagen zum Thema Klimawandel einig sind. Dies gilt explizit nur für die Aussage, dass der Mensch einen entscheidenden Anteil daran hat. Gleichzeitig gibt es zu vielen anderen Kernaussagen ebenfalls eine große Einigkeit unter den Forschern. Wir haben die Passage entsprechend präzisiert.

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