Klonen Das Mammut-Projekt
"Jurassic Park" war gute Science-Fiction. Verführerisch die Vision des Autors Michael Crichton, Dinosaurier wieder zum Leben zu erwecken. Die Idee: Aus dem Blut eines in Bernstein eingeschlossenen Moskitos gewinne man Dino-DNA und erwecke die Urzeitgiganten zum Leben.
Doch funktioniert die Hollywood-Phantasie auch in Wirklichkeit?

Mammut-Skelett (Zeichnung): Die Eiszeit-Riesen starben vor 10.000 Jahren aus
Foto: REUTERSDie Zeit macht den Träumen einen Strich durch die Rechnung: Die Riesenechsen verschwanden vor 65 Millionen Jahren. Nach dieser langen Zeit stehen die Chancen, noch intakte Dino-DNA zu finden, bei Null.
Viel realistischer erscheint da die Idee der Wiedererweckung des Mammuts. Diese riesige Elefantenart verschwand vor gerade einmal 10.000 Jahren.
Entwickelt hatte sich das Wollhaar-Mammut vor rund 300.000 Jahren in Sibirien. Es breitete sich während der jüngsten Eiszeit in Europa, Asien und Amerika aus. Bis zu acht Tonnen schwer wurden die Riesen - deutlich mehr als Elefanten mit nur fünf Tonnen.
Es gibt erstaunlich gut erhaltene Mammut-Reste: Vor zwei Jahren fanden Wissenschaftler im sibirischen Eis ein konserviertes Mammut-Jungtier (siehe Fotostrecke und Video).
Diese Funde und die Durchbrüche in der Gentechnik regen Wissenschaftler-Träume an. Zum einen gelang es japanischen Forschern, gesunde Mäuse aus den Zellen eines 16 Jahre lang tiefgefrorenen Mauskadavers zu klonen. Dann berichteten Forscher um Stephan Schuster, dass sie das Erbgut des Mammuts entziffert hätten.
"Die Proben, die wir verwendeten, stammen von zwei Tieren: Die eine ist 18.000 Jahre alt und enthält etwa 90 Prozent Mammut-DNA. Die zweite Probe stammt aus einem 60.000 Jahre alten Tier und enthält etwa 60 Prozent", sagte Schuster SPIEGEL ONLINE.
Zwar konnten die Forscher nur etwa 70 Prozent der stark zerstückelten DNA lesen. Doch bald werden sie den gesamten genetischen Bauplan der Eiszeit-Riesen in Händen halten. Dabei hatten sie nicht das tiefgefrorene Gewebe aus dem sibirischen Eis benutzt, sondern Hautzellen von Mammut-Haar. Dieses Material ist weniger verunreinigt als die gefrorene Körpersubstanz.
Der Traum vom wiedererweckten Mammut scheint näherzurücken. Doch ist seine Klonierung wirklich möglich?
Eins ist schon jetzt klar: Es handelt sich buchstäblich um ein Mammut-Projekt, denn viele technische Hürden sind zu nehmen. SPIEGEL ONLINE erklärt die einzelnen Schritte.
Die DNA-Sequenz
Ohne den genetischen Bauplan geht nichts. Das Entziffern kompletter Erbgute ist zwar zur Routine geworden, doch dafür braucht man DNA von guter Qualität.

DNA-Doppelhelix (Zeichnung): Mammut-DNA ist in viele Teile zerbrochen
Foto: DPADavon kann beim Mammut nicht die Rede sein: Nach dem Tod zersetzt sich das Erbgut rasch, der Strang mit den vier Milliarden Buchstaben zerbricht in kleine Stücke. Außerdem werden Mammut-Kadaver - trotz der tiefen Temperaturen im Eis - von Bakterien und Pilzen befallen. Deren DNA vermischt sich mit der des Mammuts. Das macht es den Wissenschaftlern schwer: Stammt ein sequenziertes DNA-Stück vom Mammut oder von einem Bakterium?
Nächstes Problem: Beim Lesen der Erbgut-Buchstaben passieren Fehler. Laut Schuster sind von 10.000 DNA-Buchstaben 14 falsch. Klingt nach wenig, hochgerechnet auf die Gesamtlänge des Mammut-Erbguts von 4,7 Milliarden Buchstaben sind das jedoch 6,58 Millionen Fehler. Zu viel, um einen lebendigen Organismus zu züchten.
Also muss mehrfach gelesen werden: "Zehn- bis fünfzehn Mal", meint Schuster. "Nur so können wir Fehler vermeiden." Ein Aufwand, der innerhalb weniger Monate durchzuführen wäre. Die Kosten: 1,4 Millionen Euro. Wann er die vollständige Mammut-Sequenz vorlegen wird, will Schuster aber nicht verraten.
Mammut-DNA und Chromosomen künstlich nachbauen
Um ein Mammut zu klonen, braucht man einen Zellkern, der die DNA in Chromosomen abgepackt enthält. Diesen bringt man in die entkernte Eizelle eines Elefanten und entwickelt daraus den Embryo.

Menschliche Chromosomen unter dem Elektronenmikroskop: Wie viele Chromosomen hat ein Mammut?
Foto: REUTERSHat man die Abfolge der Gen-Buchstaben, muss man die gesamte Mammut-DNA künstlich nachbauen, danach in künstliche Chromosomen verpacken und diese wiederum in künstliche Zellkerne stecken.
Dies alles ist heute noch nicht machbar. Das größte künstliche Erbgut, das je hergestellt wurde, stammt von einem Bakterium. Das Mammut-Genom aber ist etwa 8000-mal größer.
Nächstes Problem: Wie viele Chromosomen hat ein Mammut? Und welche DNA-Abschnitte sitzen wo? Niemand weiß das, weil es keine intakten Mammut-Zellen mehr gibt. Doch selbst wenn Mammuts wie Elefanten 56 Chromosomen in ihren Zellen besessen haben sollten - wie baut man sie nach? Künstliche Chromosomen hat man schon hergestellt - aber von Hefezellen. Die sind viel kleiner als Säugetier-Chromosomen.
Schuster ist dennoch optimistisch: "Ich halte es nicht für völlig unmöglich."
Herstellung des Zellkerns
Die künstliche DNA auf den künstlichen Chromosomen muss in einen künstlich hergestellten Zellkern. Gibt man Chromosomen in Frosch-Eizellen, bildet sich eine Art Membran und daraus ein Zellkern. Ob dieses Konstrukt - eingeschleust in eine Eizelle - einen Embryo bildet, ist jedoch fraglich.
Die DNA-Synthese und die Erzeugung künstlicher Chromosomen stellen die größten Hindernisse beim Mammut-Projekt dar. Hätte man doch nur eine intakte Mammut-Zelle!
"Es ist nahezu ausgeschlossen, intakte Zellen in Mammut-Gewebe zu finden", sagt Schuster. Auch der Berliner Tiermediziner Hildebrandt hat sich Mammut-Gewebe angesehen: "Es ist in einem desolaten Zustand."
Wie aber ist es den japanischen Forschern um Teruhiko Wakayama dann gelungen, aus dem 16 Jahre lang gefrorenen Kadaver einer Maus ein lebendes Tier zu klonen?
Hildebrandt: "Das war eine andere Situation. Die Maus lag nicht im Eis gefroren, sondern in einem Kühlschrank - an der Luft." Durch das jahrtausendelange Liegen im Eis seien Mineralien in die Zellen des Mammut-Kadavers eingedrungen, hätten sie buchstäblich verkalkt und zerrissen. Zudem sei nicht sicher, ob in 10.000 Jahren Temperaturschwankungen nicht dazu geführt hätten, dass der Mammut-Kadaver zwischenzeitlich doch aufgetaut sei, so Hildebrandt.
Die japanischen Forscher sind dennoch zuversichtlich. Sie hoffen, im Hirn der gefundenen Kadaver doch noch intakte Zellen zu finden. Wakayama gab jedoch gegenüber SPIEGEL ONLINE zu, selbst noch nie Mammut-Gewebe untersucht zu haben.
Eizellen von Elefanten
Die spezielle Anatomie der Elefanten macht die Gewinnung von Eizellen schwierig, sagt Hildebrandt. Er ist Spezialist für die Dickhäuter, hat sie schon mehrfach mit einem eigens konstruierten Apparat künstlich besamt. Dazu musste er den mehr als einen Meter langen Kanal von der Vagina bis zur Gebärmutter der Elefantenkuh überwinden. "Bis an die Eierstöcke kommt man so aber nicht heran", meint er.
Aber es gibt einen anderen Weg: "Man kann verstorbenen Elefanten die Eierstöcke chirurgisch entnehmen und einfrieren." Um daraus reife Eizellen zu gewinnen, pflanzen Wissenschaftler das Gewebe speziellen Ratten ein. Deren Immunsystem wurde zerstört, damit sie das Fremdgewebe nicht abstoßen. Mit gezielten Hormongaben kann man dann die Elefanten-Eizellen heranreifen lassen - im Körper der Ratte.
Anschließend entfernt man den Zellkern mit dem Elefanten-Erbgut und ersetzt ihn durch den des Mammuts. Doch eine Hürde bleibt: Die zellulären Kraftwerke der Eizelle, die Mitochondrien, stammen von der Elefanten-Mutter. Mitochondrien haben eigene DNA. "Man erhält somit auf diesem Weg niemals einen hundertprozentigen Mammut-Klon", sagt Hildebrandt. Ein Problem, das das ganze Projekt zum Fallen bringen könnte - denn keiner weiß, ob die Elefanten-Mitochondrien mit dem Mammut-Erbgut harmonieren würden.
Das Problem hält Schuster für lösbar: "Die kurze Gen-Sequenz des Mammut-Mitochondriums haben wir bereits vorliegen." Mit heutiger Technik, glaubt er, wäre es möglich, die Mitochondrien-DNA des Mammuts künstlich nachzubauen.
Einpflanzung des Embryos / Trächtigkeit / Geburt
Aus der Eizelle mit dem Mammut-Kern lässt man den Embryo heranreifen. Man sollte ihn früh einpflanzen, sagt Hildebrandt, denn bei Klontieren drohen sonst Entwicklungsstörungen.

Indischer Elefant mit Jungtier: Seine Anatomie macht die Einpflanzung eines Mammut-Embryos schwierig
Foto: REUTERSDoch auch bei der Einpflanzung ist wieder die Anatomie des Elefanten hinderlich: Wolle man laut Hildebrandt über den Vaginaltrakt einschleusen, gelinge dies nur bei Embryonen in einem relativ späten Stadium - was ja bei Klontieren vermieden werden sollte.
Zweite Methode: Man bohrt ein Loch durch die Bauchhöhle und bringt den Embryo mit einem Endoskop direkt in die Gebärmutter. Dazu muss man die Bauchhöhle allerdings mit CO2-Gas aufpumpen, um mit dem Gerät arbeiten zu können.
Genau das aber sei für den Elefanten gefährlich: "Das Tier könnte ersticken, weil seine Lunge fest mit dem Brustkorb verwachsen ist." Die Dickhäuter können so gut Unterdruck erzeugen, damit sie auch durch den langen Rüssel Luft holen können. "Erzeugt man aber in der Bauchhöhle einen Überdruck, kann das Tier nicht mehr richtig atmen", sagt Hildebrandt.
Nur bei sehr jungen Elefanten - im Alter von etwa vier Jahren - wäre eine Einschleusung auf diesem Weg möglich. "Bei ihnen sind die Lungen noch nicht so fest verwachsen und die Druckverhältnisse im Inneren etwas günstiger." Doch das bringt andere Probleme mit sich: Elefanten werden erst mit dreieinhalb Jahren geschlechtsreif, ein Drittel der ersten Trächtigkeiten endet tödlich für das Baby.
Zudem müsste die junge Elefanten-Mutter bei einer solchen ersten Trächtigkeit auch noch ein Mammut gebären. Zwar waren Mammut-Embryonen nicht größer als die von Elefanten, meint Hildebrandt. Dennoch: "Das Aussehen ist anders, die Beckenstruktur der Elefantenmutter ist darauf nicht eingestellt." Außerdem seien Mammut-Embryonen stark behaart - "das behindert den Geburtsvorgang". Ein Kaiserschnitt ist wegen der Druckproblematik nicht möglich.
Anderer Weg: Die Mammutisierung des Elefanten
Auch wenn man die Erbgutsequenz des Mammuts wahrscheinlich bald ganz kennen wird - der Nachbau des Erbguts ist noch Science-Fiction. Genauso wie die Erzeugung von Chromosomen und Zellkern.

Erbgut-Sequenz: Warum nicht einfach Elefanten- in Mammut-DNA umschreiben?
Foto: CorbisWarum nicht einfach die Unterschiede in der DNA-Sequenz von Elefant und Mammut im Erbgut des Elefanten direkt umschreiben?
"400.000 Gen-Buchstaben des Indischen Elefanten müssten dafür voraussichtlich geändert werden", schätzt Schuster.
Man würde dafür einem Indischen Elefanten eine Hautzelle entnehmen und sie in eine Stammzelle verwandeln - eine etablierte Technik. Im Erbgut der Stammzelle dann schreibt man schrittweise alle notwendigen Stellen um und setzt den manipulierten Zellkern in eine Elefanten-Eizelle.
Soweit die Theorie. Zurzeit können Gentechniker in Mauszellen einzelne DNA-Buchstaben umschreiben. Doch jeder Eingriff ist ein Glücksspiel, jedesmal muss das Erbgut der Zelle ausgelesen werden, um zu prüfen, ob die Umschreibung gelungen ist. Bei 400.000 Eingriffen ein immenser Aufwand. Die Kosten eines solchen Vorgehens schätzt Schuster auf sieben Millionen Euro.
George Church, Genetiker an der Harvard Medical School, arbeitet mit dieser Technik. Die Schwierigkeit sieht er nicht in der Anzahl der umzuschreibenden Buchstaben. "Das Problem ist, dass sie über das ganze Erbgut verstreut liegen." Im schlechtesten Falle seien somit tatsächlich 400.000 Eingriffe nötig, zudem sei die Technologie bei Säugetierzellen noch nicht Routine. Church schätzt die Dauer eines Eingriffs auf eine Woche, die Kosten beziffert er auf 700 Euro.
Church ist dennoch optimistisch: Wahrscheinlich sei es gar nicht nötig, all diese 400.000 Buchstaben umzuschreiben, glaubt er. "Möglicherweise reichen sogar nur einige Dutzend aus."
Die Frage nach dem Warum

Mammut-Modell: "Wir sollten lieber noch lebende Tiere vor dem Aussterben bewahren, statt ausgestorbene wieder zum Leben zu erwecken"
Foto: DPAMammuts klonen - irgendwann werden wir das einmal können.
Doch sollten wir es auch?
Hildebrandt hat da eine klare Meinung: "Wir lehnen das Projekt ab. Die enormen Ressourcen sollten wir darauf verwenden, noch lebende Tiere vor dem Aussterben zu bewahren und nicht ausgestorbene wieder zum Leben zu erwecken."
Schuster sieht keine ethischen Probleme, denkt aber schon einen Schritt weiter: "Falls wir jemals diese Technologie zur Verfügung haben werden, ein Erbgut in ein anderes umzuschreiben, dann wird unsere Gesellschaft mit anderen Problemen konfrontiert sein als mit dem Klonen von Mammuts." Die Auswirkungen wären seiner Ansicht nach dramatisch: "Dann könnte der Mensch sein eigenes Genom völlig dekonstruieren." Und beispielsweise in einen Neandertaler umschreiben oder Mischwesen erzeugen. "Ich hoffe, wir sind dann als Gesellschaft ethisch so weit entwickelt, dass wir mit dieser Technik verantwortungsvoll umgehen können."
Harvard-Genetiker Chuch sieht mehrere Gründe für das Mammut-Projekt: "Erstens ökologische - um das Pleistozän wiederzubeleben. Zweitens, um Zoos zu stärken und die Bevölkerung über die Problematik des Aussterbens aufzuklären. Und drittens, um die Technik weiter zu verbessern - damit wir noch andere Projekte durchführen können."